Die internationale Occupy-Bewegung richtet sich vorrangig gegen soziale und wirtschaftliche Ungleichheit. An ihren Aktionen finden aber auch die unterschiedlichsten anderen Bürgerrechts- und Graswurzelaktivisten Anschluss. Gemeinsam ist ihnen ihr Protest gegen ein als unterdrückerisch empfundenes, aber mit den Machtstrukturen der Gesellschaft fest vernetztes System. Occupy Germany beschreibt sich selbst als eine vor allem über das Internet verbundene Bewegung ohne Hierarchien oder Anführer – das verbindende Element stellte der Wille dar, über grundlegende Probleme im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen System zu informieren und zu diskutieren. Occupy Germany wolle aufklärerisch tätig werden, nach Lösungsansätzen suchen und „durch den Druck der Masse der Bevölkerung“ auf Veränderungen hinwirken. Nach dieser Selbstdarstellung liegt die Frage auf der Hand, ob linke Männerrechtler und Kritiker des gegenwärtigen Feminismus nicht guten Grund hätten, mit ihrem Protest und ihrem Widerstand gegen die herrschenden Strukturen ein Teil der Occupy-Bewegung zu sein?
Welche totalitären Ausmaße beispielsweise das Gender Mainstreaming in der deutschen Hochschul- und Wissenschaftspolitik angenommen hat, wird in einem Artikel von Dr. Harald Schulze deutlich, der in Gänze lesenswert ist und von dem ich hier einige zentrale Absätze zitieren möchte:
Wer heute eintaucht in die Welt einer deutschen Hochschule, der wird unweigerlich auf allen Gebieten mit dem Thema Gender konfrontiert. Der dahinter stehende Anspruch ist so umfassend und der Entwicklungsprozess so weit fortgeschritten, dass Vertreter führender deutscher Hochschulen die Universität als „grundlegend ‚gegenderte‘ Organisation“ auffassen. Dies beginnt mit einer Ausrichtung der Forschungsgebiete in den geisteswissenschaftlichen und pädagogischen Fächern hin zu „Gender-Themen“, aus deren Studium „Gender-Wissen als Schlüsselkompetenz“ erwachsen soll. Damit verbunden sind „gendergerechte Lehre“ sowie „gendergerechte Sprache, Didaktik und Stoffpräsentation“. (…) Die Vorstellung von der Hochschule als grundlegend „gegenderter Organisation“ bedeutet nichts anderes, als dass „in allen Bereichen im Sinne von Gender Mainstreaming gedacht und gehandelt werden“ soll.
(…) Im deutschen Wissenschaftsbetrieb hat sich Gender Mainstreaming zur alles beherrschenden Ideologie ausgewachsen: Keine Stelle wird besetzt, kein Forschungsantrag gestellt, kein Rechenschaftsbericht erstellt, ohne dass die Kriterien des Gender Mainstreamings daran angelegt würden. Dies hat zu einem Anpassungsprozess geführt, bei dem die betroffenen Wissenschaftler den Anforderungsprofilen entweder aus Überzeugung oder aus Pragmatismus Rechnung tragen. Inhaltlich und methodisch wird dabei Forschung zumeist nur simuliert. Problematisch unter wissenschaftsethischen Grundsätzen ist, dass es sich um eine Theorie handelt, die in hohem Maße an die individuellen Selbsterfahrungen ihrer Vertreter gekoppelt ist. Dabei wird jeder Position, die aus einer abweichenden Perspektive argumentiert, die Geltung abgesprochen. Gender Mainstreaming ist so zu einem Dogma geworden.
(…) Eine Ablehnung des Gender Mainstreaming als Konzept wird gleichgesetzt mit einem Verprellen der Frauen als Wählergruppe und gilt als politischer Selbstmord. (…) Man konstatiert mit Erstaunen, dass postulierte Männernetzwerke als Instrumente patriarchalischer Strukturen ausgemacht und kritisiert werden, während gleichzeitig Frauennetzwerke als institutionalisierte Strukturen staatlich gefördert werden. (…) Durch die in den Förderplänen festgeschriebene Ausrichtung und die Einflussmöglichkeiten der Frauenbeauftragten im Hochschulbetrieb wird von allen Mitgliedern der Hochschulen ein Bekenntnis zum Gender Mainstreaming verlangt, das von diesen auch weitgehend geleistet wird, sofern sie als Verantwortliche im Fokus der akademischen Öffentlichkeit stehen. Hinter vorgehaltener Hand dagegen machen viele Wissenschaftler, Frauen wie Männer, keinen Hehl daraus, dass sie die Ideologie des Gender Mainstreaming für ausgemachten Blödsinn halten.
(…) Schließlich muss man sich fragen, warum kaum offene Kritik am System und der Ideologie des Gender Mainstreaming im deutschen Hochschulwesen laut wird? Immerhin handelt es sich bei einem beträchtlichen Teil der Betroffenen ja um Wissenschaftler, die die Freiheit der Forschung und Lehre zumindest gerne im Munde führen, auch wenn die zunehmende Bürokratisierung der Hochschulen den Raum für Freiheiten immer mehr beschneidet. Tatsächlich ist das Thema Gender Mainstreaming an den deutschen Hochschulen zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit einem regelrechten Tabu belegt. Indem eine Verquickung von Forschung und ideologischer Machtpolitik stattgefunden hat, konnte sich ein Netzwerk institutionalisierter Genderforscher etablieren, das in einem gleichsam geschlossenen Kreislauf der immer gleichen Institutionen und Personen durch die Vergabe von Stellen, Forschungsmitteln, Stipendien und Gutachten den Gang der Entwicklung bestimmt. Seinen sichtbaren Ausdruck findet das auch in den stereotypen Formulierungen und Thesen im Bereich Gender Mainstreaming. Freiheit und Unabhängigkeit der Forschung ist in diesem Konstrukt schon deswegen unmöglich, weil die Repräsentanten der Genderforschung in direkter Weise von der Gleichstellungspolitik profitieren. (…) Durch das Zusammenspiel der beteiligten Institutionen aus den Bereichen Hochschule, Forschungsinstitute, Stiftungen und Politik erstreckt sich der Einfluss des Gender-Mainstreaming-Kartells mittlerweile auf alle Bereiche der Hochschul- und Forschungspolitik. Der daraus resultierende scheinbare Konsens führt dazu, dass kritische Fragestellungen oder Stellungnahmen zum Thema Gender Mainstreaming in der deutschen Scientific Community bisher praktisch ausbleiben.
Mit anderen Worten: Ähnlich wie bei der Wirtschafts- und Finanzelite gibt es ein regelrechtes Kartell von Personen und Institutionem, die ihre eigenen Interessen zum Schaden vieler ungehindert durchsetzen können, während sich die Machtlosen nur hinter vorgehaltener Hand über die herrschenden Zustände zu klagen trauen. Wo wären politische Proteste der „schweigenden 99 Prozent“ notwendiger als hier?
Zu dem von Dr. Harald Schulze geschilderten Klima passt die Einschätzung, die man im letzten MANNdat-Weihnachtsrundbrief über die Entlassung der zu männerfreundlich gewordenen Gleichstellungsbeauftragten Monika Ebeling auch als Kindergärtnerin lesen konnte: „Es hat den Anschein“, hieß es dort, „als solle ein Exempel statuiert werden für alle Gleichstellungsfunktionärinnen, die es zukünftig wagen sollten, von der jungen- und männerfeindlichen Linie abzuweichen. Ihnen soll vermutlich klargemacht werden, dass Abweichlerinnen des geschlechterpolitischen Establishments nicht nur der Verlust ihrer Gleichstellungsstelle droht, sondern auch der Verlust ihres Arbeitsplatzes und damit der Verlust ihre existentiellen Grundlage.“
Der weltweit renommierte Professor für Sozialpsychologie Roy Baumeister hat sich in seinem Buch „Is There Anything Good About Men?“(Oxford University Press 2010) unter anderem der Frage gewidmet, wie aus einer ursprünglichen Befreiungsbewegung wie dem Feminismus eine totalitäre, massiv unterdrückerische Bewegung entstehen konnte. Seine überzeugende Antwort: Da die Frauenbewegung in den 1960er und 1970er mit dem Erreichen vernünftiger Ziele sehr schnell sehr erfolgreich war (es gab ja praktisch keine Männer, die den vernünftigen Forderungen der Frauen irgendeinen Widerstand entgegensetzten), erklärten sämtliche gemäßigten Frauen der Bewegung ihre Arbeit für beendet und wandten sich anderen Dingen zu. Übrig bleiben die radikalen und fanatischen Frauen und Männer im Feminismus, die sich dort immer mehr ausbreiteten und heute den Großteil der Bewegung ausmachen.
Baumeister räumt einer zielgerichteten Diskussion mit den verbliebenen Frauenrechtlern wenig Erfolgschancen ein: „Ich möchte von Anfang an betonen“, stellt er auf Seite 9 seines Buches klar, „dass ich nicht mit irgendwelchen feministischen Forschern diskutiere. Tatsächlich habe ich den starken Verdacht, dass eine Debatte mit Feministinnen keinen Sinn ergibt.“ Ist Baumeister ein verknöcherter, reaktionärer Macho? Im Gegenteil. Er bezieht sich auf Fachfrauen aus den Genderstudien, die zu eben diesem Ergebnis gelangt sind: „Das Geschäftsmodell des Feminismus wurde von Daphne Patai und Noretta Koertge treffend zusammengefasst, zwei Forscherinnen, die ihre Karriere in Frauenstudiengängen verbracht haben und darüber, was dort als wissenschaftliche Aktivität durchgeht, das gedankenreiche Buch Professing Feminism: Education and Indoctrination in Women’s Studies geschrieben haben. Dabei hielten sie als zentrale Tatsache fest, dass die meisten Feministinnen der Kritik von Nicht-Feministen keine Aufmerksamkeit widmen. Von Vertretern der eigenen Fraktion hören sie sich leichte Kritik an – aber diese bezieht sich hauptsächlich auf die Reinheit ihres Bekenntnisses zur feministischen Politik und Doktrin. Wenn hingegen Wissenschaftler einander kritisieren, liegt deren Fokus hauptsächlich auf den Untersuchungsmethoden und wie gut sich verschiedene Theroien mit den Daten in Übereinklang bringen lassen. Patai und Koertge zufolge gibt es diesen Prozess in den Frauenstudien nicht.“
In Deutschland sieht die Situation bekanntlich nicht anders aus. Feministisch geprägte Institutionen wie das Gunda-Werner-Institut und die Heinrich-Böll-Stiftung erließen in den letzten Jahren eine Verlautbarung nach der anderen, der zufolge mit Kritikern der feministischen Ideologie „kein Dialog möglich“ sei. Besonders gewürdigt werden dort Menschen, deren wissenschaftliche Leistung keiner näheren Überprüfung standhält, aber durch ihre „Reinheit ihres Bekenntnisses zur feministischen Politik und Doktrin“ höchsten Beifall erhält. Ich brauche die entsprechenden Namen gar nicht mehr zu nennen; die Betreffenden wurden ausgiebig genug diskutiert. Auch hierzulande outet sich dieser Fachbereich von Jahr zu Jahr mehr als eine Glaubensgemeinschaft, die von pseudowissenschaftlichen Schriften notdürftig zusammengehalten wird.
Hier stellt sich allerdings sehr die Frage, wie ausgerechnet an den Hochschulen ein derart wissenschaftsfremdes System wie der Feminismus eine dermaßen totalitäre Macht ausüben kann. Warum protestieren nicht viel mehr Menschen gegen diese Anmaßung? Warum nehmen sie viele sogar in Schutz?
Ende letzten Jahres erschien im Wissenschafts-Ressort von Spiegel-Online ein Artikel darüber, warum Menschen eine Diktatur verteidigen. Zentrale Erkenntnisse: Menschen verteidigten repressive Systeme vor allem, wenn sie von ihnen „abhängig sind oder wenn sie dem System scheinbar nicht entfliehen können. Sie tun es aber auch dann, wenn sie das Gefühl haben, keine Kontrolle über bestimmte Lebensbereiche zu haben, wie etwa das Gesundheits- oder Schulsystem. (…) Wenn Studienanfänger das Gefühl hatten, von ihrer Uni abhängig zu sein, verteidigten sie jegliches Vorgehen der Leitung – auch die unfaire Vergabe von Wohnheimplätzen.“ Oder, möchte man hinzufügen, eine totalitäre Gewalt der feministischen Ideologie.
Die Chancen auf eine Studentenrevolte gegen diese Oppression stehen also eher schlecht. Dies gilt um so mehr, dass ähnlich wie in George Orwells Dystopie „1984“ Regierung und Opposition unter einer Decke stecken. Bestes Beispiel: Jemand, der eine Meinung vertritt, die nicht der herrschenden Ideologie entspricht, möchte an einer Universität einen Vortrag halten. In einem totalitären System ist das natürlich unmöglich. Das musste auch der israelische Historiker Martin van Creveld erfahren. Der Clou bei der Sache war, wie gut hier die beiden Instanzen zusammenspielten, die eigentlich in einer gewissen Opposition zueinander stehen sollten. Der AStA beantragte van Creveld auszuladen, erklärte das damit, dass der Wissenschaftler gegen die herrschende Ideologie verstoße, und die Leitung der Universität Trier schickte den Wissenschaftler stante pede zurück nach Israel. Professor Gerhard Amendt versandte zu diesem Vorgang einen offenen Brief, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Das Problem bei der Sache: Eigentlich müsste man ständig solche Briefe verschicken, was nur deswegen nicht geschieht, weil der Vorgang so alltäglich geworden ist, dass er keinem mehr auffällt: Universitäten kommen normalerweise gar nicht erst auf die Idee, jemanden vortragen zu lassen, bei dem man damit rechnen muss, dass sein Vortrag der feministischen Ideologie zuwiderläuft. So jemand wird von vorneherein ausgesiebt. Martin van Creveld war wegen seines internationalen Renommees einfach zunächst durch das Sieb durchgerutscht und musste quasi von Hand entfernt werden.
Gibt es also keine Hoffnung auf eine erfolgreiche Revolte a la „Occupy Feminism“? Nun, eine regelrechte Revolte steht wohl nicht zu erwarten. Die allermeisten Studenten gehen auch wegen anderer Unzumutbarkeiten nicht mehr auf die Straße. Dafür wäre es vermutlich der Mühe wert, ein allgemeines Umdenken voranzutreiben, von dem zukünftige Akademiker profitieren. „Hier kann man nur auf eine neue Generation hoffen“, befindet so auch Harald Schulze, „die sich dieser selbstgefälligen intellektuellen Eitelkeit entzieht, indem sie die dahinter stehenden Vorstellungen vom männlichen Täter und dem weiblichen Opfer als die wahren Rollenklischees enttarnt.“
Erste Ansätze dieses allgemeinen Umdenkens beginnen sich schon zu zeigen. Hier kündigt sich möglicherweise ein allmählicher Paradigmenwechsel an, weil immer mehr Menschen die alte Gender-Ideologie nicht mehr überzeugt. Entsprechende Indizien fand etwa Susanne Weingarten in einer Analyse von Studentenmagazinen an amerikanischen Universitäten: Die heutigen Studentinnen seien in der postfeministischen Ära aufgewachsen und ließen damit die Opferideologie der Frauenbewegung hinter sich, bei der „jeder Geschlechtsverkehr mit einem Mann als Vergewaltigung“ galt und eine Frau auf keinen Fall ein Sexobjekt für Männer sein durfte. „Ich bin keine Feministin“ erklärte beispielsweise Ming Vandenberg, Herausgeberin des Studentenmagazins „H Bomb“ an der Universität Harvard. „Ich glaube nicht, dass Männer und Frauen gleich sind. Ich denke, wir sind verschieden, und was ist daran falsch?“ Solche Äußerungen sind pikant an einer Universität, deren Präsident erst vor wenigen Jahren von Feministinnen aus seinem Amt gemobbt wurde, weil er sich erdreistet hatte, die Mutmaßung zu äußern, Frauen könnten aus genetischen Gründen so selten in den Naturwissenschaften vertreten sein. „Ich glaube nicht, dass er damit viel Falsches gesagt hat“, erklärt Vandenberg, die einen Bachelorabschluss in biologischer Anthropologie anstrebt.
„Der Gender-Feminismus hat die Debatte verloren“, berichtet die liberale Feministin Wendy McElroy, die mit Männerrechtlern zusammenarbeitet, über die Situation in den USA. „Verschiedene unaufhaltsame Gegenbewegungen sind unterwegs, und die Zwangsjacke der politischen Korrektheit wird abgeworfen werden. (…) Der bevorstehende Tod des Genderfeminismus mag nicht offensichtlich sein, weil es diese Ideologie geschafft hat, sich in Institutionen zu verankern, insbesondere im akademischen Bereich und in politischen Strukturen. Nehmen wir den akademischen Bereich: Jede Universität hat ihre Frauenabteilung, fast jede hat Regeln der politischen Korrektheit wie zum Beispiel Campus-Codes, die sexuell gefärbte Witze und Kommentare unterbinden, Professoren werden dafür beurlaubt oder gefeuert, dass sie im Unterricht eine falsche Meinung über Gender äußern … die Liste der institutionalisierten Ideologie geht weiter und weiter. Ein Problem, das mit der Institutionalisierung einer Ideologie verbunden ist, besteht darin, dass diese fast aufgrund der Trägheit der Masse allein viel, viel länger lebt, als sie in einem freien Austausch der offenen Debatte und Analyse überleben könnte. Sobald eine genderfeministische Professorin zum Beispiel einmal eine feste Anstellung an einer Universität erhalten hat, ist ihre Position durch diese Ideologie für die nächsten zwanzig Jahre und länger besetzt. Dabei ist es egal, ob ihre Ansichten von der Allgemeinheit nicht mehr geschätzt werden oder sich das politische Blatt gewendet hat. Sie hat eine feste Anstellung. Und man muss sich hier daran erinnern, dass jede Professorin in Fächern wie Frauenstudien, Politikwissenschaften und so weiter, die in den letzten zwei Jahrzehnten eine feste Anstellung erhalten hat, sich den Regeln der politischen Korrektheit unterwerfen musste. Deshalb geht der Kampf weiter, obwohl die Schlacht gewonnen ist.“
Wie so oft scheinen uns die Amerikaner mit ihren Einsichten mal wieder ein paar Jahre voraus zu sein – aber für England gilt dasselbe. „Der neue Sexismus“ war beispielsweise im Dezember 2011 ein Artikel in der Studentenzeitschrift „Impact“ überschrieben, die an der Universität von Nottingham erscheint. Würde man eine derartige Schlagzeile in einer deutschen Studentenzeitschrift lesen und noch dazu feststellen, dass der dazugehörige Artikel von einer Frau geschrieben wurde, kann man sich schon denken, was kommt: entweder das neu verpackte Lamento darüber, dass es immer noch verhältnismäßig wenig Frauen zur Professorin geschafft haben, oder eine haarsträubende Verschwörungstheorie über die gemeingefährliche Männerrechtsbewegung.
Wollen wir stattdessen mal lesen, was Sian Boyle, die studentische Verfasserin dieses Artikels so schreibt:
Ich saß in einer Bar und hatte einen netten Drink mit meinem Freund, als mich ein Mann vom anderen Ende des Raumes anschaute. Plötzlich brach ich gegenüber meinem Freund in eine Tirade darüber aus, wie widerlich Männer wären, wie dumm und unwissend und wie ihnen Frauen bei weitem überlegen wären. Irgendwann hörte ich auf und stellte fest, dass ich in dieser Art für an die 20 Minuten getobt hatte. Mein Freund blinzelte mich verstört an. Armer Kerl, er war nur mal für ein Bier nach draußen gegangen.
In dieser Nacht wurde mir klar, dass ich eine Sexistin war, eine echte Sexistin, was genauso schlimm ist wie Rassismus oder Homophobie. Wie jede andere Frau, die ich je gekannt habe, hatte ich meine eigene Geschichte des Kummers über Männer, aber es geht tiefer als von Männern einen Stich erhalten zu haben. In unserer Gesellschaft gibt es jetzt eine neue und erlaubte Form von Sexismus – den Sexismus gegen Männer, der in unserer Gesellschaft unbewusste Ideologien verbreitet wie dass Männer weniger emotionale (oder andere) Intelligenz besitzen oder dass sie Frauen grundsätzlich unterlegen sind.
Selbst wenn man Themen wie das Sorgerecht, das Lebensjahr des Rentenbezugs, Vaterschaftsrechte oder von Frauen ausgehende häusliche Gewalt außen vor lässt, gibt es deutliche Belege dafür, dass in unseren Medien ein Männer unterdrückender Sexismus grassiert, wobei Medien gewöhnlich den grundlegenden Faktor darstellen, um jegliche kulturelle Ideologie zu beeinflussen. Reklame, das Fernsehprogramm und Zeitschriften sind voll mit (manchmal gar nicht so) unterschwelligen Botschaften, die ein abfälliges Verhalten gegenüber Männern fördern.
Letzeres führt Sian Boyle im Verlauf ihres Artikels anhand von Beispielen weiter aus. In der Kommentarspalte darunter wird ihr Beitrag zwar von Statements niedergemacht, die man auch aus der deutschen Debatte bis zum Überdruss kennt. Allerdings gibt es von vielen Lesern auch großen Beifall.und Hinweise auf zusätzliche Informationen.
Nun stellt für Boyle etwas eine neue Erkenntnis dar, das für uns altbekannt ist und wofür wir regalweise Fakten, Gedankengänge und Erfahrungen vorweisen können. Aber kann man sich auch nur im Ansatz vorstellen, dass hierzulande eine feministische Publizistin ihre eigene Männerfeindlichkeit öffentlich hinterfragt? Dass also etwa [passenden Namen Ihrer Wahl einsetzen] bekundet: „Du lieber Gott, wie ich mich vom Zeitgeist und von einem Hass auf eine bestimmte Menschengruppe mitreißen lasse, macht mir Angst. Wenn ich 1938 gelebt hätte, hätte ich vermutlich Steine in die Schaufenster jüdischer Geschäfte geschmissen.“ Natürlich nicht. So viel kritische Selbstreflexion findet in diesen Hirnen nicht statt. Aber auch hier wird ein international wachsendes neues Bewusstsein um sich greifen.
Die Generation von Altfeministinnen wie Barbara Stiegler, Barbara Unmüßig, Ilse Lenz und wie sie alle heißen liegt HINTER uns. Sie rottet lediglich noch in den Institutionen, in denen sie sich festgewuchert hat, vor sich hin. Wenn sich einige Männer trotzdem ergeben vor ihre Füße werfen möchten, ist das in erster Linie deren persönliches Problem. Ja, natürlich halten sie mit ihrem Unfug einen gesellschaftlichen Wandel auf, der sich wesentlich schneller abspielen könnte und sollte. Aber für wie lange gelingt ihnen dies wirklich? Die Zukunft der Geschlechterdebatte liegt bei Parteien wie den Piraten. Die tun sich mit dem Thema Männerrechte zwar noch schwer und wollen schon postgender sein, bevor der Ausgleich beider Geschlechter tatsächlich hergestellt ist, aber das ZIEL einer Gesellschaft ohne Geschlechterkampf teilen sie mit den meisten Männerrechtlern. Wenn ich mir etwa anschaue, was Marina Weisband, bis Ende April noch Geschäftsführerin der Piratenpartei, so von sich gibt, klingt das alles andere als unsympathisch. Ihr Motto lautet: „Das Geschlecht gehört ins Bett, nicht in die Politik.“ Wundert sich bei soviel erfrischender Offenheit noch jemand, dass die Piraten inzwischen beste Chancen haben, eine kommende Regierungskoalition von Rot-Grün zu verhindern?
Das „Occupy Feminism“ der Männerbewegung dürfte also nicht so ausfallen, dass die „99 Prozent“ der Nicht-Frauenbeauftragten, der herausgegenderten Akademiker und der in ihrer Forschungs- und Redefreiheit beschnittenen Forscher wütend vor den Universitäten campieren. Stattdessen liegt die Hoffnung in einer über die verschiedensten Kanäle laufende Welle der Aufklärung, die es den Genderkadern immer schwerer machen wird, sich für ihr Tun zu rechtfertigen. Dieser Rechtfertigungsdruck muss allerdings erst einmal aufgebaut werden. Mit Menschen, die sich nur hinter vorgehaltener Hand einander zuflüstern, welcher absurden Ideologie sie hier unterworfen werden, ist kein liberaler Staat zu machen.
Dieser Prozess wird seine Zeit brauchen. Wobei man vor Überraschungen nie gefeit ist. „Ich rechne nicht damit, dass ich zu meinen Lebzeiten noch einmal eine Premierministerin erlebe“, sagte Margaret Thatcher 1971. Vielleicht geht es für Nicht-Gegenderte plötzlich schneller voran, als mancher ahnt.