Was Peter über Paul sagt, das sagt mehr über Peter als über Paul! Diffamierung und Denunziation gehören nicht zur linken Diskurskultur
In der Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 23. Juli 2012, S. 9 ist ein bemerkenswert ausführlicher Artikel von Karl-Ludwig Baader erschienen, und zwar mit dem Titel: „Die Allmacht der Frauen – Eine Veranstaltung über Antifeminismus im Internet“. Der Text lautet – in längeren Auszügen – wie folgt:
„Wie gut sich moderne Technik und atavistische Regungen vertragen können, zeigen viele Eintragungen unzähliger Internetforen. Sie sind der Tummelplatz von Hasspredigern, die sich im Schutz der Anonymität austoben. Mit einem Aspekt dieses Phänomens beschäftigte sich Hinrich Rosenbrock, der im Auftrag der grünen Heinrich-Böll-Stiftung „Die antifeministische Männerbewegung“ untersucht hat. In einer Veranstaltung der Stiftung stellten er sowie der hannoversche Soziologe Rolf Pohl und Walter Faller von der Böll-Stiftung die Ergebnisse seiner Studie im hannoverschen Pavillon vor.
Dabei behauptet niemand, dass alle, die sich zu der ´Männerrechtsbewegung´ rechnen, auch Haß predigen. Rosenbrock bemühte sich sichtlich um Differenzierung. Es gibt unter anderem neoliberale, traditionell konservative, evangelikale, neurechte und extremrechte Positionen, die sich in Einzelheiten und im Stil unterscheiden – vereinzelte Autoren rechnen sich sogar eher dem linken Spektrum zu.
Als ‚Vereinigungsideologie‘ (Rosenbrock) biete sich der Antifeminismus an. Er gründet auf drei Behauptungen: Es gibt einen in sich homogenen Feminismus, er ist männerhassend, und er ist allmächtig. Besondere Wut ziehen Männer auf sich, die profeministische Positionen vertreten und deshalb als ´lila Pudel´ verhöhnt und als Verräter am eigenen Geschlecht angegriffen werden. Auch vor Morddrohungen wird dabei nicht zurückgeschreckt.
In Ansätzen und in sehr abgeschwächter Form finden sich solche Positionen auch im Zentrum der Gesellschaft, wenn etwa ein ´FAZ´- Journalist von einer drohenden Umerziehung des Mannes warnt. Es droht ein Untergang der Männlichkeit. (…)
Andere wiederum, so Rosenbrocks Erkenntnis, basteln sich eine Opferideologie zusammen. Es gehört zu den historisch immer wieder bestätigten Beobachtungen, dass die hysterische Selbstwahrnehmung als Opfer (hier eines angeblich allmächtigen Feminismus) jeden Angriff zur Notwehrreaktion macht. Das ermöglicht dann die moralische Selbstermächtigung zur Gewalt.
Es hätte die These Pohls von den ´paranoiden´ Abwehrhaltungen dieser Aktivisten eher gestärkt, wenn man sich an diesem Abend etwas genauer mit den realen Gründen für diesen Antifeminismus beschäftigt hätte. Dass Männer häufig nach Trennungserlebnissen sich in solchen Foren den Frust von der Seele schreiben, ist eine Sache. Eine andere ist es, dass etwa die Benachteiligung von Vätern beim Sorge- und Besuchsrecht keine bloßen Hirngespinste sind.
Ein Vorzug dieser Debatte war es dagegen, diese antifeministischen Ressentiments und Ideologiefragmente in Bezug zu allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu setzen. Pohl sieht eine Tendenz zur ´Remaskulinierung´ der Gesellschaft, was er beispielsweise an der Stärkung militärischer Traditionen festmachte. Zudem wir die wachsende ökonomische und soziale Ungleichheit von einer Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen und Gruppen begleitet,
weshalb Antifeminismus häufig mit Rassismus Hand in Hand geht. Pohl zeigte das am Beispiel des norwegischen Massenmörders Anders Breivik, in dessen hinterlassenem Pamphlet antifeministische Ressentiments eine wesentliche, bisher aber kaum beachtete Rolle spielen.“
Kommentar:
Es ist die der Partei der GRÜNEN nahestehende Böll-Stiftung, die mit derartigen Veranstaltungen in ganz Deutschland eine Kampagne vorantreibt. Dazu dient ihr eine Studie von Hinrich Rosenbrock. Zur wissenschaftlichen Kritik an dieser Studie vgl. :
- Sciencefiles.org: Religiöse Schriften aus der Böll-Stiftung: Ode an den Feminismus
- Sciencefiles.org: Und Rosenbrock zum Allerletzten – hoffentlich …
Das Konstrukt, das Rosenbrock bezüglich des Antifeminismus aufbaut, lautet: „Es gibt einen in sich homogenen Feminismus, er ist männerhassend, und er ist allmächtig.“
Tatsächlich gibt es einen Feminismus, und er ist institutionell und parteiübergreifend in Stiftungen, Parteien, Kirchen und Gewerkschaften organisatorisch sehr gut verankert, und er ist politisch einflussreich, z. B. in der Frauenunion und der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen/ASF.
Das liegt mittlerweile auch an den juristischen Normen, die unter dem bestimmenden Einfluss der Gender Mainstreaming-Strategie auf allen juristischen Ebenen etabliert worden sind. Die Böll-Stiftung ist Teil dieser institutionellen Infrastruktur.
Wer feministische Literatur mit wissenschaftlichem Anspruch liest, der bemerkt, dass sich zwei Schwerpunkte erkennen lassen. Dem sozioökonomisch orientierten Feminismus geht es um die Themen Bildung, Ausbildung, Studium, Berufskarriere, Frauenquote, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sowie, last not least: um Macht. Dem identitätspolitischen Feminismus hingegen geht es zwar ebenso um Macht, besonders aber um die Auflösung der Geschlechterrollen durch eine neue Sozialisation und um die Feminisierung der Gesellschaft. Wer Texte lesen möchte, in denen Männer und Männlichkeit implizit oder explizit abgewertet werden, der wird sie in diesem Feld finden. Es ist das Feld der Gender Studies.
Den Antifeministen – oder richtiger: den Kritikern des Feminismus – eine Opferideologie unterzuschieben, bloß weil sachlich und mit guten Gründen die Lage und die Probleme von Jungen und von Männern thematisiert werden, z. B. durch MANNdat , das ist offensichtlich eine Projektion vom feinsten. Denn tatsächlich ist die Opferideologie konstitutiv für die Frauenbewegung. Und die Verleugnung der nachweisbar vorhandenen spezifischen Probleme von Jungen und Männern durch Herr Rosenbrock trägt durchaus aggressive Züge. Wenn negativ – und unausgesprochen – auf das Buch von Volker Zastrow „Gender – politische Geschlechtsumwandlung“ Bezug genommen wird, kann ich nur sagen: Es sollte gelesen werden. Selber lesen und selber denken und erst dann urteilen, das ist es, was allen zu empfehlen ist.
Wenn man bedenkt, wie hier mit Fakten und Argumenten der Kritiker umgegangen wird, dann muss man sich nur noch vorstellen, jemand würde in entsprechender Art und Weise den Feminismus so charakterisieren, wie hier der Antifeminismus charakterisiert worden ist. Mit welchen Reaktionen wäre dann wohl zu rechnen? Die Kampagne der Böll-Stiftung ist offensichtlich auf Diffamierung der schärfsten Art angelegt. Prof. Pohl mag sich für die psychische Struktur von B. A. Breivik interessieren. Aber irgendeinen Zusammenhang mit Kritikern des Feminismus hierzulande herstellen, das ist, gelinde gesagt, wirklich ein starkes Stück. Und deshalb frage ich mich, ob mit den berichteten Aussagen möglicherweise der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist: Das sollte jetzt ernsthaft geprüft werden.
Der Wikipedia-Eintrag zum Thema Volksverhetzung vermerkt:
Den Tatbestand einer Volksverhetzung definiert § 130 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs:
Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(Diese aktuelle Fassung ist am 22. März 2011 in Kraft getreten.[1])“
Wie oben dargelegt gilt, dass das, was Peter über Paul sagt, sehr viel mehr über Peter als über Paul aussagt. Und was Feministen & Feministinnen über sogenannte Antifeministen – ihre Kritiker – sagen, das sagt sehr viel mehr über erstere als über letztere. Die Darstellung von Herrn Rosebrock ist offensichtlich gekennzeichnet von Projektion und Verleugnung, und sie ist geprägt von den Interessen des institutionalisierten Feminismus, hier des Böll-Instituts. Die gesamte Kampagne ist im Kern eine Kritiker-Beschimpfung, die eine auf sachlicher Ebene fehlende Antikritik ersetzen soll. Es geht sozusagen um die politische Tötung der Kritiker mittels Diffamierung. Denn es fällt auf, dass nicht über die strittigen Fragen selbst geredet worden ist, sondern nur auf einer Metaebene nur über diejenigen Personen, die als Kritiker des Feminismus identifiziert werden.
Es wird offensichtlich versucht, die Kritiker nicht durch inhaltliche Argumente logischer und empirischer Art, sondern durch Diffamierung unschädlich zu machen. Und das zeigt, dass auf der inhaltlichen Ebene eine Auseinandersetzung gescheut wird – aus guten Gründen, wie ich hinzufügen möchte.
Die diffamatorische Bekämpfung von Kritikern ist unwissenschaftlich und moralisch verwerflich. Wissenschaftlich und fair ist es hingegen, die inhaltlichen Kritikpunkte aufzunehmen und möglichst vorurteilsfrei zu prüfen und sich einem offenen kontroversen Diskurs zu stellen. Dazu gehört: den Gegnern zuhören, sich auf die Argumente der Gegner mit eigenen sachlichen und konstruktiven Gegenargumenten einlassen und konstruktiv nach Lösungen der bestehenden Probleme suchen. Zum Beispiel im Bereich der heute problematisch gewordenen Erziehung von Jungen und Mädchen. Das gilt generell – völlig unabhängig vom politischen Standort. Eine prinzipiell an Wahrheit und nicht an Partialinteressen orientierte Diskussionskultur duldet nicht nur den Widerspruch, sondern möchte ihn sogar erzeugen – sie lebt von ihm. Vorurteile, Ideologien und verdeckte Interessen jeglicher Art sind hingegen Gift für eine solche Kultur, ebenso wie die Denunziation und Diffamierung von Gegnern. Insbesondere – aber nicht nur – jene, die für sich beanspruchen, eine linke, eine emanzipative Politik zu betreiben oder zu fördern, sind gehalten, sich kommunikativ korrekt zu verhalten, wenn sie ihrem eigenen Anspruch nicht zuwiderhandeln wollen. Ich vermute zwar, dass die Böll-Stiftung sich in ihrem Selbstbild immer noch einem solchen Leitbild zuordnet, aber: zu Recht?
Der erste und auch noch der zweite Feminismus waren emanzipatorisch geprägt. Von daher stammt auch das heutige positive gesellschaftliche Bild des Feminismus im öffentlichen Bewusstsein. Die zweite Frauenbewegung schloss zeitweilig an die kritische Gesellschaftstheorie an, z. B. mit Frigga Haug. Aber die dritte Frauenbewegung (ab 1995) ist Ausdruck eines dialektischen Umschlags, der erst teilweise ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. Durch ihn ist der emanzipative Gehalt der Frauenbewegung verloren gegangen: Statt um Emanzipation aus unfreien Verhältnissen geht es jetzt um Privilegierung innerhalb dieser sozioökonomischen Verhältnisse: In der Quotenpolitik ist das völlig evident. Der Feminismus ist dadurch degeneriert zu einer von handfesten Partialinteressen getriebenen militanten Sekte mit entsprechenden Verhaltensweisen. Und das begrenzt leider seine Diskussionsfähigkeit.
[1] Bundesgesetzblatt 2011, Teil I, Nr. 11, ausgegeben am 21. März 2011, S. 418.
Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.