23. Januar 2013, von Andreas Kraußer, zuerst erschienen bei MANNdat
Eine Jury um die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich hat „Opfer-Abo“ zum Unwort des Jahres 2012 gekürt. Sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf das Auswahlverfahren hat sich die Jury damit der Lächerlichkeit preisgegeben. Dagegen gebührt Jörg und Miriam Kachelmann Dank, mit ihrer kreativen Wortschöpfung einen gesellschaftlichen Missstand im wahrsten Sinn des Wortes namhaft gemacht zu haben.
Dieser von Jörg Kachelmann im Zusammenhang mit dem gegen ihn erhobenen Vergewaltigungsvorwurf geprägte Ausdruck kritisiere Frauen „pauschal und in inakzeptabler Weise“, so die Jury. Es werde der Verdacht erweckt, Frauen seien pauschal selbst Täterinnen und erfänden die sexuelle Gewalt, von der sie betroffen zu sein vorgeben. Die Jury behauptet, nur fünf bis acht Prozent der von sexueller Gewalt betroffenen Frauen schalteten tatsächlich die Polizei ein und es komme nur in drei bis vier Prozent der Fälle zu einer Anzeige und einem Gerichtsverfahren.
Damit hat die Jury die von Jörg Kachelmann implizierte Bedeutung des Begriffes in ihr Gegenteil verkehrt. Keineswegs hat Kachelmann das Wort „Opfer-Abo“ in dem Sinnzusammenhang geprägt, Vergewaltigungsvorwürfe seien pauschal unzutreffend und stets erfunden. Vielmehr wies er darauf hin, Vergewaltigungsvorwürfe würden nicht hinreichend kritisch gewürdigt, sondern es bestehe die Tendenz, sie generell als zutreffend anzunehmen, ohne vorherige Klärung der Sachlage. Der die Beschuldigung vortragenden Frau werde pauschal geglaubt, auch tatsächlich Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein. Dies führe bei falschen Beschuldigungen dazu, dass die am Verfahren Beteiligten häufig nur im Sinne einer Bestätigung des Vorwurfs, nicht aber ergebnisoffen, wie es eigentlich die gesetzliche Pflicht wäre, ermittelten.
Die Jury hat also Sinn und Intention von Kachelmanns Semantik in ihr Gegenteil verkehrt, um sie alsdann als Unwort des Jahres abstempeln zu können. Jörg Kachelmann wurde das Wort im Munde herumgedreht. Dass dies von einer Jury getan wird, die sich als „sprachkritische Aktion“ bezeichnet und dem Umfeld der universitären Sprachwissenschaft entstammt, ist ein Skandal.
Wie MANNdat aus der Presse (hier und hier) und durch Nachfrage bei der Jury selbst erfuhr, erhielt diese insgesamt 2.232 Einsendungen über 1.009 Vorschläge zum Unwort des Jahres. Davon:
- „Lebensleistungsrente“: 40 mal
- „Pleite-Griechen“: 2 mal
- „Opfer-Abo“: 1 mal(!)
Dazu kam noch der ebenfalls aus dem Interview stammende Begriff „Opfer-Industrie“, der gerade einmal zwei Stimmen erhielt – darunter eine Liste mit den Unterschriften von etwa 100 Frauen.
Das ist durchaus bemerkenswert: Der organisierte Radikalfeminismus kann offenbar trotz weitreichender und massiv mit Steuergeldern unterstützter Netzwerke (Gleichstellungsbeauftragte, Frauenhausszene, Genderwissenschaften usw.) gerade an die 100 Petentinnen mobilisieren, aber gleichwohl eine Jury der Sprachwissenschaft für sich vereinnahmen. Der gesellschaftliche Einfluss des Radikalfeminismus basiert offenbar auf einer hauchdünnen Schicht von Agitatoren, die jedoch auf Grund des gesellschaftlichen Klimas immer wieder in der Lage sind, ausreichend Druck zu verursachen.
Durchaus unzutreffend ist die Darstellung der Jury auch in Hinblick auf die Verfolgungsquote des Delikts Vergewaltigung. (Zum Delikt der Falschbeschuldigung schweigt sie sich gänzlich aus.) Seit den achtziger Jahren nimmt die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen zu, die Verurteilungsquote nimmt aber seitdem ab. Dies deutet keineswegs auf mangelnde Tätigkeit der Strafverfolgung hin, vielmehr impliziert es ein zunehmendes Falschbezichtigungsgeschehen. In den Niederlanden wird deshalb auf Initiative des Justizministeriums erwogen, den Polizeibehörden gesetzlich zur Auflage zu machen, bei Vergewaltigungsvorwürfen stets in beide Richtungen zu ermitteln. Anders sieht man sich dort der Flut der Falschbezichtigungen, welche nicht zuletzt für das Opfer – den Mann! – eine gravierende Belastung darstellen, nicht mehr Herr werden.
Laut der Kriminalpolizei Bern stellt sich ein Drittel der Anzeigen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung als unbegründet heraus. In Indiana stellten sich 41 % aller innerhalb von zehn Jahren erhobenen Vorwürfe bei genauerer Prüfung als falsch heraus. Von einer hohen Zahl an Falschbeschuldigungen geht auch die Untersuchung “Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern”, herausgegeben im Jahr 2005 vom Bayrischen Landeskriminalamt, aus:
Alle Sachbearbeiter von Sexualdelikten sind sich einig, dass deutlich mehr als die Hälfte der angezeigten Sexualstraftaten vorgetäuscht werden.
Der amerikanische Geschlechterforscher Warren Farrell berichtet in seinem Buch “Mythos Männermacht” folgendes:
Als die amerikanische Luftwaffe 556 Fälle von angeblicher Vergewaltigung untersuchte, gaben 27 % der Frauen zu, gelogen zu haben (entweder kurz vor dem Test mit dem Lügendetektor oder nachdem sie ihn nicht bestanden hatten). Es gab aber auch Fälle, die unklar waren und von drei unabhängigen Personen genauer erforscht wurden. Die Gutachter richteten sich nach den 25 typischen Kriterien bei falscher Beschuldigung. Wenn alle drei zu dem Schluss kamen, dass keine Vergewaltigung vorlag, wurde der Fall entsprechend unter falscher Beschuldigung eingeordnet.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Wahl des Unworts des Jahres 2012 sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf das Auswahlverfahren nur als Farce bezeichnet werden kann. Die Jury hat sich selbst der Lächerlichkeit preisgegeben. Ihr kommt allerdings das unfreiwillige Verdienst zu, die Parteilichkeit in der Gesellschaft bezüglich Vergewaltigungsvorwürfen einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben. Jörg und Miriam Kachelmann gebührt Dank, mit ihrer kreativen Wortschöpfung einen gesellschaftlichen Missstand im wahrsten Sinn des Wortes namhaft gemacht zu haben.