Die Kommunalwahlen in England und Wales, die am 4. Mai abgehalten wurden, haben der United Kingdom Independence Party (UKIP) einen großen Zugewinn an Stimmen gebracht. Aus dem Stand hat sich die Partei zu einer lokalen Macht entwickelt und dies, obwohl UKIP nicht in allen Councils eigene Kandidaten zur Wahl gestellt hat.
UKIP vertritt im Vereinigten Königreich eine gut begründete ablehnende Haltung gegenüber der Europäischen Union und hat den Austritt aus der Europäischen Union zum Ziel. Der Anstieg der Stimmen für UKIP ist somit ein Indiz für einen größer werdenden Unmut britischer Bürger gegenüber der EU.
Premierminister David Cameron hat sich dazu verpflichtet, spätestens 2017, also nach der nächsten Wahl zum House of Commons, ein Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union abzuhalten. Bis dahin will er die Bedingungen, unter denen das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union verbleibt, neu verhandeln und eine britische Souveränität über Entscheidungen, die derzeit in Brüssel getroffen werden und die z.B. die Justiz oder die Ökonomie beeinflussen, wiederherstellen. Sollte dieses Nachverhandeln der Bedingungen einer Mitgliedschaft des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union nicht von Erfolg gekrönt sein, dann, so hat Boris Johnson, Bürgermeister von London und der kommende Mann der Tories, in einem Interview mit BBC Radio 4 gesagt, müsse man die Konsequenzen ziehen und die EU verlassen. Man könne Verhandlungen wie die anstehenden nicht führen, wenn man nicht bereit sei, die Konsequenzen, die sich daraus ergeben könnten, auch zu tragen.
Die Bereitschaft, die EU zu verlassen, und die Unzufriedenheit mit der eigenen Mitgliedschaft in der EU nehmen unter Briten ständig zu. Deutliches Anzeichen dafür ist ein Aufstand von Tory-Backbenchern, die nicht hinnehmen wollen, dass David Cameron in seiner anstehenden Regierungserklärung (Queen’s Speech) kein Gesetz auf den Weg bringen will, das ein Referendum über einen Verbleib in der EU zum Gegenstand hat. Das neueste Anzeichen dafür, dass der Widerstand gegen einen Verbleib in der EU nunmehr eine Größenordnung angenommen hat, die alles andere, als einen Erfolg der Nachverhandlungen mit der EU zu einer Austrittserklärung machen würde, ist ein Interview der BBC mit dem Bildungsminister Michael Grove, in dem Grove sagt, er würde für einen Austritt aus der EU stimmen, gäbe es heute eine entsprechende Abstimmung.
Erklärungen für die britischen Ressentiments gegen die EU rekurrieren in der Regel auf die suizidale Kapitalmarktpolitik, die die Europäische Union derzeit z.B. als Financial Transaction Tax lanciert, deren Einnahmen in erster Linie der Brüsseler Bürokratie zu Gute kommen sollen.
“The Commission Proposal for a Council Decision on the system of own resources of the European Union of 29 June 2011, as amended on 9 November 2011, set out that part of receipts generated by the FTT [Financial Transaction Tax] shall constitute an own resource for the EU Budget. The GNI-based resource drawn from the participating Member States would be reduced accordingly” (15).
Entsprechend würde der Brüsseler Moloch zu einer Bürokratie, die sich in Teilen unabhängig von ihren Mitgliedern finanziert und damit eine unabhängig von den Mitgliedsstaaten finanzierte eigene Agenda formulieren könnte. Nicht mehr umfassend auf Beiträge aus den Mitgliedsstaaten angewiesen zu sein, gäbe der Europäischen Kommission eine neue Handlungsfreiheit, von der viele im Vereinigten Königreich fürchten, dass sie dazu missbraucht würde, um eine nicht demokratisch legitimierte Europäische Union zu etablieren, in der die sozialistischen kontinentaleuropäischen Traditionen fest verankert sind und die individualistische britische Tradition nicht vorkommen würde.
Die Hinweise darauf, dass die Europäische Kommission bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine eigene Agenda verfolgt, die weder demokratisch legitimiert ist noch von den Mitgliedsstaaten sanktioniert, haben sich über die letzten Jahre stetig vermehrt und sind auch auf ScienceFiles schon mehrfach zur Sprache gekommen:
So haben wir darauf hingewiesen, dass die Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, die Wahrheit dann zu verbiegen bereit ist, wenn es ihr in den Kram passt. Wie die Erfahrung lehrt, stellen sich die anderen Mitglieder der Kommission dann, wenn sie sich entscheiden müssen, ob sie der Öffentlichkeit die Wahrheit sagen oder sich den Manipulationesversuchen von Kommissionskollegen anschließen sollen, hinter ihre Kommissionskollegen. Schließlich setzt die EU-Kommission bereits heute eine große Zahl von ihr aus europäischen Steuergeldern finanzierter Claqueure ein, um die eigene Politik auch gegen die öffentliche Meinung in Mitgliedsstaaten als auf breiter Unterstützung fußend zu missrepräsentieren.
All diese Versuche, einer Eurokraten-Elite, die eigenen Pfründe zu sichern und dazu auch Manipulation und Täuschung als Mittel einzusetzen, kommen im Vereinigten Königreich nicht gut an. Was aber fast noch schlimmer ist, sind die vielfältigen Versuche der EU, Freiheit zu beschneiden, sei es persönliche Freiheit durch sinnlose Direktiven, die die “ökologische Nachhaltigkeit” höher gewichten als die persönliche Freiheit, sei es durch direkte Eingriffe in die unternehmerische Freiheit.
“As a former Speaker of the House of Commons I view with increasing alarm and concern the loss of Parliamentary Sovereignty which for centuries has underpinned the freedoms of the British people. Directives and diktats from the European Union which have the force of law – often without parliamentary scrutiny or debate – are steadily eroding our nation’s independence and the electorate is increasingly unaware of what is done in their name. The time has come to call a halt. We would unquestionably be Better Off Out!” The late Rt. Hon. the Lord Weatherill of North East Croydon PC, DL Founding Patron of BETTER OFF OUT
Geht es um ihre persönliche Freiheit, dann hört für die meisten Briten der Spaß auf. Kommt zum Anschlag auf die persönliche Freiheit noch eine kontinentaleuropäische, sozialistische Agenda hinzu, dann ist es für die meisten Briten an der Zeit zu gehen. Die Einsicht, dass man sich mit der Europäischen Union einen bürokratischen Moloch eingehandelt hat, der zwar noch nicht die Länge und Dicke von Toilettenpapier reguliert, aber vermutlich bereits eine Direktive dazu vorbereitet, und der vor allem die persönliche Freiheit der Europäer sozialistischer Gleichschaltung opfert, hat viele Briten getroffen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Folgen sind derzeit noch unüberschaubar. Klar ist indes, dass die Anzahl der Briten, die aus der EU austreten wollen, stetig steigt, und ein Referendum, würde es heute gehalten, sähe vermutlich nicht nur Michael Gove für einen Austritt aus der EU stimmen, sondern auch Michael Klein, Dr. Heike Diefenbach und vermutlich eine Mehrzahl der Briten.
Der Artikel erschien zuerst auf ScienceFiles.org