Der „Stromberg“-Film ist sexistisch: Fragt sich nur, gegenüber wem
Bernd Stromberg ist zurück: Noch ein Mal – als Kinofilm. Die Büro-Satire spielt im (vermeintlichen) Alltag europäischer Durchschnittsbürger, in diesem Falle Versicherungsangestellter in Nordrhein-Westfalen.
So viel vorweg: Ich teile die Ansicht des Schauspielers – und Hauptdarstellers – Christoph Maria Herbst, wonach „Stromberg“ auserzählt sei).
Die Finanzierungsprobleme rund um den Film konnten durch zahlende, am Ende alphabetisch entlang ihrer Vornamen aufgelistete, fast nur männliche Fans offenbar gelöst werden. Die Produktion hält gleichwohl einige Lacher bereit, die durchaus hörenswert sind. Ähnliches gilt für das Bildmaterial mit der ein oder anderen überraschenden Sentenz. Herbst selbst spielt neuerlich stark auf. Ohne ihn wäre die Satire wie der frühere Krimi „Derrick“ ohne Derrick – oder „Wetten, dass…“ ohne Thomas Gottschalk.
Der vorliegende Text ist keine „gewöhnliche“ Rezension eines aktuellen künstlerischen Ergusses. Nein, es geht um eine dezidiert maskulistische Filmkritik: Im Mittelpunkt steht die Darstellung des Geschlechterverhältnisses. Und daran gibt es aus dieser Sicht eine Menge zu deuteln. Die folgenden Zeilen erheben daher in alle Richtungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Ist Stromberg wirklich „sexistisch“? Laut Teaser der Werbung für den Film: JA.
{youtube}T2GRhEJ_HZY|560|350{/youtube}
Er reiße rassistische und sexistische Witze. Dass dies ein für weiße, heterosexuelle Männer geradezu konventionelles Verhalten ist, scheint im Teaser nicht mal einen erläuternden Halbsatz wert zu sein. So selbstverständlich wirkt die Annahme wohl aus Sicht derer, die sie formulierten. Dem Autor dieser rezensierenden Zeilen zufolge lautet die Antwort ebenfalls: JA.
Im Filmgeschehen ist Stromberg wiederum der Aktivposten, Dreh- und Angelpunkt schlechthin: Alles, was Menschen lächerlich machen kann oder von anderen so empfunden wird, wird ihm zugeschrieben. Er muss jede Menge aushalten, durchstehen, lösen – Clown, Prellbock, Chef und Untergebener, Fußabtreter und Organisator in einer Person. Alle Verantwortung, aber auch eine Menge Einfluss, werden ihm schon während der gesamten Staffelzeit zugeschrieben.
Er „belästigt“ die „Vorständin“ Berkel von Stromberg aufs Platteste: Sie sei ja eigentlich nicht sein (wirklicher) „Chef“, da sie doch eine Frau sei. Zudem machte er Gesten, als wolle er ihr gleich, scherzhaft, an die Brüste fassen (in Analogie zu „Problemlösungen“ – Probleme würden dann mehr Spaß machen, wenn man sie direkt anginge).
Der danebenstehende – männliche – Vorstand greift hingegen sofort ein, natürlich zugunsten seiner Kollegin. Doch das nützt dem Mann mit den nach hinten gekämmten Haaren und der randlosen Brille in den Augen der mächtigen „Sittenpolizei“ der (vermeintlich) politisch Korrekten längerfristig nur wenig …
Noch anorganischer bzw. anachronistischer erscheinen die Äußerungen Strombergs, wonach so aufrichtige Menschen wie er in Vorständen „noch seltener“ zu finden wären als Frauen. Nur kurz auf der Meta-Ebene dieser Rezension zur – hoffentlich klärenden – Erläuterung: Würde „der Bernd“ tatsächlich etwas gegen Frauen als (seine) Chefinnen haben, wäre dieser Satz verdammt ungewöhnlich. Ein essenzielles Charakteristikum von Diskriminierungen ist doch vielmehr, dass sie entweder unbewusst oder – zumindest – unreflektiert verlaufen, zu den sozialen Konventionen zählen, die irgendwann später hinterfragt und ggf. als „ungerecht“ kategorisiert bzw. verändert werden.
„Schirmchen“, eine Kollegin, die Stromberg begehrt, zieht immer wieder über „die Männer“ her, pauschal und kollektiv: Dies gilt für ihren nun Ex-Mann („Andreas ist lateinisch für Arschloch“), der nun erneut heiratete, weshalb sie sich umso mehr ausrangiert fühlte, wie ein „Faxgerät“ im digitalen Zeitalter, und für Stromberg („Alle Männer sind unromantisch“).
In einer anderen Einspielung reckt eine Verkäuferin mehrfach den rechten Mittelfinger und verflucht hemmungslos ihren Exmann. Sexuelle Kontakte hätten sich nach femininen Maßstäben zu vollziehen – die sich natürlich ändern können, aber nur, wenn die Frau sich entsprechend entscheidet: Diese Botschaft wird unterschwellig permanent transportiert.
Der Trottel „Ernie“ muss daher ein weißer Hetero-Mann sein. Er wird übrigens auch von allen weiblichen Figuren herablassend behandelt. Niemand würde eine Beziehung mit ihm beginnen.
Ulf wiederum soll einen „ganzen Mann“ darstellen, zumal er jetzt Familienvater ist, und Tanja bei dem „Kerl“ rächen, der es wagte, zu kritisieren, dass „ihr Weiber immer ne Extrawurst bekommt“. Es ging darum, dass sie ihren (Adoptiv)Sohn mit zur Betriebsfeier ins Hotel bringen durfte, er seine Kinder hingegen nicht. Natürlich stellt sich heraus, dass nicht sie, sondern ER im Unrecht ist. Ulf prügelt sich am Morgen nach der Feier am Frühstücksbuffet mit einem anderen Mann, um sich für seine „Schwäche“ vom Vortag zu „revanchieren“: Er hatte sich (noch) nicht überwinden können, für Tanja bei dem Kollegen in IHREM Sinne Klartext zu reden, der sie dafür beneidete, ihren Nachwuchs mitbringen zu dürfen.
Auch die anderen weißen Hetero-Männer bekommen ihr Fett weg, insbesondere das Vorstandsmitglied von vorhin mit den nach hinten gekämmten Haaren und der randlosen Brille – augenscheinlich kein Sympathieträger, wie er dann auch jedem Zuschauer darlegen durfte, indem er sich als Gegner der Frauenquote für Spitzenpositionen outete.
Es folgen Proteste gegen „die da oben“, natürlich nur noch Männer, die ihre jungen Huren aus dem für ein Gelage gemieteten Anwesen scheuchen und von einem Balkon weit oben in Anzügen mit offenen Hemden herabblicken, als die Capitol-Angestellten kommen, um gegen Massenentlassungen zu protestieren: „Mann schmeißt mich (für die Nichtteilnahme an der Sex-Orgie) raus“, betont Stromberg, so, als ob ein Chief Executive Officer (CEO) in der Realität tatsächlich die Teilnahme an derartigen Gelagen als ein Einstellungskriterium ansehe – und so, als ob eine Chefin nicht nach Sympathien bzw. eigenen Befindlichkeiten, auch sexuellen, entschiede.
Völlig unangemessen ist zudem die – dick aufgetragene – Suggestion, wonach der geringe Frauenanteil an Konzernspitzen und in anderen Führungspositionen primär an „Männerbünden“ – „Old boys networks“ – läge. Dass es etwas mit geschlechtsspezifisch im Median divergierenden Dispositionen in Bezug auf Fähigkeiten, Interessen und Lebensprioritäten zu tun haben könnte, wird nicht erwogen. Die im Film mitwirkende Vorständin Berkel verhält sich vielfach ungeeignet für ihre Position – was Angriffspunkte, auch im satirisch-komödiantischen Sinne böte. Trotzdem wird sie rasch aus dem Geschehen genommen – vor der mit der Totschlagskeule erfolgenden Managerschelte.
Müßig zu erwähnen, dass die Proteste im Film wieder von einem (bereits entlassenen) MANN initiiert, angeführt und maßgeblich zum – nicht abschließend geklärten – Erfolg gebracht werden: Stromberg.
Ebenso geradezu selbstverständlich, dass beim Film „Stromberg“ selbst mit Arne Feldhusen ein Geschlechtsgenosse die Regie führt und auch das Drehbuch von einem Mann, Ralf Husmann, stammt. Natürlich werden auch fast alle Stressjobs von essenzieller Relevanz, die – nicht nur – zu diesem Film gehören, von Männern ausgeübt.
Weiße, heterosexuelle Männer schädigen also vorsätzlich weiße, heterosexuelle Männer, indem sie sie, ihre Leistungen, ihre Sexualität, ihr gesamtes Verhalten, wesentliche Charakteristika ihrer für verallgemeinerbar gehaltenen Persönlichkeit systematisch herabwürdigen. Und lassen sich dann – gerne – erklären, wie schlimm weiße, heterosexuelle Männer sind. Von wem? Weißen, heterosexuellen Frauen der oberen Mittelschicht, urbanen Akademikerinnen.
Vielleicht sollten an derartigen Produktionen beteiligte Menschen den Titel bzw. die Titelmusik dieses – trotz allem durchaus sehenswerten – Filmes (noch) ein wenig ernster nehmen und sich diesen Ernst auch für andere gesellschaftspolitische Debatten zum Thema, bspw. zum Sorgerecht, bewahren: „Lasst das mal den Papa machen“.
Der Artikel erschien zuerst auf man tau.