Zur Tagung „Wessen Internet?“ in der Friedrich Ebert Stiftung
Ich weiß nicht, ob es heroisch ist oder masochistisch oder einfach nur ein wenig seltsam. Nachdem ich wegen eines Umzugs eine Weile hier nichts geschrieben hatte, habe ich mir ausgerechnet die seltsame Tagung „Wessen Internet? Geschlechterverhältnisse und Gender-Debatten im Netz“ der sozialdemokratischen Friedrich Ebert Stiftung und des Familienministeriums angeschaut – im Netz und nachträglich.
Zur Zeit der Tagung musste ich nämlich arbeiten, so wie wohl die meisten, über die dort geredet wurde – sonst wäre ich glatt nach Berlin gefahren und hätte versucht mitzureden.
Verpasst habe ich so zum Beispiel Michael Seemann, der am Ende der Tagung in einer Diskussionsrunde saß, die sich mit dem „politischen Handlungsbedarf“ zum zivilen Umgang im Netz beschäftigte, zum „Schutz der Opfer von Verleumdung und Cybergewalt“. Das ist putzigerweise eben derselbe Michael Seemann, der Kritiker feministischer Positionen als
„ideologische dummbratzen, die menschenverachtenden hass mit brachialer idiotie verbinden“
bezeichnet, sie mit Nazis gleichsetzt und gleich mehrfach offen als „menschlichen Abschaum“ beschimpft.
Bei der Abschlussdiskussion zum zivilen Umgang fordert Seemann dann eine „Haltung“ gegen maskulistische, rassistische und überhaupt menschenfeindliche Strömungen. Dass jemand, der Kritik an feministischen Positionen übt, auch junge Frauen belästigt, rassistisch ist und Menschen hasst, betrachten offenbar alle auf dem Podium fraglos als Selbstverständlichkeit. Diesen Leuten müsse jedenfalls, so der wackere Kämpfer für mehr Zivilität im Netz, deutlich werden:
„Wir haben ein Safe Space – Ihr habt hier kein Safe Space“.
Vorher schon hatte sich die Moderatorin Annett Meiritz vom Spiegel alle Mühe gegeben, den Eindruck zu erwecken, von Cybergewalt seien eigentlich nur Frauen betroffen. Belegt hatte sie das allein mit einer Statistik, nach der junge Frauen besonders häufig im Netz verfolgt, gestalkt und sexuelle belästigt würden. Das hat zwar eigentlich nichts mit Kritik am Feminismus zu tun, und es ändert auch nichts daran, dass natürlich auch Männer von Online-Mobbing betroffen sind.
Trotzdem bleibt es völlig unwidersprochen, als Seemann bei der Abschlussdiskussion ein Zwei-Klassen-Netz fordert, das den Anspruch auf Schutz vor Gewalt von der Geschlechtszugehörigkeit und der politischen Position Betroffener abhängig macht.
Daneben sitzen in diesem Moment eine sozialdemokratische parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium (Brigitte Zypries), ein sozialdemokratischer Staatssekretär im Familienministerium (Ralf Kleindiek), eine sozialdemokratische frauenpolitische Sprecherin des Berliner Abgeordnetenhauses (Ina Czyborra), eine Staatsanwältin vom Juristinnenbund (Dagmar Freudenberg) – und niemand von ihnen, einschließlich der Moderatorin vom Spiegel, kommt auf die Idee, das, was Seemann da sagt, zumindest ein wenig komisch zu finden.
So wird dann im Fazit einer Veranstaltung der steuermittelfinanzierten sozialdemokratischen Friedrich Ebert Stiftung und des sozialdemokratisch geführten Familienministeriums ein Internet gefordert, in dem Menschen ihre basalen Bürgerrechte entsprechend ihrer Geschlechtszugehörigkeit und ihrer politischen Haltung zugeteilt oder aberkannt werden – und niemand stört sich daran.
Wie konnte es zu so etwas eigentlich kommen?
Vom emanzipatorischen Wert des Vormittagsschlafs
Fairerweise sollte erwähnt werden, dass vermutlich alle Beteiligten zu diesem Zeitpunkt schon stark erschöpft waren – vom Mittagessen, vom Nachmittagskuchen, aber auch von vielen desinteressierten Beiträgen. Es hörte auch niemand mehr so richtig zu, als beim Abschlusspanel eine Zuhörerin die etwas skurrile These äußerte, das wesentliche Problem von Frauen über 27 Jahren im Netz bestünde nicht in der Belästigung, sondern darin, dass sie ignoriert würden – und dass das ja möglicherweise auch eine Form von Gewalt darstelle.
Viele Plätze waren zu diesem Zeitpunkt schon leer, wenn die Bilder nicht täuschen – und das war kein Wunder. Schon die ersten Beiträge der Veranstaltung waren nämlich nicht etwa provokant gewesen, skandalös, zugespitzt, sondern vor allem: langweilig. Das ist wichtig, weil die Langeweile und Spannungslosigkeit nicht in allen Fällen das Resultat rhetorischer Unbedarftheit waren, sondern das einer allen Rednerinnen gemeinsamen Haltung.
Ein Grundmotiv stimmt schon Roland Schmidt vom FES-Vorstand in seiner kurzen Eröffnungsrede an: Im Netz seien viele Männer unterwegs, die in sehr aggressivem Tonfall gegen Gleichstellung und Frauen polemisierten und bei der Gelegenheit auch überhaupt gegen alles, was ihr Weltbild in Frage stelle.
Die parlamentarische Staatssekretärin Elke Ferner aus dem Familienministerium schiebt dann in ihrem Grußwort die etwas kryptische These hinterher, dass Männer im Netz deswegen so dominant seien, weil Frauen so viel arbeiten müssten und keine Zeit für das Internet hätten. Männer hingegen müssen sich ja, wie wir alle wissen, nur ab und zu aus dem bequemen Sessel erheben und vom Bildschirm fort bewegen, um sich zwischen zwei Bierchen ihre täglich einflatternde patriarchale Dividende aus dem Briefkasten zu fischen.
So geht es auf der Tagung unbekümmert weiter – ganz auf der Ebene von Klischees. Niemand hat ein Interesse daran, Fragen zu formulieren, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, ungewohnte, aber überzeugende Perspektiven zu entwickeln. Es geht allein um Illustrationen für das, was die meisten Beteiligten ohnehin zu wissen glauben.
Ricarda Drüeke von der Universität Salzburg stellt in ihrem schnell gesprochenen, textreichen, aber inhaltsleeren Eröffnungsvortrag „emanzipatorische Perspektiven“ zu „Macht- und Hierarchieverhältnissen“ auf der einen und „reaktionäre, antidemokratische“ und selbstverständlich „antifeministische“ Haltungen auf der anderen Seite gegenüber. Auch die folgenden Rednerinnen richten es sich dann behaglich in den Schützengräben ein, die sie zwischen einer emanzipatorischen Politik und der Kritik daran, dem Backlash ziehen.
Die Bloggerin Kübra Gümüsay beklagt sich über anti-muslimische Positionen im Feminismus, erklärt sie sich aber damit, dass der Kampf gegen den äußeren Feind Frauen dazu bringe, schließlich auch miteinander zu kämpfen.
Für Rena Tangens vom Verein Digitalcourage ist es kein Wunder, dass das Netz so männlich geprägt sei, schließlich basiere es auf einer Technologie, deren Grundstruktur, irgendwie typisch männlich, auf einer Unterscheidung einer 1 und einer 0 aufbaue.
Sandra Mamitzsch von re:publica empört sich klischeegerecht über „ältere weiße Männer in Anzügen“, und Maike Groen von der Universität Göttingen hat über GamerGate nicht mehr zu sagen, als dass es – natürlich – ein „patriarchaler Backlash“ sei.
Wenn die Vorträge zwischendurch aus Versehen doch einmal interessant werden, nämlich für kurze Momente von den eingeübten Klischees abweichen, wird das sogleich beflissen überspielt. Groen bestätigt beispielsweise ebenso wie eine Kommentatorin aus dem Publikum, dass einige ihrer liebsten Bildschirmspiele „nicht-emanzipatorisch“ seien, fragt dann aber lieber gar nicht erst nach, ob sich daraus möglicherweise Schlussfolgerungen ergeben könnten.
Dabei ist es spätestens seit Schillers Ästhetischen Briefen eine feste Position pädagogischer Theorien, dass der Sinn von Spielen unter anderem darin besteht, für den Moment des Spiels von sonst üblichen moralischen Erwartungen befreit zu werden. Wer will, kann im Spiel z.B. die Rolle eines Menschen des anderen Geschlechts übernehmen, oder sich viel größer und stärker machen, kann sich sogar in gewalttätigen Rollen bewegen, ohne dafür mit Vorhaltungen und Strafen rechnen zu müssen.
In Groens Jargon: Spiele können eben deshalb emanzipatorisch sein, weil sie nicht beständig emanzipatorisch sein müssen. Mit solchen Gedanken aber wäre die Mitarbeiterin des Göttinger Instituts für Erziehungswissenschaft in eine bedenkliche Nähe des schmuddeligen GamerGate geraten und hätte womöglich ihre vielen Zuhörerinnen und wenigen Zuhörer aus dem wohlverdienten Vormittagsschlummer geweckt.
Warum Empathie irgendwie reaktionär ist
Interessanter wird es nach der Mittagspause. Zunächst redet Caroline Criado-Perez, die in Großbritannien für Frauenbilder auf den Banknoten gekämpft und dafür irrwitzig hart beschimpft und bedroht worden war. Sicherlich, auch ihr Vortrag verliert sich in Seltsamkeiten – sie wertet es beispielsweise als Ausdruck eines „double standard“, dass Monika Lewinski beim Googeln fast ausschließlich wegen ihrer Beziehung zu Bill Clinton gefunden werden könne, Bill Clinton jedoch nicht ausschließlich wegen seiner Beziehung zu Monica Lewinski.
Wichtig ist aber ihre Kernthese, dass durch die öffentliche Beschämung von Menschen demokratische Rechte unterlaufen würden. Da die Scham um so schmerzhafter sein kann, je weiter sie in den öffentlichen Raum getragen wird, ist die Beschämung tatsächlich ein Mittel, Menschen zum Schweigen zu bringen – auch wenn ihr Recht, öffentlich zu sprechen, formal unangetastet bleibt.
Allerdings erweckt Criado-Perez mit staunenswerter Selbstverständlichkeit den Eindruck, von der öffentlichen Beschämung seien allein Frauen betroffen. Natürlich stimmt das nicht – die gegen Männerrechtler gerichtete beliebige Verleumdung als Nazis, als rechtsradikal, als Frauenschläger oder ähnliches ist beispielsweise eine Beschämungsstrategie, die durchaus systematisch und mit einigem Aufwand verwendet wird. Auch auf dieser Tagung.
Sie ist unter anderem deswegen erfolgreich, weil sie auf beträchtliche öffentliche Mittel zurückgreifen kann. Das gilt beispielweise für die Schrift Geschlechterkampf von rechts, die der nächste Redner Thomas Gesterkamp für die Friedrich Ebert Stiftung verfasst hat. Diese Schrift stellt Kritik an gegenwärtiger Geschlechterpolitik und an der Verletzung der Menschenrechte von Männern oder Jungen pauschal als „rechts“ oder rechtsradikal hin. Da sie, steuermittelfinanziert, weiträumig kostenlos verteilt werden kann, ist ihre Wirkung beträchtlich.
Interessant ist gleichwohl, wie sehr – und wie öffentlichkeitswirksam – Gesterkamp darunter leidet, dass er seinen eigenen Ruf durch die Kritik an seiner Schrift beschädigt sieht. Er wirkt zwar erleichtert und überrascht darüber, dass niemand gegen sie geklagt habe, beschwert sich jedoch intensiv über „Rufschädigungen“. Seiner Expertise sei doch glatt abgesprochen worden, wissenschaftlich zu sein – weil er nämlich keine Fußnoten benutzt, sondern seine Quellen erst am Ende seines Textes angegeben habe.
Natürlich stimmt das so nicht. Die Kritik an Gesterkamps Positionen bezieht sich nicht auf Fußnoten, sondern in aller Regel darauf, dass er Belege für seine weitgehenden, tatsächlich massiv rufschädigenden Vorwürfe völlig schuldig bleibt – als ob Männerrechtler es nicht einmal verdient hätten, dass harte Angriffe gegen sie zumindest oberflächlich begründet werden.
Der Kritik an ihm unterstellt der FES-Autor gleichwohl typisch männliches Konkurrenzverhalten, vermutlich wurzelnd in dem Neid auf einen erfolgreicheren Mann.
Ja, tatsächlich, das sagt er so, und das habe ich mir nicht ausgedacht, um den guten Ruf des erfolgreichen Journalisten noch weiter zu beschädigen: Wenn jemand sich darüber aufregt, grund- und beleglos öffentlich als Nazi hingestellt zu werden, dann lässt sich das selbstverständlich nur durch uneingestandene Konkurrenzgefühle und Neidkomplexe erklären. Wie auch sonst?
Robert Claus, der für die Friedrich Ebert Stiftung in seiner Schrift Maskulismus Männerrechtler als Nazis und Breivik-Fans präsentiert, ohne sich mit schlüssigen Belegen dafür unnötige Mühe zu machen, legt danach großen Wert auf die Unterscheidung von „Verstehen“ und „Verständnis“. Deutlich macht er den Eindruck, sich gleichsam dafür rechtfertigen zu müssen, als Mann überhaupt mit Geschlechterthemen beschäftigt zu sein.
Beflissen vorbeugend schützt er sich schon gegen die bloße Idee, er könne möglicherweise mit Vätern mitfühlen, die willkürlich den Kontakt zu ihren Kindern verloren haben. Das Verstehen, dass diesen Männern zusteht, ist in seiner Darstellung eine rein analytische Tätigkeit, die nicht kontaminiert wird von empathischen Anwandlungen: Verstehen, kein Verständnis.
Das Verweigern von Empathie zieht sich auch durch die übrigen Vorträge. Bei Andreas Kemper, der den weitaus größeren Einsatz von Männern in der Wikipedia lediglich als Ausdruck hegemonialer Terrainsicherung begreift.
Bei Helga Hansen, die stolz vorführt, wie sie Kritiker – denen sie umstands- und beleglos natürlich „Beleidigungen“ unterstellt – bei Twitter blockt.
Bei Katja Grieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen, die ausführlich über Gewalt gegen Frauen spricht, ohne zumindest ein Mal zu fragen, warum eigentlich nicht auch männliche Gewaltopfer Anspruch auf Unterstützung hätten.
Schließlich bei der Staatsanwältin Dagmar Freudenberg vom Juristinnenbund, die hetzerisch, völlig ohne Beleg und gleichsam im Vorübergehen den Väteraufbruch für Kinder, in dem sich entsorgte Väter engagieren, mit Sexualverbrechen und häuslicher Gewalt in Verbindung bringt.
Warum es irgendwie undemokratisch ist, miteinander zu reden
Er halte daran fest, über diese Menschen zu reden, nicht mit ihnen – das verkündet Gesterkamp selbstbewusst, ganz ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, an diesem Statement irgendetwas problematisch zu finden. An anderer Stelle hat er schon einmal von einem Cordon Sanitaire geschrieben, der um Männerrechtler gezogen werden müsse. Wer sich an Geschlechterdebatten beteiligt, ohne dabei explizit feministische Positionen einzunehmen, wird so mit einer schwerwiegenden ansteckenden Krankheit, mit einer Seuche verglichen.
„Diese Leute“ dürfen in Gesterkamps Kosmos, in dem von Claus, aber auch in dem der ganzen Veranstaltung eben allein als Objekte wahrgenommen werden, nicht als politische Subjekte, die Positionen vertreten, die der Auseinandersetzung wert sind.
Spätestens mit dem Internet aber ist die Möglichkeit verschwunden, klar zu trennen zwischen Menschen, die über andere reden können, und denen, über die bloß geredet wird. Wenn Gesterkamp, Claus und andere sich mit dem „Maskulismus“ im Netz auseinandersetzen, dann nicht, weil sie den Wert der dort vertretenen Positionen beurteilen wollen – sondern weil sie die diffuse Bedrohung zu bannen versuchen, die dadurch entsteht, dass dort Menschen leise mitreden, die doch eigentlich die Klappe halten sollten.
Der Philosoph und Kritiker Walter Benjamin hat einmal den Typus des „tragischen Helden“ als einen Menschen beschreiben, der verstummt: Er sei nämlich zukunftsweisend und stehe so für etwas, was in seinem gegenwärtigen sozialen Umfeld noch nicht realisiert, noch nicht einmal formuliert werden könne.
Gesterkamp – und mit ihm Claus und andere – ist das exakte Gegenteil eines solchen tragischen Helden: Er nutzt routiniert seine privilegierten Zugänge zu Institutionen, um Texte zu verfassen, die den Zweck haben, andere zum Schweigen zu bringen. Was er tut, ist nicht zukunftsweisend, nicht einmal gegenwartstauglich, sondern hält verbissen an der diffusen Vorstellung fest, dass früher irgendwie alles besser war.
Dass die sozialdemokratische Tagung so nicht nur auf ganzer Linie scheitert, sondern schließlich gar in faschistoide Positionen kippt, liegt zuallererst daran, dass sie sich für ihr Thema überhaupt nicht interessiert. Um „Geschlechterverhältnisse im Netz“ geht es hier nicht, und um „Gender-Debatten“ auch nur am Rande. Niemand kommt auf die Idee, sich mit der Netz-Interaktion von Männern und Frauen – ob miteinander oder aneinander vorbei – auch nur momenteweise ernsthaft zu beschäftigen.
Es hätte, zum Beispiel, interessant sein können zu untersuchen, wie Männer und Frauen bei Dating-Plattformen Beziehungen anbahnen, oder wie sie es zumindest versuchen – oder wie sich dort die Ökonomie des Partnerschaftsmarkts auch auf die Spielregeln des Netzes auswirkt.
Es wäre auch, zum Beispiel, interessant gewesen nachzuvollziehen, wie sich ganz ohne erkennbaren Zwang Bereiche des Netzes herausbilden, in denen Männer und Frauen jeweils fast völlig unter sich sind – denn trotz der rituell wiederholten Behauptung, dass das Netz irgendwie männlich sei, gibt es natürlich auch große homosozial-weibliche Bereiche.
Mehr noch: Die Tagung interessiert sich überhaupt nicht dafür, wie Gewalt, Hetze oder Verleumdungen im Netz effektiv eingedämmt werden können. Beleidigungen gegen Männer sind höchstens dann einmal Thema, wenn Männer wegen einer feministischen Haltung angegriffen werden. Niemand kommt auf die Idee, Gewalt, Hetze, Verleumdung und gezielt entfachte Shitstorms gegen Einzelne unabhängig von den politischen Positionen der Beteiligten zu ächten.
Die Bloggerin Yasmina Banaszczuk hat beispielsweise die Gelegenheit, sich ausführlich als unschuldiges Opfer eine großen, aggressiven Shitstorms zu präsentieren und dabei ihre ressentimentgeladene Typologie des „Trolls“ vorzustellen. Niemand hält es für nötig zu erwähnen, dass sie im Netz eben deswegen in Schwierigkeiten geraten war, weil sie selbst versucht hatte, einen solchen Sturm gegen einen anderen Blogger zu entfachen – und weil sie sich dabei überhoben hatte.
So ist hier auch die Auseinandersetzung mit „Cybergewalt“ bloß Instrument für ein politisches Ziel, das Michael Seemann lediglich deutlicher und ausdrücklicher formuliert als alle anderen Beteiligten.
Während in politischen Institutionen wie der Friedrich Ebert Stiftung, dem Familienministerium, der SPD und an den Universitäten Geschlechterdebatten auf feministische Positionen festegelegt sind, sind sie im Netz mittlerweile deutlich reicher an verschiedenen und ganz unterschiedlichen Perspektiven. Aus der Sicht der Institutionen wirkt das verständlicherweise bedrohlich – und sie nutzen ihre deutlich größeren finanziellen und infrastrukturellen Möglichkeiten, um sich gegen diese Bedrohung abzuschotten.
Das hat natürlich nichts mit offenen Debatten zu tun – nichts mit Demokratie – nichts mit Geschlechterverhältnissen – und schon gar nichts mit dem Schutz von Menschen vor Gewalt. Die FES führt Herrschaftssicherung vor, die sich als Herrschaftskritik ausgibt – reaktionäre Positionen, die sich selbst verbissen als emanzipatorisch beklatschen – und unverhohlene Verleumdungen, vorgetragen mit sorgenvollem Gestus und der Versicherung, dass Menschen vor Verleumdungen geschützt werden müssten.
Der Beitrag erschien zuerst in Lucas Schoppes Blog „man-tau“