… und andere sachliche Worte der Zeit für Kritik an den Gender Studies
In der Zeit hat die Kulturjournalistin und Deutschlandradio Kultur-Redakteurin Catherina Newmark gerade einen Text veröffentlicht, in dem sie Kritikern der Gender Studies vorwirft, ihre Kritik lediglich Aus Angst vor einem anderen Leben zu üben: aus Angst also vor einer Änderung bestehender Verhältnisse, aus Angst davor, dass Menschen anders leben könnten, als es gängigen Normen entspricht.
Da der Kommentarbereich nur knappe Texte erlaubt, schreibe ich hier meinen Kommentar dazu.
Der Text in der Zeit ist durchgehend von dem Bemühen geprägt, die Gender Studies als grundsätzlich unproblematisch darzustellen – obwohl doch Probleme bei einem sehr jungen Fach eigentlich zu erwarten und zudem völlig verständlich sind. Kritiker erscheinen durch diese Darstellung als unlautere, unsachliche Ideologen, die bloß persönlichen Interessen folgen.
„Antifeministische Rhetorik“, also natürlich keine Argumente, führten sie an, und das ist denn natürlich als „Backlash“ zu verstehen – als ob Kritik durch nichts anderes begründet sein könnte als durch die Angst von Männern, die um ihre Machtpositionen fürchten und nun gegen emanzipatorische Positionen zurückschlagen.
Das ist selbst argumentfreie Rhetorik: Denn feministische Positionen sind politische Positionen, und in einem demokratischen Rahmen dürfen und SOLLEN politische Positionen natürlich einer offenen Kritik unterzogen werden. Wenn ich bestimmte Positionen des Feminismus kritisiere, macht das aus mir noch keinen „Antifeministen“ – Angela Merkel betitelt ja auch nicht jeden, der mal Kritik an ihr übt, deswegen gleich als „Antichristdemokraten“, oder der Einfachheit halber kurz als „Antichristen“.
Dass niemand, wie eine Zwischenüberschrift das ausdrückt, Biologie bestreite, was immer das auch heißen mag – das mag sein, ist aber irreführend. Wo ist denn der systematische Platz der Biologie in den Gender Studies?
„Mit den Nazis kam die Theorie einer weitgehend klaren biologischen Zweiteilung, die auch immer noch im Biologiestudium vermittelt wird“
– das erklärt im Interview ein Gender-Professor mit Biologiestudium. „Mann“ und „Frau“ sind hier nicht nur bloß soziale Konstruktionen – es sind auch soziale Konstruktionen der Nazis. Wer hätte das gedacht?
Das hat der Professor sicherlich außergewöhnlich ungeschickt formuliert, es spiegelt aber Grundlagen der Gender Studies wider, die sich auch bei Judith Butler finden lassen: Es gäbe keine selbstständigen biologischen Geschlechter (sex), sondern auch diese seien soziale Konstruktionen (gender). Sex kollabiert in Gender, sozusagen.
Wichtiger noch: Diese sozialen Konstruktionen werden tatsächlich nicht unvoreingenommen auf ihre Funktion hin untersucht, sondern Butler unterstellt, dass sie Herrschaftsinteressen dienten, „als Macht/Diskurs-Regime“ (Butler, Unbehagen der Geschlechter).
Vor diesem Hintergrund sind biologische Auskünfte zu Geschlechtern mit dem pauschalen Vorwurf konfrontiert, sie seien bloß eine Naturalisierung von Herrschaftsstrukturen: Sie würden also diese Strukturen zugleich verschleiern und legitimieren. Dass Biologen diesen Pauschalvorwurf, den zu erheben übrigens keine biologischen Kenntnisse voraussetzt, seinerseits als unwissenschaftlich und ideologisch ansehen – das ist bei Licht betrachtet nicht sonderlich überraschend und völlig nachvollziehbar.
Mir sind übrigens „maskulinistische Verschwörungstheorien von der feministischen Weltherrschaft“ nicht bekannt, und offenkundig baut die Autorin auch hier einen Strohmann auf. In einem argumentativen Kniff, der schon aus Kindergartentagen vertraut ist („Wer’s sagt, isses selber“), unterstellt sie die pauschale Herrschaftsunterstellung ihrerseits den Kritikern.
Dabei würde es völlig reichen, wenn sie und Vertreter der Gender Studies anerkennen könnten, dass natürlich auch Männer und Jungen unter geschlechtsspezifischen Benachteiligungen leiden können. Newmarks Formulierung allerdings, dass Frauen nicht nur ihre Probleme, „sondern auch die aller anderen Geschlechter ernst nehmen wollten“, verschleiert bloß, dass Fragen nach spezifischen männlichen Belastungen in den Gender Studies keinen Platz haben.
Eine Ausnahme ist dann möglich, wenn sie sich als Probleme darstellen lassen, die durch patriarchale oder heterosexistische Strukturen selbst verursacht worden seien, etwa als Probleme der „marginalisierten Männlichkeiten“, die unter der „hegemonialen Männlichkeit“ litten (Connell).
Die spezifischen, ungeheuer bedrückenden Probleme von Trennungsvätern spielen beispielweise in den Gender Studies ebenso wenig eine Rolle wie die deutlichen schulischen Nachteile von Jungen. Eine gerade erschienene Ausgabe einer renommierten didaktischen Fachzeitschrift zum Thema „Negotiating Gender“ hat etwa die Frage nach einer besonderen Förderung von Jungen ausdrücklich ausgeschlossen und ist damit durchaus repräsentativ für gendertheoretischen Ansätze.
Angesichts von mittlerweile mehreren hundert Lehrstühlen ist eine solche Ausblendung sozialer Probleme natürlich ihrerseits Teil einer Herrschaftspolitik, die auch dann illegitim ist, wenn sie kein Teil einer Weltherrschaft ist …
In meinen Augen sind Gender Studies trotz der Einwände grundsätzlich ein sehr interessantes, lohnendes Forschungsfeld –
sie müssten allerdings erstens tatsächlich offene Fragen stellen und nicht alle Antworten immer schon kennen,
sie müssten zweitens gegenüber anderen Wissenschaften, und der Überprüfung durch sie, offen sein,
und sie müssten drittens ihre erheblichen, aber kaum einmal thematisierten Ressentiments gegenüber Männern und Jungen ablegen.
Wer Männlichkeit routiniert mit Herrschaft oder Hegemonie verknüpft, wird diese Ressentiments jedoch beständig reproduzieren. Das ist eine Haltung, die sich selbst immunisiert: Weil dann jede Kritik zum Ausdruck von Herrschaftsinteressen umgedeutet werden kann und daher sachlich nicht überprüft werden müsse.
Ich hatte hier einmal eine kleine Serie zu den Gender Studies:
1. Gender Studies als Wissenschaft von allem und jeder
2. Gender Studies: Wissenschaft von unten, installiert von oben
3. Gender Studies und die Logik der Feindschaft
Der Artikel erschien zuerst auf man tau.