Über grüne Familienpolitik und ihre unmodernen Wurzeln
Was die Ausbeutung von Kindern für die Bedürfnisse Erwachsener angeht, hat keine andere Partei im Deutschen Bundestag eine so schreckliche Geschichte wie die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Ein neuer Gesetzesentwurf zeigt, dass die Grünen leider gar nicht auf die Idee kommen, sie könnten aus dieser Geschichte irgendetwas lernen.
Echte Mütter, noch mehr Mütter und fiktive Väter
„Für mich hat die Misandrie in dem Antrag auf eine Abstammungsrechtsreform der Grünen aus der vergangenen Woche jetzt ein Maß erreicht, wo man die Menschenverachtung bei den Bündnisgrünen auf eine Stufe mit anderen menschenverachtenden Ideologien wie Antisemitismus und Rassismus stellen muss. Wer offen die Entrechtung von Vätern fordert, gehört nicht in ein deutsches Parlament, sondern woanders hin.“
So massiv reagiert der Liberale Tim Walter bei Facebook auf einen Gesetzgebungsantrag der Grünen (verlinkt bei Genderama ). Misandrie, also Männerhass, und Menschenverachtung – Parallelen zum Antisemitismus und Rassismus – Entrechtung von Vätern: Sind das Überspitzungen, die in der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien üblich geworden sind, oder lassen sich solche harten Vorwürfe irgendwie rechtfertigen?
Zuvor hatten sich allein homosexuelle Männer gegen den grünen Vorschlag gewandt . Michael Kauch nimmt als Vorsitzender der Liberalen Schwulen und Lesben einen wesentlichen Vorwurf Walters schon vorweg:
„Hier geht es nicht um die Angleichung an die Ehe für alle, hier geht es um die Entrechtung von schwulen Vätern.“
Was aber haben die Grünen, allen vorweg Ulle Schauws und die schon als Polemikerin gegen die Doppelresidenz bekannte Katja Keul , da eigentlich vorgelegt?
„Mit diesem Gesetzentwurf sollen die abstammungsrechtlichen Regelungen an die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen angepasst werden. Hierzu wird […] die sog. gesetzliche Fiktion, wonach der Ehemann der Mutter automatisch der zweite rechtliche Elternteil des Kindes ist, auf die Ehefrau der Mutter erweitert.“
Nun ist es tatsächlich eine Fiktion, dass ein Ehemann notwendig auch Vater eines in der Ehe geborenen Kindes sein müsse, und diese Fiktion hat eine juristische Funktion – sie erlaubt eine einfache Festlegung des Vaters, der zugleich mit der Mutter meist in einer familiären Gemeinschaft lebt und daher für das Kind sorgen kann. Gleichwohl ist diese Fiktion natürlich nicht in den leeren Raum hinein entworfen, sondern baut auf der Überzeugung auf, dass der Ehemann in aller Regel tatsächlich der leibliche Vater des Kindes ist, dass nämlich in einer Ehe in aller Regel mit sexueller Treue gerechnet werden könne.
Spätestens die Debatten um Kuckuckskinder und Kuckucksväter haben gezeigt, dass diese Fiktion nicht rundweg realistisch ist. Kuckucksväter und andere fordern daher schon lange einen obligatorischen Vaterschaftstest bei der Geburt eines Kindes.
Die Grünen hingegen marschieren in eine ganz andere Richtung. Anstatt der Erfahrung Rechnung zu tragen, dass die Hoffnung auf eheliche Treue trügerisch sein kann, anstatt also das Abstammungsrecht an typische Erfahrungen moderner Familien anzupassen, halten sie an dieser Fiktion fest – um sie in eine Richtung auszuweiten, in der sie dann ganz offenkundig irreal wird. Denn niemand, und sei er noch so naiv, wird ernsthaft glauben, dass die Ehefrau einer Kindesmutter ebenfalls seine leibliche Mutter ist.
Der Vorschlag der Grünen hat zwei Konsequenzen: Die juristische Elternschaft und die leibliche Elternschaft werden radikal voneinander getrennt, mit der zentralen Ausnahme der leiblichen Mutter – und der leibliche Vater wir dabei ganz aus dem Spiel genommen.
Der grüne Vorschlag hält zudem die Chancen dieser Väter gering, sich dann wieder ins Spiel zu bringen, also das Recht zur Sorge für ihre Kinder zu erwerben und auch rechtlich als ihre Väter zu gelten. Der leibliche Vater darf die Mutterschaft der Mutter-Ehefrau zwar durchaus anfechten, aber nur unter der Voraussetzung,
„dass zwischen dem Kind und seiner Mutter im Sinne von § 1591 Nr. 2 und Nr. 3 [das bezieht sich auf die Ehefrau oder Lebenspartnerin der leiblichen Mutter, LS] keine sozial-familiäre Beziehung besteht.“
Ob hingegen der Vater selbst eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat, spielt – darauf weist auch Kauch schon hin – hier überhaupt keine Rolle. Es ist auch unwichtig, ob nicht der Aufbau einer solchen Vater-Kind-Beziehung möglicherweise gerade durch die Mutter-Mutter-Konstruktion verhindert wird. Die leibliche Mutter und die Beziehung ihrer Partnerin zum Kind haben hier juristischen Wert, die Beziehung des leiblichen Vaters zum Kind wird sorgfältig ausgeklammert.
Der grüne Regenbogen hat nur eine Farbe
Verkauft wird dieser Gesetzentwurf dann auch noch als schlüssige Fortsetzung der bereits erfolgten rechtlichen Gleichstellungen homosexueller Paare. Dass diese Darstellung falsch ist, lässt sich leicht zeigen.
Homosexuelle Väter werden schließlich ebenso ausgeschlossen wie heterosexuelle. Wenn, wie Kauch andeutet, in „Regenbogenfamilien“ häufig homosexuelle Männer mit lesbischen Frauen eine gemeinsame Elternschaft arrangieren, dann richtet sich der grüne Vorschlag sogar besonders scharf gegen homosexuelle Väter. Es geht offensichtlich nicht um gleiche Rechte für homo- und heterosexuelle Menschen, sondern um eine radikale rechtliche Bevorzugung der Mutterschaft. Der grüne Regenbogen hat nur eine Farbe.
Das lässt sich leicht an der schon zitierten Konstruktion des grünen § 1591.2 nachvollziehen, nach dem neben der leiblichen Mutter die Mutter eines Kindes die Frau sei, „die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Frau, die das Kind gebiert, verheiratet oder durch Lebenspartnerschaft verbunden ist“. Ein väterliches Gegenstück gibt es nicht – kein Lebenspartner des Vaters wird auf dieselbe Weise zum Vater im juristischen Sinne.
Das würde auch offenkundig erhebliche Konflikte nahelegen, weil das Kind dann rechtlich zwei Väter und zwei Mütter hätte, die gegeneinander auf ihren Sorgerechten beharren könnten und die dann die ohnehin schon verworrenen Streitigkeiten heterosexueller Elternpaare noch einmal verdoppeln würden. Die Mutterfixierung ist also kein Flüchtigkeitsfehler der grünen Konstruktion – ohne die Absolutsetzung der Mutterschaft würde diese Konstruktion überhaupt nicht funktionieren.
Die Mutterschaft wiederum steht so selbstverständlich im Zentrum dieses Gesetzesvorschlags, dass ihre radikalen rechtlichen Privilegien gegenüber der Vaterschaft nicht einmal erwähnt oder gar begründet werden. Sie sind schlicht immer schon gesetzt.
Damit ist der grüne Vorschlag, der sich oberflächlich so modern gibt, ganz aus der Zeit gefallen. Schon längst ist deutlich, dass Väter für Kinder ähnlich wichtig sind wie Mütter, und dass Kinder von einer gleichberechtigten Elternbeziehung profitieren. Wir wissen auch aus der Adoptionsforschung oder aus den Erfahrungen von Spenderkindern, dass die leibliche Elternschaft für Kinder eine Bedeutung hat, die durch andere, soziale Eltern niemals vollständig zu ersetzen ist – so wichtig diese auch sein mögen.
Das liegt nicht am Mythos eines gemeinsamen Bluts, auch wenn die Kenntnis der leiblichen Eltern medizinisch natürlich manchmal sehr wichtig sein kann. Wichtig ist: Ohne die leiblichen Eltern wäre das Kind eben gar nicht auf der Welt – ihre Bedeutung ist für das Kind und auch noch für den erwachsenen Menschen existenziell, uneinholbar, niemals vollständig zu objektivieren. Das gilt selbst für Väter, die kein Interesse am Kind hatten, die vielleicht schlicht aus finanziellen Gründen ihren Samen zur Verfügung gestellt hatten.
Die Mutter als wichtigste Staatsbügerin
Erwägungen zur Perspektive der Kinder aber kommen bei den Grünen überhaupt nicht vor. Diese Perspektive ist hier radikal unwichtig, von Bedeutung sind die Bedürfnisse Erwachsener nach Elternschaft, und darunter wiederum allein die Bedürfnisse von Frauen nach Mutterschaft. Kauch hat Recht, wenn er schreibt, dass „nach dem Entwurf jede – auch nicht verheiratete – Partnerin der Mutter mittels Mutterschaftsankennung den leiblichen Vater verdrängen“ könne.
In der deutschen Geschichte gibt es für solch eine Konstruktion kaum ein Vorbild. Selbst noch streng konservative Modelle, etwa im Bürgertum des Kaiserreichs, drückten Väter und Mütter zwar in ein enges Rollenkorsett, ließen aber zumindest beiden Raum zur Präsenz bei ihren Kindern. Die radikale rechtliche Privilegierung der Mutterschaft gegenüber der Vaterschaft findet sich nicht einmal in den reaktionärsten Modellen wieder, nach denen das Kind allein zur Mutter gehöre und allein der Vater für die Finanzierung der Familie zuständig wäre.
Der einzige historische Vorläufer für die grüne Konstruktion ist die Mutterideologie des Nationalsozialismus. Dort wurde die Beziehung zwischen Mutter und Kind, begründungslos mystifiziert, als Mittelpunkt des Volkes angesehen. Der Vater hingegen war disponibel, verzichtbar, wurde an der Peripherie des Reiches beim Kampf auf den Schlachtfeldern gebraucht, nicht aber in der Sorge für seine Kinder.
Sicherlich würden Schauws, Keul und andere Grüne auf diese Parallele mit geübter Empörung reagieren. Schließlich würden sie doch für LGBTQ-Rechte eintreten, und eben diese Gruppen wären doch schließlich vom Nationalsozialismus verfolgt worden.
Nur geht es eben in ihrem Vorschlag nur oberflächlich um die Rechte homosexueller Partnerschaften. Es waren zudem insbesondere homosexuelle Männer, die von den Nazis verfolgt, in Konzentrationslager gesperrt und ermordet wurden – und für homosexuelle Männer interessiert sich der grüne Vorschlag überhaupt nicht, er schadet ihnen möglicherweise sogar ganz besonders stark. Der Kern des Vorschlags ist die Verabsolutierung der Mutterschaft, nicht der Einsatz für Gleichberechtigung: Rechtliche Gleichheit wird von ihm eher beschädigt als befördert.
Ich weiß, dass Vergleiche mit dem Nationalsozialismus fast immer übertrieben wirken, als unseriöser Schachzug erscheinen, mit dem politischen Gegnern geschadet werden soll, auch wenn dadurch die ungeheuren Verbrechen der Nazis verharmlost werden. Nur ist eben das ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang vielleicht besonders wichtig ist.
Gerade die beliebige Belegung politischer Gegner mit Begriffen wie „Nazi“ oder „Faschist“ erschwert die Auseinandersetzung mit konkreten Aspekten nationalsozialistischer Gewalt. Einerseits sehen wir dann beliebig überall Nazis – andererseits werden wir blind für die Anteile der nationalsozialistischen Ideologie, die tatsächlich in unserer Gegenwart Fortsetzungen finden. Vor allem: Wenn wir uns daran gewöhnen, dass natürlich immer nur die anderen Nazis sind – dann immunisieren wir uns gegen den Gedanken, dass auch wir selbst in einigen unserer Positionen auf Traditionen zurückgreifen, mit denen wir eigentlich gar nichts zu tun haben möchten.
Auch Menschen, die sich für politisch links halten, sind aber natürlich nicht immun dagegen, sich in Traditionen des Faschismus zu bewegen. Der Mutterkult wiederum gehört zu den zentralen Aspekten des Nationalsozialismus, mit denen eine offene, klare Auseinandersetzung ausgeblieben ist – auch und gerade unter Linken.
Walters wütende Vorwürfe sind also nicht einfach Effekthascherei. Eine Politik, für die der grüne Vorschlag ein Beispiel ist, lässt sich vielleicht mit dem Begriff „Postfaschismus“ bezeichnen. Einige wesentliche Elemente faschistischer Ideologie werden dabei reproduziert und oberflächlich mit Elementen moderner Politik versetzt. Hier bedeutet das: Die Mutterfixierung ist Mittel- und Angelpunkt des ganzen grünen Vorschlags, wird aber versetzt mit einer Rhetorik der Gleichberechtigung Homosexueller.
Wie oberflächlich und aufgesetzt diese Gleichberechtigungs-Rhetorik ist, zeigt sich dann schon am nicht einmal kaschierten Desinteresse gegenüber homosexuellen Vätern. Die werden rechtlich ebenso benachteiligt wie alle anderen Väter auch – so wie auch das Recht von Kindern auf die Sorge beider Eltern hier keine Rolle spielt. Alles läuft hinaus auf die Entscheidung der leiblichen Mutter, deren Wille den Rechten aller anderen Beteiligten vorgezogen wird.
Die Kinder bleiben bei den Grünen Beute der Bedürfnisse Erwachsener.