Achtung, Frauenquote!

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Im Dezember 2020 wird der Bundesparteitag der CDU über eine die Parteigremien verpflichtende Frauenquote, also eine Mussquote von 50% zugunsten von Frauen, entscheiden. Zu Recht tut sich die Union schwer mit der Quote. Rechtliche Frage müssen bedacht werden, wie zuletzt das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichts nahelegt, immerhin wird mit einer Frauenquote am Wahlrecht manipuliert. Es müssen aber auch schlicht die möglichen Wirkungen einer Quotenregelung innerhalb der Partei bedacht sein. Es gibt ja ein abschreckendes Beispiel, das der Union zu denken geben sollte: die Quotenregel in der SPD, ehemals die andere große Volkspartei in Deutschland. Zugegebenermaßen geht die CDU heute mit größerem Bedacht vor als seinerzeit die SPD.

Die Argumente, die heute in der CDU von den Quotenbefürwortern vorgetragen werden, gleichen denen der Quotenbefürwortern in der SPD vor 32 Jahren bis aufs Haar. Die Partei würde mit der Quote Anschluss an die „neue Zeit“ finden. Mit der Frauenquote würden mehr Frauen der Partei beitreten. Bei einem höheren Frauenanteil in der Partei, sei eine Quote ohnehin bald überflüssig. Sie sei deshalb ja auch nur für eine bestimmte Zeit notwendig. Das klang in der SPD vor der Quotenentscheidung 1988 verdammt ähnlich.

In seinem Schlusswort auf dem Quotenparteitag meinte der Parteivorsitzende Hans Jochen Vogel, Hauptbefürworter der Frauenquote in der SPD, voraussagen zu können, der Quotenbeschluss werde „in der nächsten Zeit vielen Frauen den Weg zu uns erleichtern“. Gerhard Jahn, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Vogels rechte Hand in Fraktion und Partei, assistierte: Es sei vorherzusehen, schrieb er in einem Artikel für die Parteizeitung „Vorwärts“, dass längst vor Erreichen des vorgesehenen Endes der Maßnahme (die Frauenquote war zeitlich begrenzt und sollte im Jahr 2013 auslaufen, K.F.) die Quotierung praktisch kein Thema mehr sein werde. „Deshalb wird nach einer – zugebenermaßen für Männer schmerzlichen, weil ihre Chancen schmälernden – Umstellungsphase auch die Zusammenarbeit von Männern und Frauen in der Partei keine Schwierigkeiten bereiten. Wenn erst die geschlechtsspezifische Benachteiligung (heute die von Frauen, für eine zeitlich begrenzte Anstoßphase die der innerparteilich aktiven Männer) überwunden sein wird, wird das Geschlecht ebensowenig eine Rolle für die politische Karriere spielen wie heute die Konfession.“

Vogel und Jahn hatten sich gründlich verschätzt, wie sich schon bald nach dem Quotenbeschluss herausstellen sollte. Das Ziel, die SPD für Frauen attraktiver zu machen, wurde verfehlt. Dafür wurde sie für Männer zusehends unattraktiver. Von einer „zeitlich begrenzten Anstoßphase“ zugunsten von weiblichen Mitgliedern war bald keine Rede mehr. Auf dem Bochumer Parteitag der SPD 2003 wurde die „zugebenermaßen für Männer schmerzliche, weil ihre Chancen schmälernde Umstellungsphase“ (Jahn) auf Dauer gestellt, die zeitliche Limitierung der Quotenregelung in einer Nacht- und Nebelaktion, d.h. ohne Debatte, einfach gestrichen.

Auch das zentrale Anliegen einer Quotenregelung, mehr Frauen in die SPD zu holen, wurde klar verfehlt. Das Gegenteil trat ein: Die Zahl der Frauen ist von 1988, dem Jahr der Einführung der Quoten, von 240.325 auf 142.693 30 Jahre später gefallen, eine Abnahme um 97.632 oder 41%. Dass trotz dieses Rückgangs der Frauenanteil in der SPD von 26,35% 1988 auf bescheidene 32,60% Ende 2018 gestiegen ist, ist allein dem Umstand geschuldet, dass noch mehr Männer als Frauen der Partei den Rücken gekehrt haben. Ein Erfolg sieht anders aus.

Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen, heißt es. Heute steht die CDU da, wo die SPD 1988 stand. Der Frauenanteil der Union lag 2018 bei 26,3%, exakt dem Wert (26,35%), den die SPD 1988, dem Jahr des Quotenbeschlusses, aufwies. Es ist alles andere als gewiss, dass eine Frauenquote mehr Frauen den Weg in die Union ebnen wird. Die Gefahr, dass die Quote die männlichen Mitglieder vor den Kopf stößt und sie demoralisiert, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Niedergang der einst stolzen 40% Partei SPD in die Drittrangigkeit sollte abschrecken.

Klaus Funken promovierte im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main. Er war wirtschaftspolitischer Referent der SPD-Bundestagsfraktion und leitete das Büro der Friedrich Ebert Stiftung in Shanghai und London. Er veröffentlichte das Buch „Frommer Selbstbetrug: 30 Jahre Frauenquote in der SPD“, Cuncti Verlag 2018.

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