Während meiner Studienzeit in den 80er Jahren lernte ich viele Studenten aus den islamischen Ländern kennen. Sie waren alle links und atheistisch. Was ist aus ihren Überzeugungen geworden?
Während meiner Studienzeit in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lernte ich sehr viele Studenten aus den sog. „islamischen Ländern“ kennen (damals sprach man gar nicht von „islamischen Ländern“, heute tut man es). Sie kamen vorwiegend aus der Türkei und dem Iran. Auch viele Palästinenser waren darunter. Sie waren alle links, stramme Marxisten, Kommunisten oder Sozialisten. Sie waren alle extrem atheistisch, hatten mit Religion nichts am Hut.
Ich kam damals aus einem kommunistischen Land in die Bundesrepublik und konnte nicht nachvollziehen, dass jemand hier im Westen so dogmatisch marxistische Positionen vertrat. Viele dieser Studenten verteidigten den Kommunismus sowjetischer Prägung, andere waren sogar Stalinisten und sprachen sich für das damals stalinistische Regime in Albanien aus.
Ich führte mit diesen Studenten nächtelange Diskussionen über Marxismus, Kommunismus, Kapitalismus, Deutschland, Ostblock usw. Politisch kamen wir natürlich nicht zu einem Konsens, aber auf der persönlichen Ebene habe ich damals mit vielen dieser Studenten Freundschaft geschlossen.
1989 änderte sich die politische Situation. Der Ostblock ist wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Der Marxismus hat abgedankt. Ich beobachtete, dass viele der Linken aus den islamischen Ländern ihre linken und atheistischen Ideale allmählich über Bord warfen. Sie sind religiös geworden.
Es entstand zwar der Zentralrat der Ex-Muslime, dem offensichtlich viele Linke und Atheisten angehören, doch diese Organisation stellt nach meinen Beobachtungen eine Randerscheinung dar, die keinen nennenswerten Einfluss auf die Gesellschaft und die Politik hat.
Meine oben genannten Beobachtungen wurden durch einen Text des deutsch-libanesischen Regisseurs Imad Karim bestätigt. Er schreibt in „Fischers Fritz fischt frische Fische, frische Fische fischt Fischers Fritz“ Folgendes:
„Vor Jahren besuchte ich Neukölln und erkannte den Stadtteil nicht mehr. Ich dachte, ich befinde mich in Kabul. Die arabischen linken Freunde von damals sind heute alte bärtige Männer. Sie haben noch einmal geheiratet nachdem sie sich von ihren deutschen Frauen zuvor scheiden ließen. Ihre neuen Frauen sind junge Araberinnen, Cousinen von ihnen, die sie hierher holten. Alle sind fromme und gläubige Moslems geworden, die felsenfest überzeugt sind, Deutschland wird in naher Zukunft islamisch und die Christen oder Juden, die sich nicht zum Islam konvertiert werden wollen müssten dann Kopfsteuer (Jizia) zahlen und sich damit abfinden, Menschen zweiter Klasse zu sein. Meine „Freunde“ von damals sagten mir auf meine Frage hin, „ja, wir müssen Hindus, Buddhisten und sonstige Götzenanbieter töten. Bitte verstehe uns nicht falsch, wir haben nichts gegen diese Menschen aber wir müssen Gottesbefehl folgen.““
Und wie ist es mit den Atheisten, mit Menschen, die nicht an Gott glauben, die areligiös sind? Im Koran steht es:
„Wahrlich, schlimmer als das Vieh (dawaabb) sind bei Allah jene, die ungläubig sind und nicht glauben werden.“ (Sure 8.55 nach M. A. Rasoull)
Das bedeutet wohl, dass ich als Atheist für einen gläubigen Moslem schlimmer als das Vieh bin, dass Linke, die per se, also alleine schon durch ihr Linkssein, Atheisten sind, schlimmer als das Vieh sind.
In meinem Artikel „Wie atheistisch ist die Linke noch?“, den ich in der linken Zeitschrift „Der Freitag“ bereits vor fünf Jahren verföffentlichte, habe ich auf diese Problematik hingewiesen. Ich habe die Linken dazu aufgefordert, sich auf ihre atheistischen Wurzeln zu besinnen und mit Nachdruck religionskritische Positionen – nicht nur gegenüber dem Islam, sondern auch gegenüber anderen Religionen – zu vertreten, dabei Karl Marx folgend, für den jegliche Gesellschaftskritik mit der Religionskritik anfangen muss. Meiner Aufforderung wurde bis heute offensichtlich keine Folge geleistet.
Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit einer gewissen Nostalgie an die leidenschaftlichen Diskussionen, die ich in den 80er Jahren mit linken Studenten aus den islamischen Ländern führte, zu erinnern.
Ich studierte Philosophie, Soziologie und Sprachwissenschaften.
Meine Doktorarbeit schrieb ich über den Begriff der Lebenswelt.
Ich stehe in der Tradition des Humanismus und der Philosophie der Aufklärung. Ich beschäftige mich vorwiegend mit den Themen "Menschenrechte", "Gerechtigkeit", "Gleichberechtigung" und "Demokratie".
In meinen Büchern lege ich besonderen Wert auf Klarheit und Verständlichkeit der Darstellung. Dabei folge ich dem folgenden Motto des Philosophen Karl Raimund Popper: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann“.