„Zu dem unterirdischen Radiofeature „Maskuline Muskelspiele“ sei der Hinweis erlaubt, dass Homann nur „Künstler“ ist, kein Journalist. Redaktionell verantwortlich ist Ulrike Ebenbeck, rein zufällig natürlich auch Unterzeichnerin/Unterstützerin von Pro Quote.“ Soweit Thomas M. in einem Kommentar vor wenigen Tagen.
Die zentrale Forderung von ProQuote – einer seit Beginn des vergangenen Jahres tätigen Initiative von Journalistinnen, die sich unter dem Namen ProQuote Medien auch als Verein etabliert hat – ist eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in allen Führungspositionen der Redaktionen.
Zu der Initiative gehören etwa dreihundert Journalistinnen (laut Spiegel-Autor Thomas Tuma etwa 150 zahlende), darunter auch Anne Will, Sandra Maischberger oder Gabi Bauer, sowie einige männliche Unterstützer. Der Verein bekennt sich zu einer umfassenden Lobbyarbeit – er will beispielsweise auf „verzerrende Berichte zum Thema Gender und Quote“ (also auf Berichte, die den Zielen des Vereins nicht entsprechen) schnell reagieren und entwickelt „Kampagnen, die Öffentlichkeit schaffen und den Druck auf die Verlage und Sender erhöhen“.
Schon mit diesen Zielen begeben sich die Journalistinnen allerdings in einen erkennbaren Konflikt – einerseits sind sie Teil von Verlagen und Sendern und tragen dort Verantwortung, zugleich aber wollen sie in ihrem Sinne Druck auf ihr Arbeitsumfeld ausüben. Umso heikler wird diese Situation dadurch, dass ihre journalistische Arbeit ja eigentlich ein hohes Maß an Abstand und Unvoreingenommenheit voraussetzt. Entsprechend kritisiert Thomas Tuma ProQuote auch im Spiegel. In seinem Essay „Die ScheinriesInnen“ schreibt er:
Sorry, Ladys, sie missbrauchen Ihren Status, Ihre Prominenz, Ihre Funktion, Ihre Medien und sogar das Ihnen entgegengebrachte Vertrauen des Publikums in Ihre Unabhängigkeit! Denn Sie sind bei Ihrer Vereinsarbeit nicht nur einseitig Partei. Sie sind es leider in einem schlichten Beweggrund: Eigeninteresse, das Sie geschickt als gesellschaftliche Relevanz inszenieren. (Der Spiegel, 27.5.2013. S. 146)
Der Vorwurf Tumas, das unabhängiger Journalismus zu Propaganda zu verkommen drohe, wurde ganz entsprechend der ProQuote-Politik der schnellen Reaktion auf unliebsame Berichte heftig beantwortet, Tuma nach eigenen Angaben als ein „reaktionäres Macho-Schwein (…) oder ein heulsusiges Weichei“ beschimpft. Dabei ist gerade die eingangs angesprochene Sendung ein gutes Beispiel dafür, wie recht Tuma mit seiner Einschätzung hat.
Wozu man Mordopfer so brauchen kann
Die ARD-Sendung „Maskuline Muskelspiele“ stellt bekanntlich eine hetzerische Verbindung zwischen den Massenmorden Andres Breiviks und einem Engagement für Männer- und Jungenrechte in Deutschland her, die sie in keinem Moment belegt. Gleichwohl endet sie darin, ein Verbot feminismuskritischer Äußerungen nahezulegen. Selbst Kritiker von Männerrechtlern müssten angesichts dieses Vorgehens eigentlich erschrecken – die öffentlich-rechtliche Sendung diffamiert bürgerrechtliches Engagement, indem sie das Leid von Mordopfern irritierend bedenkenlos und beliebig zur Propaganda gegen politische Gegner funktionalisiert. Diese politischen Gegner aber sind eben gerade, unter anderem, Kritiker der ProQuote-Politik.
Dass die ProQuote-Frau Ulrike Ebenbeck verantwortliche Redakteurin einer Sendung über Männerrechtler wurde, war ungefähr so anrüchig, als wenn ein EON-Pressesprecher verantwortlicher Redakteur für eine ARD-Sendung über Atomkraftgegner geworden wäre. Noch weniger verständlich ist, dass Ebenbeck selbst ihr offenkundiger Interessenkonflikt gleichgültig war, dass sie nicht einmal versucht hat, den Anschein zu vermeiden, hier aus ARD-Mitteln im Eigeninteresse politische Propaganda zu betreiben: Die Behauptungen der Sendung sind erbärmlich schlecht – nämlich gar nicht – belegt, sie bemüht sich nicht einmal symbolisch um Ausgewogenheit, sie lässt die Angegriffenen nicht zu Wort kommen und ist an ihrer Perspektive auch gar nicht interessiert (mit Ausnahme eines winzigen Fetzens aus einem Interview mit Arne Hoffmann), sie ist offen manipulativ und unfair in der Auswahl von Zitaten, und sie endet in extremen Verbots-Forderungen, die sie nirgendwo legitimiert.
„Manchmal heiligt der Zweck die Mittel“ – so Simone Kaiser vom Spiegel auf der ProQuote-Seite. Kaisers Satz, der eine klassische und notorisch problematische politische Position zitiert, bezieht sich nicht auf Ebenbecks Feature – gleichwohl lässt sich eine solche Sendung kaum anders erklären als mit Kaisers fragwürdiger Maxime. Die Mittel, die Ebenbeck anwendet, sind natürlich nicht zu heiligen – wie aber sieht es mit dem Zweck aus?
Ich verschenke Argumente (aber es nützt nichts)
„‚Männliche Monokulturen` sind wirtschaftlich weniger erfolgreich als gemischte Führungsteams. Das ist inzwischen vielfach nachgewiesen.“ Das behauptet Gabi Bauer, ARD, auf ihrer ProQuote-Seite, selbstverständlich ohne auch nur anzudeuten, welche Nachweise sie meint. Tatsächlich gibt es diese Nachweise nicht (dazu mehr bei sciencefiles) – sie verwechseln Korrelationen mit Kausalitäten oder können nicht belegen, was sie zu belegen vorgeben.
Mir selbst sind Argumente zur angeblich mangelnden Leistungsfähigkeit von sozialen Monokulturen aus einem ganz anderen Bereich vertraut, aus der Schulpädagogik – als Auseinandersetzung um die Frage, ob homogene Lerngruppen oder heterogene Lerngruppen bessere Ergebnisse erzielen würden (das ist grundsätzlich eine Streitfrage zwischen Vertretern des mehrgliedrigen Schulsystems und der Gesamtschulen). Ich arbeite selbst an einer Schule mit äußerst heterogenen Gruppen, kenne aber auch andere Bedingungen. In meinen Augen ist das Ergebnis deutlich – die Frage von Homogenität oder Heterogenität wird im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit einer Gruppe von den jeweiligen Interessenvertretern viel zu hoch gewichtet. Der wesentliche Unterschied ist, dass heterogene Gruppen mehr Zeit, Energie und Aufmerksamkeit auf die Organisation ihrer Kooperation verwenden müssen – das kann unter günstigen Bedingungen sogar förderlich für die Gruppe sein, es spricht aber natürlich nicht generell für eine höhere Leistungsfähigkeit.
Ich weiß, dass diese Erfahrungen aus der Schule sich nicht ungefiltert in deutsche Reaktionsstuben übertragen lassen, aber ein Aspekt ist sicherlich relevant: Ein Mindestmaß an Homogenität, nämlich einer grundsätzlichen Einigkeit über basale gemeinsame Ziele oder Werte, ist für die Arbeit einer Gruppe wichtig. Wer dagegen grundsätzliche Dichotomien aufbaut, die eine Untergruppe gegen die andere ausspielen, schadet dem Gesamtergebnis. Eben das aber tut ProQuote, wenn der Verein rundweg und im Eigeninteresse männliche Machtinteressen und Old Boys Networks unterstellt, gegen die sich Frauen in Stellung bringen müssten, mit allen Mitteln.
Doch auch, wenn man den Proquotistinnen die Annahme schenkt, dass Heterogenität gut für die Arbeit von Gruppen sei – warum muss es dann ausgerechnet diese Heterogenität sein? Warum geht es nicht ebenso um eine Quote von Menschen aus sogenannten „bildungsfernen Schichten“? Oder von Menschen „mit Migrationshintergrund“? Und warum geht es de facto nur um eine Quote in den prestigeträchtigen, mit sehr guten Einkommen verbundenen Verlagen und Sendern – warum spielt es keine Rolle, dass in weniger prestigeträchtigen Verlagen, außerhalb der „Qualitätspresse“, Frauen oft weit in der Mehrzahl sind und gewiss keine Quote brauchen (schon Hadmut Danisch konnte bei einer rein mit Quotenbefürworterinnen besetzten „Podiumsdiskussion“ niemanden finden, der ihm diese Frage beantwortete)? Doch selbst wenn man auch noch diese Fragen abschenkt und um des lieben Friedens Willen zugesteht, dass eine Mann-Frau-Heterogenität (und keine andere) in prestigeträchtigen, finanziell einträglichen Positionen (und nirgendwo sonst) wichtig und sinnvoll sei – selbst dann bleibt immer noch die Frage nach dem Mittel, ob es nämlich sinnvoll ist, diese hehren Ziele durch eine Quote zu erreichen.
Alle Erfahrung mit ProQuote spricht dagegen. Die Quotenforderung stützt sich ja eben gerade auf die Annahme, dass die etablierten Auswahlkriterien mangelhaft funktioniert hätten und durch eine Quote konterkariert werden müssten. Zu diesen Auswahlkriterien gehören klassischerweise journalistische Seriosität und Qualität. ProQuote hingegen unterstellt, dass es allein um Geschlechtsteile ginge: „Wozu genau noch braucht man einen Penis in dieser Führungsposition?“
Die Vermutung liegt durchaus nah, dass eine Sendung wie die von Ebenbeck eben kein Zufall, sondern Ergebnis eines solchen Ressentiments ist. Es ist ja gar nicht davon auszugehen, dass eine Quotenfrau notwendig schlecht arbeiten würde – viel wichtiger und schlimmer aber ist, dass der Wert und die Vertrauenswürdigkeit ihrer Arbeit für die Quotenlogik überhaupt keine Rolle spielen. Die geforderten 30 Prozent sind eine reine Mengenangabe, keine Messung irgendeiner Qualität. Eben das ist ja auch einer der Faktoren, die Quoten in der Politik so problematisch machen – sie bestätigen die Unterstellung, dass es im politischen Alltag nur noch um die Besetzung von Posten ginge, dass es aber keine Rolle spiele, welche Arbeit auf diesen Posten geleistet werde.
So viele Argumente kann man den ProQuote-Journalistinnen also gar nicht schenken, dass ihre Position irgendwann einmal überzeugend würde.
Menschenteile bei Maischberger
Dass aber ProQuote heute schon die journalistische Qualität beschädigt, bleibt natürlich lediglich eine Vermutung – es ist ebenso möglich, dass Sendungen wie das Muskelspiel-Feature auch ganz ohne Quotenforderungen so produziert würden. Erkennbar sind aber zumindest Korrelationen zwischen ProQuote-Aktionismus und einem fragwürdigen journalistischen Selbstverständnis. Bei Anne Will beispielsweise, die Monika Ebeling in eine Sendung einlud und sie gleich mit der Unterstellung vorstellte, sich als Gleichstellungsbeauftragte angeblich nur um Männer gekümmert zu haben. (Arne Hoffmann hat gerade noch einmal daran erinnert.) Wer für eine Frauenquote eintritt, hat eben kein Interesse daran, Sexismus geschlechterübergreifend zu verstehen und deutlich zu machen, dass sowohl Männer wie Frauen Akteure und Betroffene sexistischer Handlungen oder Strukturen sein können. Die Frauenquote ist nur legitimierbar, wenn alles ordentlich getrennt bleibt – die Frauen als Opfer, die Männer als Täter, die Frauen als Benachteiligte, die Männer als Profiteure. Noch deutlicher und schlimmer hat das Sandra Maischberger in einer Nachlese zur sogenannten „Sexismus-Debatte“ gemacht.
Sie interviewt dort (etwa ab Minute 55) die Femen-Aktivistin Klara Martens und stellt sie schlicht als Kämpferin gegen Prostitution und sexuelle Ausbeutung vor. Mit keinem Wort erwähnt sie, dass eine Femen-Gruppe unter anderem dadurch auf sich aufmerksam machte, dass sie ein Mahnmal für die Opfer des Stalinismus zerstörte. Oder dass die Femen kurz zuvor ein Werbebild herausgebracht haben, das eine barbusige Femen-Frau mit einer blutigen Sichel in der einen und einem abgeschnittenen männlichen Hoden in der triumphierend emporgereckten anderen Hand zeigt (dazu gab es auch eine Diskussion bei Alles Evolution).
Während Maischberger es natürlich nicht für nötig hält, hier einmal nachzufragen, baggert die ebenfalls teilnehmende Alice Schwarzer Martens sichtlich angetan als politische Bundesgenossin an.
Wie irre diese Situation ist, wird wohl erst klar, wenn man sie sich einmal mit vertauschten Geschlechterrollen vorstellt. Wenn es eine Männergruppe gäbe, die gern auch einmal, um auf sich aufmerksam zu machen, ein Mahnmal von Opfern politischer Massenmorde zerstört. Und die ein krankes Werbebild produziert, das einen feschen Mann mit freiem Oberkörper zeigt, der in der einen Hand eine blutige Sichel trägt und mit der anderen abgehackte Frauenbrüste freudig in die Luft reckt. Ein Mann, der dieser Gruppe angehört, würde gewiss nicht in eine Talkshow eingeladen – und falls doch, dann würde er dort (zurecht) nichts anderes zu tun haben, als sich für den gewaltverliebten Irrsinn seiner politischen Gruppe rechtfertigen zu müssen. Ganz sicher würde es nicht als seriöser Journalismus gewertet, ihm ausführlich Gelegenheit dazu zu geben, sich zu inszenieren und sich beklatschen zu lassen.
Auch die ProQuote-Frau Maischberger aber hat natürlich kein Interesse daran zu zeigen, dass Frauen wie Männer sexistisch sein können und dass Sexismus auch männerfeindlich ist – anders ist ihr absurdes Interview kaum zu erklären, das sich um herkömmliche Vorstellungen von journalistischer Verantwortung nicht unnötig kümmert. „Unser Beruf lebt von klaren, kritischen Haltungen, von einem sauberen Blick auf Missstände“, schreibt ausgerechnet Anne Will auf ihrer ProQuote-Seite. Was ProQuote angeht, deutet alles auf das Gegenteil hin – wenn erst einmal eine Quote installiert ist, dann werden die Profiteurinnen nicht plötzlich zu einer „klaren, kritischen Haltung“ finden, sondern ihre Position nutzen, um ihre Position zu stabilisieren und gegen Kritik zu immunisieren. Denn dass überhaupt noch nach dem Sinn der Quote gefragt werden kann, spricht ja irgendwie schon dafür, dass sie unbedingt eingeführt werden muss: „Warum Quote? Allein, dass ein ,Warum?’ im Raum steht, ist ein Armutszeugnis.“
Der Artikel erschien zuerst bei man tau.