Die Anti-Wissenschaftler

glaskolben

Die Zeitschrift „Scientific American” hat einen hochinteressanten Artikel darüber veröffentlicht, wie die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit in den USA die Demokratie gefährdet.  

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In den USA wird es für Politiker wohl immer günstiger, leichter und gewinnbringender, sich als wissenschaftsfeindlich auszugeben. Die Ablehnung von Wissenschaft wird zunehmend gesellschaftlich akzeptiert. Während man in den USA in den 50er und 60er Jahren noch in einem übertriebenen Wissenschaftswahn steckte, und alles irgendwie nach Science Fiction und Raumschiff aussehen musste, scheint das nun in das genaue Gegenteil umzuschlagen.

In allen politischen Richtungen wird immer stärker gegen die Wissenschaft gewettert. Als Gründe kommen dafür in Betracht, dass man unbequeme Wahrheiten immer leichter ablehnt und man sich die Welt einfach so zurechtschnitzt, wie man sie haben möchte. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass das Volk immer mehr belogen werden möchte.

frauenquote-danischEin anderer Aspekt ist wohl, dass immer stärker mit Desinformation gearbeitet wird, und Desinformation natürlich leichter unterzubringen ist, wenn man die wissenschaftliche Gegenmeinung verächtlich macht. Dazu kommt die zunehmende Religiosität als kategorische Ablehnung von Wissen und Verstand, und womöglich könnte es gar eine Folge dessen sein, dass wir eine allzubequeme Dienstleistungsgesellschaft geworden sind. Das Leben ist heute so einfach geworden, dass man nichts mehr denken muss, und sich deshalb das Denken auch abgewöhnen kann. (Als ich mit Autofahren angefangen habe, waren Autos noch so gebaut, dass man sie ohne Spezialcomputer verstehen konnte, aber auch so anfällig, dass man sie noch verstehen und ständig reparieren musste. Ich habe seit Jahren nichts mehr an einem Auto repariert, außer am vergangenen Sonntag eine durchgebrannte Birne auszutauschen. Autofahren wird immer stärker Dummen-kompatibel. Nur als ein Beispiel.)

Einen anderen Einfluss hatte sicherlich die Debatte um die Klimaerwärmung, bei denen beide Seiten sich gegenseitig Unwissenschaftlichkeit vorwerfen und letztlich nur eine Entwertung von Wissenschaft erreichen.

Ein Hauptgrund liegt sicherlich auch darin, dass sich die Wissenschaft selbst zerlegt. Der Aufschwung und die steigende Bedeutung der Wissenschaft haben zu mehr Geldmitteln geführt, was wiederum zwielichtiges Gesindel in den Wissenschaftsbereich gezogen hat. Inzwischen sind die Wissenschaften ein Sumpf aus Korruption, Plagiaten, Betrug, krummen Geschäften und Schwindel. Mag sein, dass da noch echte Wissenschaft dazwischen ist, aber wer glaubt dem noch? Wissenschaft arbeitet heute – wenn sie noch arbeitet – auf einem Niveau, das der Öffentlichkeit nicht mehr verständlich ist. Und immer mehr Wissenschaftler kapseln sich ab, baden in der Arroganz des Elfenbeinturms, und schreiben absichtlich so, dass es niemand versteht. Damit bricht die Verbindung zur Öffentlichkeit, man könnte es auch als das „Populärwissenschaftliche” bezeichnen, ab. Viele Fachrichtungen liefern überhaupt nichts mehr, was noch irgendwie verwertbar wäre, weder in Hinsicht auf Wissenschaften noch auf die Berufsausbildung. Es ist zwangsläufig, dass das Ansehen des Wissenschaftsbetriebs und vieler Fächer in der Öffentlichkeit leidet, und damit das Ansehen der Wissenschaft schlechthin runterzieht. Und wenn man sich dann noch den ganzen Promotionsschwindel, Pseudowissenschaften wie die vieler Soziologen oder eben den Gender-Quatsch anschaut, dann bleibt nicht nur bei einfachen, bildungsfernen Bevölkerungsschichten, sondern besonders auch bei den gebildeten, intellektuell anspruchsvolleren die Frage, was da eigentlich noch die Wissenschaft sein soll. Die Wissenschaften haben soviel Korruption und Betrug angesammelt, dass sie sich gerade selbst vergiften.

Hinzu kommt die „bei uns kommt der Strom aus der Steckdose”-Mentalität. Alles Positive, was Wissenschaft erzeugt, wird in fertigen Produkten versteckt, man sieht die Leistung dahinter nicht. Und wenn, dann ärgert man sich über Patente und Abzocke. Der Pharmabereich erzeugt gefühlt mehr Ärger als Innovation. Und neue Medikamente sind oft schlechter als alte und werden nur auf den Markt gebracht, um wieder irgendetwas mit neuem Patentschutz zu haben. Als negativ empfundene Folgen von Wissenschaft, beispielsweise Kriegstechnik, Gentechnik usw., werden hingegen plakativ ausgebreitet. Die Presse lebt von negativen Schlagzeilen, nicht von positiven.

Als ich Kind war, haben wir uns noch an einem Altrhein-Arm herumgetrieben, Experimente gemacht. Ich hatte Physik- und Chemieexperimentierkästen, elektronische Schaltungen usw. Zu meinen wichtigsten Spielzeugen gehörte, dass ich aus der ganzen Verwandt- und Nachbarschaft kaputte Elektrogeräte einsammelte und sie zerlegte, um reinzugucken und zu sehen, wie sie funktionierten. Das konnte man damals nämlich noch. Da hatten Waschmaschinen noch herrlich mechanische Ablaufsteuerungen. Heute ist das alles völlig anders. Heute sind social networks in und experimentiert wird nur noch, wenn es dafür eine App gibt. Es zerfliest alles in Simulationen und damit in Beliebigkeit.

Wissenschaft ist inzwischen auch schwierig geworden, weil alles im normalen Bereich abgegrast ist. Noch im Mittelalter und der frühen Neuzeit konnte man mit 20 oder 25 Jahren Universalgelehrter sein. In vielen technischen Bereichen muss man heute froh sein, wenn man mit 40 in einem ganz kleinen Teilthema so weit ist, in relevanten Bereichen mitforschen zu können. Viele können oder wollen sich diese Mühe nicht mehr machen, zumal bei ungewissen Berufsaussichten. Daher auch die starke Zunahme von Forschungsschwindel und Plagiaten. Dissertationen werden schon allein deshalb immer schlechter, weil der Aufwand für gute Dissertationen immer mehr steigt. Die Digitalisierung führt obendrein dazu, dass die Ansprüche steigen.

Dazu passt natürlich, dass sich die Kreationisten immer systematischer damit umtun, Wissenschaft aus dem Schulunterricht zu verbannen. Wissenschaft wird durch die Bibel verdrängt. Dazu kommt erschwerend, dass Grundschullehrer und Kindergartenbetreuer nicht nur immer stärker nur weiblich besetzt sind, was ja noch nicht das Problem wäre, sondern mit Leuten einer ganz bestimmten, wissenschaftsfeindlichen Geisteshaltung. Da bilden sich ganze Bevölkerungsschichten, die Wissenschaft als Feindbild auffassen und in die Lehrberufe strömen. Ich erinnere da nur mal (ja, ich weiß, schon wieder, aber das Thema ist eben wichtig) daran, dass bei uns sogar eine Verfassungsrichterin als Professorin lehrt, dass wissenschaftliche Qualität nur ein Mythos sei, dass es sie nicht gäbe und das alles nur von Männern erfunden worden sei, um Frauen auszugrenzen. Es ist der Frontalangriff auf den Wissenschaftsgedanken. Und ein Hohn, dass sie ausgerechnet an der „Humboldt-Universität” lehrt.

Wissenschaftsgegner stehen heute nicht mehr nur auf der Straße herum wie die Zeugen Jehovas. Da wird heute mit modernen PR- und Multimedia-Methoden und der gesamten Klaviatur des Lobbyismus vorgegangen, als wollte man ein Produkt im großen Maßstab platzieren. Wissenschaft wird zur willkürlichen Ideologie herabgestuft und dann die Alternative danebengestellt. Ob Religion, Aberglaube, Feminismus, egal was. Weil das jetzt in Mode ist.

Eine andere Ursache ist die politische Korruption. Die Industrie hat gelernt, dass man mit Geld jede beliebige Wahrheit kaufen kann. Man kann die Politische Meinung heute buchen wie man eine Werbetafel bucht und jede x-beliebige politische Meinung schalten lassen wie Radiowerbung. Eine Frage des Geldes, und Geld ist da.

Ergänzt wird das alles durch Opportunismus. Früher sagte man zu den Mohammed-Karrikaturen, dass das Meinungsfreiheit sei. Heute heißt es, dass man „religiöse Gefühle” nicht verletzen dürfe. Dass sich also jeder selbst aussuchen kann, was er für wahr hält, und man das nicht mehr kritisieren darf. Das ist nicht nur das Ende von Geist und Wissenschaft, sondern es ist auch bedenklich, dass irgendwelche Gottes-Phantasien so viel höher geschützt sind als die Wissenschaft. Wenn man wissenschaftliche Aussagen bestreitet, passiert gar nichts, oder man wird sogar als intellektuell angesehen. Bestreitet man religiöse Behauptungen, dann riskiert man nicht nur Haue oder eine Kugel in den Kopf (sogar als kleines Mädchen) und die Politik wirft die Frage auf, ob man nicht wegen Verunglimpfung eines Glaubensbekenntnisses vorgehen müsse. Die Politik macht für Wählerstimmen alles, und ein signifikanter Bevölkerungsanteil ist so religiös oder gar fanatisch, dass sich für Politiker die Wissenschaftsfeindlichkeit auszahlt und verfestigt.

Auch Terrorismus und diese üble Dauerbeleidigtheit des Islam haben wissenschaftsfeindliche Wirkung. Da wird mit Gewalt und Drohung darauf hingearbeitet, dass man des Friedens Willen religiöse Ansichten über die sekulär-wissenschaftlichen stellt. Wissenschaft und Religion passen nicht zusammen. Leugnet man Religion, gibt es Demonstrationen, Randale und Verletzte. Leugnet man Wissenschaft, kommt keiner. Irgendein Satiriker sagte kürzlich mal irgendwo, dass da eine Geisteshaltung entsteht, die alles nach der Erfindung des Krummsäbels ablehnt. Man muss aber nicht mal religiös sein. Auch in unserer säkulären Gesellschaft wird es gesellschaftlich akzeptiert, einfach mal etwas völlig ohne jede Grundlage in Zweifel zu ziehen. Wenn man einfach mal sagt, dass man etwas nicht glaubt, ohne das irgendwie motivieren zu können, findet man gesellschaftliche Anerkennung. Weil’s so einfach ist. Versucht man aber in Gesellschaft zu begründen, warum man eine wissenschaftliche Meinung für richtig hält, versteht einen keiner mehr und zwei Sätze später steht man dann alleine da. Wissenschaft gilt als sozialinkompatibel, während Unwissenschaftlichkeit als interessanter Charakterzug gilt. Ich kenne Leute, die mit Astrologie und anderen esoterischen Dingern eine Riesen-Show veranstalten. Und unglaublich viele Leute fallen mit Wonne drauf herein.

Im Artikel wird dann auch erwähnt, dass pseudointellektuelle Strömungen wie „there is no such thing as objectivity“ immer öfter repetiert werden. Völlig hirnlos und nichtssagend, aber ein wirksamer Selbstbetrug, um sich die grenzenlose Willkürlichkeit der Sichtweisen zu genehmigen. Und erschreckend viele Leute rennen heute einem ganz ähnlich gelagerten Genderismus nach, der ja auch nur wiederholt (aber nie begründet), dass die Wissenschaften lügen und nur dazu da wären, Frauen auszugrenzen, dass die Frau nur eine Erfindung des bösen Mannes sei, es Geschlechter nicht gäbe und dass alles nur ein „biologistischer Diskurs” sei. Frauenrechte und Emanzipation sind nur Vorwände des Genderismus. Im Kern geht es darum, Wissenschaft abzuschaffen und durch Willkürlichkeit zu ersetzen.

Wie schon in anderen Zusammenhängen erwähnt: Ich glaube, dass Wissenschaft und Demokratie nur eine Episode in der Weltgeschichte waren und wir deren höchsten Punkt längst überschritten haben. Das wird in den nächsten 20 oder 30 Jahren noch viel schlimmer werden.

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