Politische Stiftungen: Spekulieren auf und mit Steuergeldern

Heuschrecke MG 6232

Ich beginne mit einer Gegenüberstellung, bei der politische Stiftungen zum einen aus Sicht von Steuerzahlern, zum anderen aus ihrer eigenen Sicht charakterisiert werden.

Heuschrecke MG 6232

“1966 hat das Bundesverfassungsgericht Zuschüsse zur Förderung der politischen Bildungsarbeit der Parteien für verfassungswidrig erklärt. Fortan bedienten sich die Parteien des Instruments der politischen Stiftung. Da die Arbeit der Stiftungen naturgemäß auch den jeweiligen Mutterparteien zugute kommt, haben diese ein vehementes Interesse daran, die Mittel auszuweiten. Hinzu kommt, dass die im Bundestag vertretenen Parteien hier in eigener Sache entscheiden, gegenläufige politische Interessen als konfligierendes Element also regelmäßig fehlen” (Brümmerhoff, 2007, S.167).

Jedes Jahr beschließt der Haushaltsausschuss des Bundestages, wie hoch die “Zuwendungen” ausfallen sollen, die politischen Stiftungen zukommen. Jedes Jahr beschließt der Haushaltsausschuss, dass die Mittel im nächsten Jahr mehr sein müssen als im Vorgängerjahr, und so kommt es, dass die Bundeszuwendungen an politische Stiftungen sich von 295 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 421 Millionen Euro im Jahr 2010 und somit um 42,7% erhöht haben. Dass politische Stiftungen eigens gegründet wurden, um einen Zahlungsempfänger für  Zuwendungen aus Steuermitteln zu haben, zeigt sich u.a. daran, dass die Stiftungen sich zu rund 95% aus den Bundes-Zuwendungen finanzieren. Ein Stiftungskapital haben die “politischen Stiftungen” (die Naumann-Stiftung ist hier die Ausnahme) nicht, was daran liegt, dass politische Stiftungen sich zwar Stiftung nennen, aber keine Stiftungen, sondern Vereine sind. Aber Stiftung klingt halt besser, vor allem wenn man für sich in Anspruch nimmt, Gutes zu tun, wie dies die sechs Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien in trauter Einigkeit und in einer gemeinsamen Erklärung getan haben. Demnach haben sie u.a. zum Ziel (zitiert aus dem Jahresbericht 2011 der Friedrich-Ebert-Stiftung, S.100):

  • durch Vermittlung politischer Bildung die Beschäftigung der Bürger mit politischen Fragen anzuregen sowie ihr politisches Engagement zu fördern und zu vertiefen;
  • durch Wissenschaftsförderung, politische Forschung und Beratung Grundlagen politischen Handelns zu erarbeiten sowie den Dialog und Wissenschaftstransfer zwischen Wissenschaft, Politik, Staat und Wirtschaft zu vertiefen.

Fängt man beim zweiten Punkt an, dann stellt sich die Frage, was politische Stiftungen, die ihren Parteien gehören, wie schon ein Blick auf den Vorstand zeigt, zur Föderung der Wissenschaft beitragen können. Geht man davon aus, dass politische Stiftungen etwas Eigenes beitragen können und fragt danach, was dieses Eigene sein kann, dann kommt man schnell bei der jeweiligen politischen Ideologie an, was wiederum im Widerspruch zu Wissenschaftlichkeit steht und zeigt, dass politische Stiftungen nichts zur Förderung, aber viel zur Retardierung von Wissenschaft beitragen können. Geht man aber nicht davon aus, dass politische Stiftungen etwas Eigenes zur Förderung der Wissenschaft beitragen können, dann benötigt man politische Stiftungen nicht und kann die Steuergelder sparen, da es bereits eine Bundeszentrale für politische Bildung, finanziert aus Steuermitteln, gibt.

Auch die Vermittlung politischer Bildung und die Anregung der Bürger zum politischen Engagement scheint bei den politischen Stiftungen nicht in der richtigen Hand zu sein. Dies belegt eine kleine Anfrage zur “Lage der politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland“, die die SPD-Fraktion am 30. Januar 2013 gestellt hat. Darin wird zunächst der alte Sermon gepredigt, dass eine Demokratie die “aktive Wahrnehmung der bürgerlichen Rechte” durch ihre Bürger benötigt, wozu unfähige und ungebildete Bürger, nach Ansicht der SPD-Fraktion erst erzogen, nein gebildet werden müssen. Mittel dazu: politische Bildung. Aber, so liest man weiter: “Es sind aber immer weniger Menschen in Deutschland bereit, sich allgemeinpolitisch z.B. in Parteien zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Die Beteiligung an Wahlen sinkt”. Und dies, so möchte man anfügen, trotz der sprunghaft steigenden Mittel, die politischen Stiftungen von ihren Parteivertretern im Haushaltsausschuss bewilligt werden. Daraus müsste man doch eigentlich den Schluss ziehen, dass das Unternehmen politische Bildungserziehung der Bürger durch politische Stiftungen gescheitert ist. (Den Schluss, dass Bürgern der politische Diskurs, wie er in Parteien geführt wird, einfach zu dumm ist, als dass sie sich daran beteiligen wollten, könnte man auch ziehen, aber was würde das für die politische Bildung bedeuten, die Stiftungen der politischen Parteien “den Bürgern” angedeihen lassen wollen?)

Für Parteivertreter, die ovn der Sorge geplagt werden, dass die üppige Förderung der politischen Stiftungen stagnieren könnte, schlimmer noch, die Mittel reduziert werden könnten, sieht die Welt jedoch anders aus. Das miserable Resümé über den Stand der politischen Bildung bei Deutschen, das in der kleinen Anfrage der SPD gezogen wird, ist  entsprechend kein Indiz für das Versagen der politischen Bildungsbemühungen von u.a. politischen Stiftungen, sondern im Gegenteil der Anlass, um eine Kontinuität und ein weiteres Wachstum der entsprechenden Zuwendungen, die diese politischen Stiftungen am Leben erhalten, zu fordern. In gewisser Weise ist die Panik über möglicherweise weniger staatlichen Geldsegen verständlich: Politische Stiftungen sind mittlerweile zu kleinen Unternehmen geworden, deren operatives Geschäft vollständig über die Zuwendungen des  Staates finanziert wird, und deren Ziel vornehmlich darin besteht,  politische Günstlinge mit Pöstchen und Einkommen zu versorgen.

Das Versorgungswerk der Friedrich-Ebert-Stiftung hat entsprechend 620 Mitarbeitermäuler zu stopfen, das Versorgungswerk der Konrad-Adenauer-Stiftung ist mit 563 finanziell abhängig Beschäftigten belastet. Auch die kleineren politischen Stiftungen haben ihre Versorgungslast zu tragen: Die Heinrich-Böll-Stiftung muss 182 Mäuler stopfen, 141 weiblich, davon die Mehrzahl Halbtagskraft, die Hanns-Seidel-Stiftung bringt es auf stattliche 273 Mitarbeiter, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, hat trotz kurzer Lebenszeit bereits 134 Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen, und die Friedrich-Naumann-Stiftung schweigt sich über ihre abhängig Beschäftigen aus.

Vor diesem Hintergrund ist es daher verständlich, wenn die SPD-Fraktion, ob der 620 Genossen bei der FES-Stiftung, Fracksausen bekommt, angesichts einer Mittelkürzung, die die Bundeszentrale für politische Bildung ereilt hat. Wenn, so haben die Genossen gefolgert, bereits die Bundeszentrale kürzer treten muss, dann könnte dies auch den politischen Stiftungen im Allgemeinen und der Friedrich-Ebert-Stiftung im Besonderen drohen. Da politische Stiftungen ihre Lobbyisten im Parlament sitzen haben, können sie ihre Befürchtungen gleich zum Gegenstand parlamentarischer Erörterung machen und müssen nicht erst im Vorfeld jemanden finden, der für ihre Angelegenheiten offen ist. Wenn es darum geht, Steuergelder an politische Stiftungen zu verteilen, dann sind im Bundestag weitgehend alle Parlamentarier offen. Und so haben die Befürchtungen der SPD-Fraktion im Hinblick auf das finanzielle Schicksal politischer Stiftungen den folgenden Niederschlag gefunden:

“43. Wie sieht die Bundesregierung – in finanzieller Hinsicht – das Verhältnis zwischen der Bundeszentrale und den politischen Stiftungen? Ist es beabsichtigt, die Entwicklung der zugewiesenen Mittel an die Bundeszentrale einerseits und die politischen Stiftungen (gemeinsam genommen) andererseits, proportional zu koppeln?”

Ist das nicht putzig, wie sich die Genossen nach außen hin zieren, wenn es ums Geld geht? Dieser verschämte Einschub “in finanzieller Hinsicht”, herzallerliebst, und die verklausulierte Frage, die im Klartext lautet: Ist am Ende beabsichtigt, nicht nur die Mittel der Bundeszentrale für politische Bildung, sondern auch die Zuwendungen an politische Stiftungen (gemeinsam genommen) zu kürzen?, fast nicht verständlich. Wie gesagt, die vielfältigen Verpflichtungen, die politische Stiftungen in der Gewissheit, dass die staatlichen Zuwendungen sprudeln, auf sich geladen haben, erlauben keine Kürzung, und angesichts der verheerenden politischen Bildung, die in der kleinen Anfrage deutschen Bürgern konstatiert wird, u.a. deshalb, weil sie nicht wählen gehen, muss noch mehr politisch gebildet werden, durch politische Stiftungen versteht sich, nicht weniger, sondern mehr Zuwendungen sind also gefragt.

Vor diesem Hintergrund habe ich mir die Bilanzen (wenn man es denn so nennen kann, denn es genügt keinem der Standards, die politische Parteien so gerne an Unternehmen anlegen, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass politische Stiftungen von Steuergeldern leben) der politischen Stiftungen angesehen und ein paar Zahlen extrahiert. So gibt die nächste Abbildung einen Überblick über die Höhe von Vermögen, Finanzanlagen, Bankguthaben und Zuwendungen, über die die politischen Stiftungen in ihrem Jahresbericht für 2010 Rechenschaft gelegt haben.

 

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Wie die Abbildung zeigt, haben die Vertreter der einzelnen politischen Parteien im Haushaltsausschuss des Bundestages den politischen Stiftungen ihrer einzelnen politischen Parteien im Haushaltsjahr 2010 rund 421,5 Millionen Euro zukommen lassen. Für das selbe Haushaltsjahr haben die politischen Stiftungen Bankguthaben in Höhe von 45,27 Millionen Euro und Investitionen in Finanztitel (Bonds, Fonds, Aktien…) in Höhe von 49,67 Millionen Euro berichtet. Darüber hinaus haben die politischen Stiftungen ihre Sachanlagen (Gebäude, Inventar) im Jahr 2010 mit einem Wert von 167,1 Millionen Euro angesetzt. Wie man sieht, lebt es sich ganz gut, als politische Stiftung. Dabei hat mich insbesondere der Posten “Finanzanlagen” fasziniert. Da politische Stiftungen fast ausschließlich aus Mitteln der Steuerzahler finanziert werden (95%), bedeutet dieser Posten, dass die politischen Stiftungen, einen Teil der Mittel der Steuerzahler nehmen und in Finanztiteln, wie z.B. Aktien oder Fondsbeteiligungen investieren. Die Vergabe der Zuwendungen an politische Stiftungen erfolgt regelmäßig mit dem Verweis, dass die Zuwendungen von den politischen Stiftungen eingesetzt werden sollen, um ihrem satzungsgemäßen Auftrag, also den Zielen, die politische Stiftungen für sich formuliert haben, nachzukommen. Anscheinend gehört das Erwirtschaften einer Rendite, das Investieren der Steuergelder in Finanztitel zum satzungsgemäßen Auftrag. Politische Stiftungen sind also, um einmal in der Terminologie der Linken zu bleiben, die im Banken-Bashing eine so große Bedeutung hat, als Zocker unterwegs. Auch nicht schlecht.

Wer nun wissen will, wer der größte unter den Zockern ist, dem gibt die folgende Abbildung entsprechenden Aufschluss. Darin habe ich die Vermögen aus und Zuwendungen an politisches Stiftungen für die einzelnen Stiftungen aufgeschlüsselt.

 

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Die größten Zocker, so zeigt sich, sitzen in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Das hätte man den Genossen gar nicht zugetraut – oder? 31,4 Millionen Euro aus Steuergeldern haben sie in Finanztitel investiert, darunter vielleicht die ein oder andere Unternehmensschuldverschreibung von Madsack oder anderen Konzernen, an denen die SPD Anteile hält. Die Konrad-Adenauer Stiftung bringt es gerade einmal auf 11,3 Millionen Euro in Finanztiteln, die Spekulationsfreude ist hier nur ein Drittel so groß wie in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Heinrich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung verzichten fast vollständig auf Finanzspekulationen, was vielleicht auch besser ist, es reicht, wenn die Genossen aus der SPD zocken. Auch in Punkto Sachanlagen sind die Genossen führend. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat für das Jahr 2010 Rechenschaft über Sachanlagen in Höhe von 64,6 Millionen Euro gelegt, darunter Gebäude und Inventar. Auch hier klafft eine große Lücke zu den anderen Stiftungen, die etwas kleinere Brötchen backen müssen, die mit 38,6 Millionen Euro bei der Konrad-Adenauer-Stiftung oder 19,2 Millionen Euro bei der Heinrich-Böll-Stiftung aber dennoch üppig sind.

Insgesamt zeigt sich, dass die politischen Stiftungen, der Tatsache, dass sie über kein Stiftungsvermögen verfügen (mit Ausnahme der Naumann-Stiftung) gut getrotzt und sich aus Steuermitteln ein nettes Auskommen verschafft haben. Allein von den Finanzanlagen und den Sachanlagen ließe sich einige Zeit überleben, und deshalb stellt sich die Frage, weshalb politische Stiftungen pro Jahr mehr als 421 Millionen Euro an Zuwendungen des Bundes erhalten müssen. Aber, um in der Logik der kleinen Anfrage der SPD zu verbleiben: Politische Stiftungen sind notwendig, denn eine bessere Umverteilung von Steuergeldern, eine bessere Umwidmung von Geldern aus öffentlichen Töpfen in Finanztitel und Sachanlagen politischer Stiftungen und den Unterhalt von deren mehr als 1.500 Parteisoldaten, gibt es außerhalb von Deutschland nirgends. Politische Stiftungen sind entsprechend ein deutsches Kulturgut, eine deutsche Innovation, die rent seeking auf eine neue Ebene stellt und von daher vielleicht unter den Schutz der UNESCO – als Weltkulturerbe, als Beleg für den größten Nepotismus aller Zeiten gestellt werden müsste.

 

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