Vor der Abstimmung über die Frauenquote im Bundestag erregte sich Andrea Nahles über den CDU- Fraktionsvorsitzenden: „Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Frauen in der Union öffentlich aufgefordert, gegen ihr eigenes Gewissen zu stimmen.“
Tatsächlich wollten sich die Abgeordneten der Union, die mit dem Gedanken an eine Stimme für die Einführung von starren Frauenquoten in Unternehmen spielten, auf die Freiheit ihrer Gewissensentscheidung berufen.
Damit hätten dann von der Leyen und co. eine Entscheidung, von der nur ein verschwindend kleiner und ohnehin schon erheblich privilegierter Anteil der Frauen in Deutschland profitiert hätte, ebenso zu einer Frage des Gewissens erklärt wie etwa die Entscheidung dafür, weiterhin Tausende von – übrigens männlichen – Soldaten in Länder wie Afghanistan und möglicherweise in ihren Tod zu schicken. Natürlich ist dies ein pervertiertes Verständnis einer Gewissensentscheidung, gleichwohl ist es auch völlig verständlich, dass es in der Union und der FDP unterschiedliche Positionen zu einer so kontroversen Frage wie der Frauenquote gibt. Wesentlich weniger verständlich ist es, wie es möglich ist, dass SPD, Grüne und Linke solche Konflikte nicht kennen – ihre Abgeordneten stimmten ohne Murren und Diskussion geschlossen für die Quote.
Zu den wenigen gut vernetzten und privilegierten Frauen, die von einer Quote profitieren können, gehören eben gerade die Parteipolitikerinnen, die sich für sie engagieren. Dieser offenkundige Eigennutz wurde durch den moralisierenden Overkill der Debatte („Es gebe in der Hölle einen Ort für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen“) eher noch herausgestellt als verdeckt. Es mag ja sein, dass einige in den rotgrünen Parteien die Quote aus sachlichen Gründen trotzdem für eine gute Idee halten. Es ist aber nicht erklärbar, warum überhaupt niemand an der „Was-gut-für-mich-ist-ist-gut-für-Frauen-ist-gut-für-die-Gesellschaft“-Logik der Quote irgend etwas auszusetzen findet.
Für mich ist diese regelrecht betonierte Einförmigkeit ein besonderes, auch persönliches Problem. Meine politische Sozialisation bestand zu einem wichtigen Teil daraus, dass ich als Jugendlicher am Mittagstisch jedes Tages mit meinen Eltern, die beide seit Jahrzehnten SPD-Mitglieder sind, diskutierte und dort grüne Positionen vertrat. SPD und mehr noch die Grünen habe ich jahrelang regelmäßig gewählt – bis ich persönlich von der Politik dieser Parteien in erheblicher Weise getroffen war. Meine Rechtlosigkeit als Vater eines Kindes, das ich nur alle zwei Wochen (und mit großem Aufwand für mich) sehen kann, ist wesentlich auch der Politik dieser Parteien zu verdanken. Insbesondere die rot-grüne Schröder-Regierung sperrte sich jahrelang gegen Änderungen der väter- und kinderfeindlichen gesetzlichen Regelungen, die mittlerweile längst vom Europäischen Gerichtshof als menschenrechtswidrig und vom Verfassungsgericht als grundgesetzwidrig bezeichnet wurden.
Ich hab meine Meinung über SPD und Grüne zu spät revidiert. Das ist wohl ein typisches Problem des Engagements für Männerrechte, dass Menschen – seien es Männer oder Frauen – sich oft erst engagieren, wenn sie persönlich in erheblicher Weise in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das lässt sich mit Geschlechterklischees erklären, die durchaus ungebrochen von Männern erwarten, für sich selbst und für andere Sorgen zu können und nicht auf den Beistand anderer angewiesen zu sein.
Dabei kann ich mir durchaus vorstellen, warum es bei SPD und Grünen starke Unterstützung für feministische Positionen gibt – nicht nachvollziehbar aber ist das fast völlige Fehlen von Gegenstimmen. Es mag ja sein, dass viele dort beispielsweise die Diskriminierung von Vätern für eine gute Idee halten – es will mir aber tatsächlich nicht in den Kopf, warum überhaupt niemand dort auf die Idee kommt, es könne ein ernsthaftes Problem für ihre Parteien sein, wenn sie ein gestörtes Verhältnis zu Grund- und Menschenrechten entwickeln. Das gilt eben auch in der Quotendiskussion: Seit mehr als zwei Jahrzehnten haben Grüne und SPD nun Frauenquoten, und die Resultate davon sind ernüchternd. Niemand aber formuliert einmal den naheliegenden Gedanken, aus diesen jahrzehntelangen eigenen Erfahrungen könne vielleicht irgendetwas im Hinblick auf Frauenquoten in der Wirtschaft gelernt werden. Dass aber eine solche Diskussion nicht stattfindet, liegt wohl nicht zuletzt an den Quoten selbst.
Warum niemand an Jürgens Stuhl sägt
Der Frauenanteil in der SPD-Mitgliedschaft liegt heute bei 31 Prozent, bei den Grünen bei 37 Prozent. Die absoluten Zahlen der weiblichen SPD-Mitglieder sind seit Einführung der Frauenquote und in Zeiten des großen Mitgliederschwunds seit Beginn der Schröder-Regierung sogar rückläufig. „Der Anstieg des Frauenanteils an der Mitgliederschaft ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass deutlich mehr Männer die Partei verließen als Frauen,“ schreibt das SPD-Parteimitglied Klaus Funken in einem Artikel, in dem er engagiert und ohne ernsthafte Resonanz in der Partei das Ende der Frauenquote fordert. In einem Interview stellt er klar: „Ich kenne kaum jemanden unter den männlichen Mitgliedern, der unter vier Augen nicht zugibt, dass die Quotenregelung in der SPD ein Flop ist und abgeschafft gehört.“
Der Frauenanteil der Grünen ist (nach der Linkspartei) der höchste der deutschen Parteien, mit 37 Prozent allerdings enntäuschend niedrig angesichts der Tatsache, dass Frauen über die Quote hinaus durch das grüne „Frauenstatut“ in vielfacher Weise gegenüber Männern privilegiert werden und dass die Grünen in der zweiten Frauenbewegung eine ihrer wesentlichen Wurzeln haben. Im vergangenen Jahr reagierte die grüne Parteiführung darauf mit einer Werbekampagne, die bis heute für verärgerte Kommentare sorgt.
Besser DU als irgendein Kerl – das Motiv wurde so ähnlich auch noch für andere Parteigrößen durchgespielt. Anstatt also Frauen zu größerem Engagement aufzurufen (vielleicht einfach mal mit einem Slogan wie: „Jetzt seid ihr mal dran!“), machte die Parteiführung damit eben das Engagement der Männer schlecht, auf das die gesamte Partei mit ihren vielen quotierten Posten baut. Zudem transportiert die Kampagne ein DSDS-Verständnis von Politik – als ob es bei der Parteiarbeit nicht vorwiegend darum ginge, sich für eine gemeinsame Sache zu engagieren, sondern darum, möglichst schnell berühmt zu werden und um Spitzenpositionen zu konkurrieren. Obwohl also die grüne Partei das geringe politische Engagement von Frauen als Problem begreift, schreckt sie davor zurück, an ihr gesellschaftliches Verantwortungsgefühl zu appellieren, sondern inszeniert lieber eine bemüht ironische Superstar-Suche, die unverhohlen auf Ressentiments gegen eben die Menschen baut, die den ganzen grünen Apparat aufrechterhalten.
Der Hintergrund: De facto reproduziert die Frauenquote überkommene bürgerliche Geschlechtermodelle, in denen Männer für die Versorgung von Frauen – und in diesem Fall eben: die Versorgung mit Parteiposten – arbeiten. In der Gehässigkeit gegenüber den männlichen Parteimitgliedern (denen die Kampagne übrigens eben die Machtgelüste unterstellt, auf die sie bei Frauen baut) drückt sich ein grundlegender Widerspruch der Frauenquote aus. Einerseits wird sie begründet mit dem Hinweis auf männliche Machtstrukturen, die Frauen angeblich aus einflussreichen Positionen fernhielten. Andererseits wird die Verantwortung, an diesen Strukturen etwas zu ändern, ausgerechnet an die Männer delegiert. Wie fadenscheinig dies ist, wird schon durch das Gedankenspiel deutlich, klassische linke Organisationen hätten einmal ähnlich zu agieren versucht. Keiner klassischen Arbeiterpartei und keinem Arbeiterbildungsverein wäre es eingefallen, ihren Mitgliedern zu vermitteln, ein Eintreten für die eigenen Interessen sei eigentlich nicht notwendig, weil das ihre Unterdrücker ohnehin schon für sie erledigen würden.
Welchen Sinn hat dann aber die Quote, wenn sie den vorgeblichen Zweck, das Engagement von Frauen zu steigern, so offensichtlich verfehlt? Nach der Leipziger Studie aus dem Jahr 2012 gibt es im deutschen Parteienspektrum zwei Gruppierungen, deren Parteipräferenzen durch erhebliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern geprägt sind: rechtsradikale Gruppierungen, die zu 65 Prozent von Männern bevorzugt, und mit einem noch größeren Unterschied die Grünen, die zu über 70 Prozent von Frauen präferiert werden. Während die Basis der Partei also zu fast zwei Dritteln aus Männern besteht, wird sie in ihrer potenziellen Wählerschaft zu weit über zwei Dritteln von Frauen bevorzugt. Einfach gesagt: Würden die Grünen nicht in parteiinterne demokratische Prozesse eingreifen, würde sich also das starke zahlenmäßige Übergewicht von Männern im Engagement an der Parteibasis auch in einem Übergewicht bei den Parteiposten ausprägen, dann könnte sich die Partie ihren Wählerinnen – auf die sie baut – nicht mehr erfolgsversprechend verkaufen. So hat die Frauenquote vor allem einen bedeutenden Werbewert: Sie schafft in der öffentlichen Präsentation der Partei die Illusion, Frauen würden mindestens im gleichen Maße wie Männer die Parteiarbeit tragen.
Ein tatsächliches Gleichgewicht aber ließe sich nur auf zwei Weisen erreichen: Entweder dadurch, dass sich immer mehr Männer aus der Politik verabschieden (das aber ist nicht ernsthaft gewollt, auch wenn es manchmal so aussieht), oder dadurch, dass bedeutend mehr Frauen sich engagieren. Statt diesen einfachen Zusammenhang deutlich zu machen, gaukelt die Quote Frauen vor, dass für ihre Interessen auch ohne ihr Engagement gesorgt sei und dass Männer verpflichtet wären, diese Aufgabe zu übernehmen. Das ist gleich in doppelter Weise unverantwortlich: Weil die Quotenpolitik bei eingelullten Frauen wie bei abgeschreckten Männern demokratisches Engagement verhindert und weil sie überlebte Geschlechterklischees betoniert.
Parteien als Institutionen zur Verhinderung von Demokratie
Die Quotenpolitik baut auf ein elitäres Demokratieverständnis – dass nämlich demokratische Prozesse vielleicht ganz schön und gut seien, dass sie aber gezüchtigt werden müssten, um zu gewährleisten, dass auch etwas Gutes bei ihnen herauskommt. Das ist problematisch nicht nur, weil so Parteipositionen auf sehr ungerechte Weise verteilt werden, sondern vor allem deswegen, weil diese Politik insgesamt den demokratischen Austausch in den Parteien verhindert. Auf der einen Seite konkurrieren relativ viele Männer um relativ wenige Posten, so dass unter den gegenwärtigen Bedingungen der deutschen Parteipolitik (unter denen jemand, der sich in irgend einer Weise angreifbar macht, kaum eine Chance hat) ein erheblicher Konformitätsdruck entsteht. Wer etwa offen gegen die Geschlechterpolitik der Partei opponiert, würde seine Chancen auf einen Aufstieg erheblich schmälern. Bei Frauen auf der anderen Seite gibt es auf vielen Ebenen sogar zu wenige Kandidatinnen für die zur Verfügung stehenden Posten, so dass hier eine demokratische Kontrolle weitgehend zurückgeschraubt wird. Es ist angesichts solcher Strukturen fast ausgeschlossen, dass einige kontroverse Themen etwa zur Geschlechterpolitik offen diskutiert werden können – selbst und gerade dann, wenn es um so schwerwiegende Probleme geht wie die Verletzung von Grund- und Menschenrechten durch die Politik der eigenen Partei. Ihrem demokratischen Auftrag, für den sie immerhin erhebliche Summen aus Steuermitteln erhalten, können die Quotenparteien so nicht gerecht werden.
Ganz im Gegenteil – sie werden regelrecht zu Institutionen der Verhinderung demokratischer Prozesse. Da das Engagement an der Basis zum überwiegenden Teil von Männern getragen wird, da die Quote aber gerade die Möglichkeiten von Männern wesentlich begrenzt, ist die Frauenquote ein Instrument, mit dem sich das Parteiestablishment gegen Impulse und Konkurrenten von der Basis schützen kann. Die Quote ist, wenn sie erst einmal eingeführt ist, eine sich selbst tragende und sich selbst reproduzierende Institution.
Dass das in Kauf zu nehmen sei, weil ja im Gegenzug Frauen gefördert würden, ist zudem ein fragwürdiges Argument. Schließlich verdanken die Quotenfrauen ihren relativ einfachen Zugriff auf einflussreiche Positionen eben gerade dem Missverhältnis, dass einer relativ großen Anzahl von Posten relativ wenige Kandidatinnen zur Verfügung stehen. Sie haben also ein starkes Interesse daran, Frauen eben nicht zu fördern. Möglicherweise sind gerade die Selbstverpflichtungen der rot-grünen Parteien auf feministische Verhärtungen, auf Quotenpolitik und die Ausgrenzung von Männerinteressen Bestandteil einer daraus folgenden Abschottungspolitik – nicht-feministischen Frauen werden in diesen Parteien Hürden aufgebaut, die geeignet sind, sie von einem Parteiengagement abzuhalten.
Ein klassisches Gegenargument gegen den Vorwurf, die Frauenquote sei undemokratisch, verweist darauf, dass durch die Quote demokratische Prozesse ja überhaupt erst ermöglich würden. Wenn es keine „kritische Masse“ von Frauen in der Partei und auf Parteipositionen gäbe, dann würden Frauen so weit marginalisiert, dass sie zu demokratischen Prozessen faktisch nichts beitragen könnten. Daher sei es wichtig, sie eine Weile durch die Quote zu unterstützen. Nach den Erfahrungen der Parteien mit der Quote lässt sich heute sicher sagen, dass dieses Argument irreführend ist. Die Quote ist nicht einfach eine Art politischer Aktivierungsenergie, die für begrenzte Zeit nötig wäre, um Frauen in Positionen der Handlungsfähigkeit zu bugsieren. Wenn die Quote erst einmal eingeführt ist, dann bleibt sie auch – sogar und gerade dann, wenn sie sich als sinnlos oder schädlich erwiesen hat. In der SPD beispielsweise war sie 1988 beim Parteitag in Münster nur unter der Bedingung einer zeitlichen Begrenzung überhaupt eingeführt worden – und diese Begrenzung wurde dann 2003 beim Parteitag in Bochum ohne weitere Diskussionen aufgehoben. Zu den Privilegien der Quotenprivilegierten gehört es eben auch, dass sie durch die Quote auf Machtpositionen geschoben werden, von denen aus sie Bedrohungen ihrer Privilegien abwehren können.
Warum aber haben die rot-grünen Parteien keine Angst davor, dass Männer von einem Engagement und einer Wahl abgeschreckt werden könnten? Anzunehmen, dass Männer schlicht rundweg von der Vernünftigkeit der Quotenpolitik überzeugt seien, ist angesichts der erheblichen Gründe gegen sie kaum zu erwarten. Diese Politk ergibt nur dann einen Sinn, wenn man ihr abermals ein überaus klischeehaftes Verständnis der Geschlechter unterstellt. Offenkundig baut sie darauf, dass Männer von allen möglichen Interessen – sei es das der sozialen Gerechtigkeit, des Umweltschutzes, des Atomausstiegs, des Mindestlohns oder anderes – geleitet seien und dafür die Quoten schlicht in Kauf nähmen, dass zugleich diese Quoten für Frauen aber ein erheblicher Wahlanreiz wären. Das bedeutet: Hinter der Quote steht die stillschweigende Annahme, dass Männer sich durch Gemeininteressen, Frauen sich aber nur durch Fraueninteressen engagieren ließen.
Aggressiv? Wer ist hier aggressiv?
Die Frauenquote schafft also in den Parteien Strukturen, die eine demokratische Diskussion verhindern und die bestimmte Themen – und das sind beispielsweise Themen der Männerrechtsbewegung – ausgrenzen. Auch vor diesem Hintergrund lässt sich daher argumentieren, dass Texte wie die vor Gesterkamp für die Ebert-Stiftung oder von Rosenbrock für die Böll-Stiftung eine Auseinandersetzung mit Männerrechten nicht einmal beabsichtigen, sondern dass ihr Zweck vorwiegend darin besteht, dysfunktionale Parteistrukturen durch die Abwehr möglicher Kritik zu stützen. Gerade weil die Frauenquote dirigistisch in demokratische Prozesse eingreift, sind immer weitere dirigistische Eingriffe und Ausgrenzungen nötig, um die so entstehenden Strukturen vor Veränderungen zu schützen. So zeigt sich denn in der Quotendiskussion aber eben auch, wie defensiv und vorsichtig die gern als aggressiv präsentierten Männerrechtler weiterhin agieren – während Frauenpolitikerinnen auch dann ausgesprochen offensiv, selbstbewusst und mit hoher Bereitschaft zur politischen Intrige operieren, wenn ihre Argumente fadenscheinig sind. Obwohl es eigentlich schon längst um die Abschaffung der Quoten in den politischen Parteien gehen müsste, haben Gegner und Gegnerinnen der Quote heute alle Hände voll damit zu tun, wenigstens zu verhindern, dass nun auch noch Wirtschaftsunternehmen auf die in der Politik gescheiteren Quoten verpflichtet werden.
Der Artikel ist zuerst auf man tau erschienen.