Sprache als Gesinnungstest

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Auf den Text über die „geschlechtergerechte Sprache“, den ich hier veröffentlicht hatte, bin ich noch mehrmals angesprochen worden. Schon in den Kommentaren hatte Matthias Mala ja darauf hingewiesen, dass es Universitäten gibt, an denen diese Sprache verbindlich ist. Meine eigene Ex-Universität in Göttingen gehört dazu.

Gewiss wird es immer noch im Ermessen von Dozenten liegen, inwieweit sie in Haus-, Examens- und Doktorarbeiten tatsächlich den Gebrauch geschlechtergerechter Sprache einfordern, aber immerhin: Diejenigen, die es tun, können sich mit dem Hinweis auf die offizielle Uni-Politik legitimieren.

Das sind keine Petitessen. Eine Freundin und Kollegin erzählte mir, dass sie im Studium mehrfach von Dozenten erheblich unter Druck gesetzt wurde, ihre Texte in geschlechtergerechter Sprache (die sie sinnlos fand und findet) zu verfassen, und dass ihr im Referendariat sogar eine Ausbilderin deutlich gemacht hätte, sie würde ihre Abschlussarbeit nicht annehmen, wenn diese nicht in geschlechtergerechter Sprache verfasst sei. Das hätte ihren Abschluss vorerst unmöglich gemacht. In den erheblichen Abhängigkeitsstrukturen des Lehramts-Referendariats sind solche Drohungen noch gravierender als an der Uni, wo Betroffene in vielen Fällen immerhin noch die Möglichkeit haben, sich andere Prüfer zu suchen. Wenn also auf diese Weise Einzelne unter Druck gesetzt werden, wenn ihnen mit schlechteren Noten und möglicherweise gar mit dem Ende ihrer Ausbildung gedroht wird, falls sie ihre Arbeiten nicht in „geschlechtergerechter Sprache“ verfassen – dann muss die wissenschaftliche Fundierung einer solchen Erwartung natürlich sehr strapazierfähig und überzeugend sein.

Nun hatte ich selbst im Hinblick auf zwei Beispiele von Befürwortern der „geschlechtergerechten Sprache“ – linguistische Experimente aus Texten von Anatol Stefanowitsch (Berlin) sowie Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny (Münster) – geschrieben, dass deren Belege in meinen Augen nur für diejenigen überzeugend seien, die schon überzeugt sind. Die Begründung dafür war ich allerdings schuldig geblieben – ich wollte mich in dem Text, der mir eh schon zu lang geraten war, nicht auch noch in spitzfindigen Auseinandersetzungen um empirische Sprachwissenschaft begeben. Da ich das aber nicht ganz zufriedenstellend fand, und da mich die Frage nach einer sauberen Begründung eines „geschlechtergerechten Sprachgebrauchs“ aus den oben skizzierten Gründen weiterhin interessiert, kehre ich noch einmal zu diesen Experimenten zurück. Dieser Text hier ist also, sozusagen, ein P.S. für Menschen mit special interests, nämlich mit Interesse an Diskussionen linguistischer Experimente.

Wie man Sprache und Gebrauchtwagen verkauft

Die Diskussionen um eine geschlechtergerechte Sprache beziehen sich meist auf das „generische Maskulinum“ – ein Begriff, der dafür steht, dass ein Wort zwar grammatikalisch männlich sei (Genus), aber sowohl auf Männer wie auf Frauen bezogen werden könne. Wenn überhaupt einmal sachliche Elemente für eine Ablehnung geschlechtergerechter Sprache genannt würden, dann seien dies, so Stefanowitsch: „1. Das ‚generische Maskulinum‘ sei nun einmal weit verbreitet und jeder wisse, dass Frauen hier eingeschlossen seien. Es sei deshalb albern/überflüssig/Teil eines Plans zur feministischen Weltherrschaft, auf sprachlichen Alternativen zu bestehen. 2. Geschlechtsneutrale und geschlechtergerechte Formulierungen seien umständlich und behinderten das Leseverständnis.

Obwohl Stefanowitsch damit eine Reihe von Argumenten unterschlägt und die übrig gebliebenen erkennbar nicht ernst nehmen kann, führt er doch einige Untersuchungen an, die in seinen Augen diese Einwände entkräften. Das ist im Hinblick auf den zweiten Punkt überraschender als im Hinblick auf den ersten – denn dass geschlechtergerechte Sprache die Verständlichkeit von Texten einschränke und Formulierungen komplizierter mache, ist an Beispielen wie dem folgenden aus einem Protokoll des Basler Gesundheitsdepartments augenfällig: „Damit wird der/die ‘beratende Arzt/Ärztin’ zum/zur ‘entscheidenden Arzt/Ärztin’. In bestimmten Situationen haben Patient/in und Arzt/Ärztin natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eines Bewusstlosen). Doch bereits die Entscheidung, ob ein vom Arzt/Ärztin empfohlener Wahleingriff durchgeführt werden soll, will der/die mündige Patient/in in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt der/die unmündige Patient/in seine/ihre Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass er/sie durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“ (zitiert nach Artur Brühlmeier, Sprachfeminismus in der Sackgasse) Hätte Stefanowitsch Recht, dann wäre an diesem Text lediglich fraglich, warum Bewusstlose im Basler Gesundheitsdepartment eigentlich immer nur männlich sein können – unübersichtlich wäre der Text nicht. Stefanowitsch beruft sich auf eine Studie von Friederike Braun et.al., nach der Formulierungen in geschlechtergerechter Sprache – Binnen-I, Beidnennungen – zwar subjektiv schwerer verständlich seien, Forschungen aber belegten, „dass geschlechtergerechte Texte ähnlich erfolgreich verarbeitet werden können wie Texte mit generisch maskulinen Bezeichnungen.“ (Braun et.al., S. 188) Der Eindruck, dass die Texte unverständlicher wären, entstünde allein durch einen unbedachten Gebrauch geschlechtergerechter Sprache.

Das ist so nicht plausibel – schon allein, weil Braun et.al. ihre Thesen an einem denkbar einfachen Text konstruieren, einer medizinischen Packungsbeilage, bei der nach ihren Forschungen eine geschlechtergerechte Version mindestens ebenso verständlich ist wie eine im generischen Maskulinum. Nun drückt aber eine Packungsbeilage für Tabletten eine einfache Relation aus, eine Beziehung eines Menschen zu Gegenständen, die ihrerseits gemeinhin ja nicht geschlechtergerecht bezeichnet werden müssen. Wesentlich schwerer verständlich aber werden nun einmal Texte, in denen verschiedene Gruppen von Menschen zueinander in Beziehung gesetzt werden (wie schon in dem oben zitierten Text, in dem der Autor oder eben auch die Autorin nach erschöpfenden Beidnennungen von Arzt/Ärztin und Patient/in irgendwann erschöpft aufgibt und den Bewusstlosen ganz einfach männlich bewusstlos sein lässt – hier hat schon eine Relation von nur zwei Gruppen die Verständlichkeit erheblich beschädigt). Braun et.al. agieren also wie ein Gebrauchtwagenhändler, der weiß, dass ein von ihm angepriesener Wagen zuverlässig nach wenigen Kilometern Fahrt zusammenbricht und der ihn seinen Kunden daher nur auf ganz kurzen Strecken vorführt.

Auch ein „besserer“ Gebrauch geschlechtergerechter Formulierungen hätte die Situation wohl kaum tatsächlich verbessert. Die wikipedia beruft sich beispielweise auf die ETH Zürich, die einen „kreativen“ Umgang mit geschlechtergerechten Formen empfiehlt, etwa den Gebrauch von Passiv-Formen und von abstrakten statt personenbezogenen Begriffen. Nun gelten dummerweise ausgerechnet der häufige Gebrauch des Passivs, der die Handelnden versteckt, und eine Flucht in abstrakte Formulierungen als schlechter Stil, der Texte unverständlicher und weniger dynamisch macht. Auch andere Möglichkeiten, mit „geschlechtergerechter Sprache“ umzugehen bzw. ihre Zwänge zu umgehen, haben offenkundige Nachteile. Es liegt nahe, sich (wie Braun et.al. das de facto tun) komplexe Zusammenhänge zu vereinfachen, weil nur einfache Strukturen, geschlechtergerecht zubereitet, auch verständlich bleiben. Als Referendar habe ich zudem, wie viele andere, regelmäßige Formulierungen wie „Schülerinnen und Schüler“ schlicht abgekürzt („SuS“) – mit der seltsamen Folge, dass damit gerade die vorgeblichen Hauptpersonen der Schule nur noch in abgekürzter Form auftauchen. Manche Studienseminare reagieren darauf wiederum tatsächlich mit dem Verbot der Abkürzung „SuS“, was natürlich eine putzige Logik ist: Wenn ein Verbot unerwünschte Konsequenzen hat, werden die ganz einfach auch verboten.

Die These lässt sich also nicht halten, dass die geschlechtergerechte Sprache keinen negativen Einfluss auf die Qualität von Texten, ihre Verständlichkeit, Flüssigkeit oder Komplexität habe. Wie aber steht es um Stefanowitschs andere Behauptung – dass es falsch sei, davon auszugehen, das generische Maskulinum würde allgemein Männer wie Frauen repräsentieren?

Warum eigentlich wird Angela Merkel nicht unsichtbar?

Eine grundlegende Untersuchung dazu hatten im Jahr 2001 Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny vorgelegt. Sie hatten Versuchspersonen – mal mit dem generischen Maskulinum, mal mit Beidnennungen oder dem Binnen-I – darum gebeten, konkrete Personen zu nennen, die ihnen zu einer bestimmten Frage einfielen. Etwa: „Welcher CDU-Politiker sollte ihrer Meinung nach bei den nächsten Bundestagswahlen für das Amt des Bundeskanzlers kandidieren?“ (S. 135) Sie stellten in drei unterschiedlichen Versuchsreihen und mit unterschiedlichen Vorgaben fest, dass jeweils weniger Frauen genannt wurden, wenn nur die maskuline Form in der Frage verwendet würde. Nach ihrer Meinung könne also der Gebrauch des generischen Maskulinums die Folge haben, „dass Frauen in geringerem Maße einbezogen und repräsentiert werden.“ (S. 137) Das mag sein, ist allerdings kein zwingender Schluss.

Einerseits ist offenkundig, dass die Versuche nicht allein den Sprachgebrauch von Menschen zum Gegenstand haben, sondern auch ihr Wissen über außersprachliche Zusammenhänge, etwa über die Politik. Hier gab es (wie übrigens Stahlberg/Sczesny selbst einräumen) im Jahre 2001 ja tatsächlich wenige CDU-Frauen, die sich als Bundeskanzlerin anboten. Nach mehreren Jahren Angela Merkel im Bundeskanzleramt ist sicherlich davon auszugehen, dass die Ergebnisse heute anders wären (wobei ich kurz darauf hinweisen möchte, dass dieser Satz durch die Bezeichnung „Bundeskanzleramt“, statt „Bundeskanzlerinnenamt“, wohl weder unverständlich noch absurd wurde …). Vor allem aber könnten auch die Verteidiger eines generischen Maskulinums mit den Ergebnissen von Stahlberg/Sczesny argumentieren. Das generische Maskulinum bezeichnet in ihren Augen ja schon die Gesamtheit der Menschen. Wenn nun in der sogenannten „Beidnennung“ (die eigentlich aus dieser Perspektive eine zusätzliche Sondernennung der Frauen ist) die Frauen dazu ein zweites Mal, und dieses Mal gesondert bezeichnet werden, dann könnte das von den Versuchspersonen als ein deutlicher Hinweis darauf interpretiert werden, dass doch bitte auch eine Frau in den Antworten erscheinen sollte. Nicht ein angebliches „Unsichtbarmachen“ von Frauen im generischen Maskulinum, sondern ihr gesondertes Hervorheben bei der Beidnennung sei also für die beobachteten Unterschiede verantwortlich. Wörter mit Binnen-I schließlich ließen sich, allein schon wegen der phonologischen Ähnlichkeit, ohnehin als eine quasi-feminine Formen interpretieren. – Vor diesem Hintergrund sind denn die Ergebnisse von Stahlberg/Sczesny tatsächlich überzeugend nur für diejenigen, die das Konzept des generischen Maskulinums ohnehin schon ablehnen.

Eine Ausnahme aber ist eine vierte Versuchsreihe – hier wurde das Maskulinum nicht nur mit Beidnennungen, sondern auch mit neutralen Formen konfrontiert: Stahlberg/Sczesny fragten nach literarischen Lieblingshelden (maskulin) bzw. Lieblingsfiguren (neutral). Auch bei der neutral formulierten Frage, nicht nur bei den Beidnennungen, seien mehr Frauen genannt worden als in den Fragen mit generischem Maskulinum. Dieser Effekt allerdings lässt sich unschwer auf eine ungünstige (bzw. für Stahlberg/Sczesny allzu günstige) Wortauswahl zurückführen. Bei dem Begriff „Held“ denken viele vermutlich nicht nur an „Protagonisten“, sondern auch an einen „Heros“, eine regelrecht prototypisch männliche Figur. Wenn also mit dem Begriff „Held“ mehr Menschen Männer assoziieren als mit dem Begriff „Figur“, dann ist das kaum zwingend auf das grammatische Geschlecht zurückzuführen.

Ein Experiment von Pascal Gygax et.al ist in Stefanowischs Augen methodisch ganz besonders solide. „Die Autor/innen dieser Studie überprüften die Interpretation von Maskulina, indem sie Versuchspersonen zunächst einen Satz mit einem (angeblich) „generischen“ Maskulinum, wie den in (1) auf einem Monitor präsentierten: (1) Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof. Nachdem die Versuchspersonen einen solchen Satz gelesen hatten, erschien entweder ein Satz wie der in (2) oder einer wie der in (3) (2) Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke. (3) Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Männer keine Jacke. Die Versuchspersonen mussten dann durch drücken einer Taste signalisieren, ob sie den zweiten Satz für eine ‚mögliche Fortsetzung‘ des ersten Satzes hielten oder nicht. Dabei wurde auch die Zeit gemessen, die sie für ihre Antwort benötigten.“

Die Versuchspersonen hätten größere Schwierigkeiten gehabt und längere Zeit gebraucht, die feminine Form als Fortsetzung des ersten Satzes zu interpretieren als die maskuline Form. Die Schlussfolgerung von Gygax und Stefanowitsch: Das „generische Maskulinum“ in Satz (1) benenne Männer deutlich stärker als Frauen.

Auch das ist so nicht zwingend. Hätte die Gruppe allein aus Frauen bestanden, dann wäre sie im Normalfall wohl schon im ersten Satz mit der weiblichen Form, „die Sozialarbeiterinnen“, bezeichnet worden. Das generische Maskulinum lässt sich für geschlechtergemischte Gruppen verwenden – bei Gruppen, die nur aus Frauen bestehen, ist seine Verwendung irritierend. Eben diese von ihnen selbst konstruierte Irritation aber haben Gygax et.al. gemessen. Ein Vergleichsbeispiel: „Es hatte sich gerade von seiner Freundin getrennt. Dann, als er gerade über die Straße ging, sah er sie.“ Es wäre gewiss irritierend, wenn nun folgende Fortsetzung käme: „Sie standen an der Straßenecke und rauchten, drei Jungen.“ Gemeinhin würde das „sie“ im ersten Teil vermutlich als feminine Form interpretiert – dass es tatsächlich auf eine Plural-Form bezogen ist, die zudem nur männliche Wesen bezeichnet, ist so nicht erwartbar. Das nun allerdings beweist keineswegs, dass die Form „sie“ als Plural-Form männliche Menschen „unsichtbar mache“ oder ausschlösse – es beweist lediglich, ganz wie Gygax’ Beispiel, dass eine missverständliche Formulierung zu Verständnisschwierigkeiten führen kann. Das ist sprachwissenschaftlich sicherlich eine wichtige, wenn auch möglicherweise nicht rundheraus überraschende Erkenntnis, sie sagt aber nichts über das generische Maskulinum aus.

Für Gott/Göttin und Kaiser_in

Als Lehrer, der in diesem System länger tätig ist, fällt es einem oft gar nicht mehr auf, wie weit man schon davon weg ist, die Kinder im Blick zu haben.“ Diesen Satz habe ich vor Kurzem in einem Buch von einer Frau gelesen, die sich durchaus sichtbar zu machen versteht – einem Text der Lehrerin Sabine Czerny, die mit der Landesschulbehörde Schwierigkeiten bekam, weil ihre Schüler zu gute Ergebnisse hatten. In einem Buch über diese Erfahrungen (Was wir unseren Kindern in der Schule antun…, München 2010, S. 149) formuliert sie diesen Satz, in dem sie sich ganz gewiss auch selbst beschreibt – aber eben nicht nur als Person, sondern in einer allgemeinen Funktion, mit dem Anspruch, dass es anderen (Frauen wie Männern) in dieser Funktion ähnlich ginge wie ihr. Eben das drückt sie mit dem generischen Maskulinum („als Lehrer“) aus.

Wäre Czerny noch im Referendariat oder im Studium, dann hätte sie diesen Satz bei vielen Ausbildern und Professoren nicht schreiben dürfen. Es gebe im Deutschen nach dem Stand der psycholinguistischen Forschung kein generisches Maskulinum, schreibt Stefanowitsch – „Wer das Gegenteil behaupten will, muss sehr gute Belege dafür vorbringen.“ Es ist eben andersherum: Gerade diejenigen, die andere auf eine vorgeblich „geschlechtergerechte Sprache“ verpflichten, müssen Belege dafür liefern, dass das generische Maskulinum – trotz einer Fülle von Gegenbeispielen – Frauen ausschlösse und dass dieser vorgebliche Ausschluss ein faktisches Verbot dieser grammatikalischen Form legitimiert.

Diejenigen, die ihre Grundannahmen teilen (dass es eine allgegenwärtige männliche Herrschaft gäbe, dass diese Herrschaft bis in die grammatikalischen Strukturen hinein auch die Sprache präge, dass diese Strukturen wiederum zur Reproduktion der Herrschaft beitrügen, etc.), finden die Argumente für eine „geschlechtergerechte Sprache“ vermutlich plausibel. Denjenigen aber, die diese Annahmen nicht teilen, wird es womöglich als verstiegen erscheinen, ein so umfassendes Patriarchat zu imaginieren, dass selbst grammatikalische Formen als Feinde behandelt werden müssen. Die „geschlechtergerechte Sprache“ hat in diesem Sinne weniger mit wissenschaftlichen Nachweisen als mit Glaubensinhalten zu tun.

Nun ist der Glaube sicherlich legitim, dass ein regelmäßiger Gebrauch „geschlechtergerechter“ sprachlicher Formen auch zu einer größeren Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern beitrage. Es ist aber offenkundig illegitim, institutionelle Machtpositionen zu missbrauchen, um anderen, Abhängigen den Rahmen dieser Glaubensstrukturen aufzuzwingen. Unter der Hand werden so Gesinnungsprüfungen etabliert – die Studenten oder Referendare müssen nachweisen, dass sie des rechten Geistes Kind sind. Damit setzt die Erwartung „geschlechtergerechter Sprache“ Traditionen fort, in denen es früher beispielsweise einmal obligatorisch war, Texte dem zuständigen Fürsten zu widmen oder rituell Gott und den Kaiser zu loben.

Der Artikel erschien zuerst auf man tau.

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