Antifeminismus zwischen Demagogie und Flirthilfe

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Da lese ich, im Zug sitzend, unschuldig auf meinem Laptop ein paar Texte zum Thema „Antifeminismus“, kämpfe mich zum Beispiel ohne Rücksicht auf mich selbst durch Rolf Pohls „Männer – das benachteiligte Geschlecht? Weiblichkeitsabwehr und Antifeminismus im Diskurs über die Krise der Männlichkeit“

und bleibe trotz des wikipedia-Artikels mit der großen Überschrift „Antifeminismus“ wach – und in der ganzen Zeit blickt mir zuerst die junge Frau rechts von mir, und auch die links über den Gang hinter mir beständig über die Schulter und zeigt sich hochinteressiert an dem, was ich da tue.

Das erzählt mir jedenfalls die Dame, die mir gegenübersitzt – sie hätte bei den Blicken gedacht, ich würde einen Porno schauen (obgleich der Vergleich Pohls und der wikipedia mit Pornographie natürlich ein wenig ehrabschneidend ist, auch wenn ich im Moment nicht genau weiß, für welche von beiden Seiten). Das nur mal als Tipp nebenbei – interessierte Lektüre von Antifeminismus-Texten könnte gegebenenfalls einen guten Gesprächsanlass bieten … ich weiß allerdings nicht recht, wohin das führt, ich habe es nicht ausprobiert.

Immerhin wird dadurch deutlich, dass der Begriff „Antifeminismus“ ausgesprochen attraktiv ist, wenn auch nicht ganz so deutlich ist, ob er dabei eher positive oder negative Emotionen auslöst. Der wikipedia-Artikel jedenfalls bastelt eher unschöne Parallelen, verknüpft den Antifeminismus und den Antisemitismus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts und zieht eine gerade Linie vom Widerstand gegen das Frauenwahlrecht zu Katharina Rutschky, die doch glatt Alice Schwarzers „Emma“ kritisiert habe.

Ismen, Anti-Ismen und die Kollaboration mit dem Feind

Der Bezug zum Antisemitismus ist natürlich demagogisch – insbesondere angesichts der Tatsache, dass damit schlankweg und ohne unnötige Scham auch „moderne Männerrechtler oder Maskulisten“ einbezogen werden. Gleichwohl hängt dieser Bezug mit einer Schwäche des Begriffs (der auch schon auf dem Blog Alles Evolution diskutiert wurde) zusammen – denn „Antifeminismus“ changiert ja tatsächlich zwischen verschiedenen Bedeutungen, die entweder durchaus vertretbar oder die schlicht bescheuert sind. Er könnte eine prinzipielle Gegnerschaft gegen Frauen bezeichnen und damit tatsächlich eine Parallelbildung zum Begriff „Antisemitismus“ sein, er könnte aber auch – dann eher als Parallelbildung zum „Antifaschismus“ – Name für die Gegnerschaft gegen eine inhumane Ideologie sein.

Doch auch diese positivere Deutung als Gegnerschaft gegen eine Ideologie erzeugt Probleme. Das Blog erzaehlimirnix setzt sich in einem Artikel mit Anti-ismen auseinander und zeigt, wie sie Routinen der Unterstellung hervorbringen.

„Das Gefühl ein Opfer zu sein in einer Welt voller gegen einen gerichteten -ismen verstärkt sich dadurch, dass alle mehrdeutigen Situationen als negativ wahrgenommen werden und jegliche Möglichkeit der Korrektur von Irrtümern ausgeschlossen wird.“

Das ist plausibel – wer sich selbst in der grundsätzlichen Gegnerschaft gegen eine bestimmte Weltanschauung oder Ideologie definiert, der hat eben ein Interesse daran, diese Gegnerschaft auch wieder und wieder zu begründen und den Anhängern dieser Ideologie abzusprechen, dass sie auch plausible Gründe für ihre Position haben könnten. Wo sich Ismen und Anti-Ismen ineinander verbeißen, gibt es nun einmal nur noch wenig Bewegungsspielraum, weil Kompromissbereitschaft und Wohlwollen als Kollaboration mit dem Feind erscheinen.

Feminismus, Antifeminismus und andere Täter-Opfer-Holzschnittarbeiten

Welche Gründe aber könnte es dann für eine  grundsätzliche Gegnerschaft zum Feminismus geben? Schließlich vertritt ihre Weltanschauung in den Augen von Feministinnen lediglich Positionen, die eigentlich jeder vernünftige Mensch vertreten würde – vor allem ein Bemühen um die Gleichberechtigung der Geschlechter.

Nun ist allerdings Gleichberechtigung keineswegs ein spezifisch feministisches Ziel – spezifisch ist lediglich, dass Feministinnen für Gleichberechtigung in aller Regel allein unter der Prämisse eintreten, dass es eine umfassende Männerherrschaft gäbe und dass „Gleichberechtigung“ daher grundsätzlich eine Stärkung von Frauenrechten bedeute. Damit verkehrt sich der Ruf nach Gleichberechtigung in den Ruf nach rechtlichen und politischen Privilegien, die behauptete oder tatsächliche Benachteiligungen auszugleichen hätten.

Eine unangenehme Konsequenz solcher Täter-Opfer-Holzschnittarbeiten ist es, dass sie den Startschuss für eine umfassende Opferkonkurrenz setzen –  wer sich überzeugender als andere als Opfer gesellschaftlicher Machtverhältnisse präsentiert, erwirbt sich damit auch mehr Ansprüche auf Hilfen und Unterstützungen.

Eine womöglich noch schlimmere Folge ist eine programmatische antidemokratische Intoleranz – wenn abweichende Positionen als „Täterpolitik“ identifiziert werden, dann reicht natürlich nicht die argumentative Auseinandersetzung mit ihnen, sondern dann muss im Interesse der „Opfer“ überhaupt die offene Äußerung nicht genehmer Meinungen verhindert werden. Die Krawalle, die regelmäßig bei Vorträgen Monika Ebelings angezettelt werden, sind dafür ebenso Beispiele wie die massiven, alle inhaltliche Auseinandersetzung vermeidenden, aber aus öffentlichen Mitteln finanzierten Diffamierungen von Männerrechtlern in Publikationen der grünen Böll-Stiftung oder der ARD.

Eine weitere beunruhigende Folge der Täter-Opfer-Holzschnitte ist die feministische Bejahung politischer Gewalt, die angesichts der eigenen Opferposition rundweg als Notwehr erscheint. Von den extremen Gewaltphantasien der feministischen Faschistin Valerie Solanas über akademische oder literarische Gewaltbejahung einer Mary Daly oder Sally Miller Gearhardt bis zu der massenmedial tauglichen Gewaltfreude Alice Schwarzers oder der Femen („Das Blut der Männer wird fließen“) – ganz unterschiedliche feministische Akteurinnen zeichnen sich gleichwohl gemeinsam durch eine große Sympathie für politisch und sexistisch motivierte Gewalt aus.

Wenn auch nicht alle Feministinnen sich diese Gewaltfreude zu eigen machen, verhalten sie sich ihr gegenüber doch durchweg gleichgültig – es gibt nirgendwo eine offene, selbstkritische Diskussion darüber. Auch offizielle politische Kampagnen, die auf feministischen Vorgaben fußen, führen regelrecht demonstrativ vor, dass Gewalt unproblematisch sei, sobald sie Männer trifft – ein Beispiel von vielen ist die Brandenburger Kampagne „Keine Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder“.

So gibt es also gute Gründe für eine grundsätzliche Kritik am Feminismus: seine Ablehnung von gleichen Rechten aller Menschen, seine Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und seine Nähe zu politisch und sexistisch motivierter Gewalt. Allerdings muss eben deshalb niemand „Antifeminist“ sein, um feministische Positionen grundsätzlich zu kritisieren – es genügt, demokratisch zu sein, Gewalt abzulehnen und die Universalität der Menschenrechte anzuerkennen.

Wenn andererseits eine Feministin gegen Verletzungen der Rechte aller Menschen eintritt, sich mit abweichenden Meinungen auseinandersetzt und Gewalt ablehnt – dann gibt es keinen Grund, ihr gegenüber eine radikal ablehnende Haltung einzunehmen. Ich würde sie möglicherweise fragen, warum sie sich überhaupt noch als „Feministin“ bezeichnet und wäre vermutlich in vielen Punkten anderer Ansicht als sie, trotzdem käme mir die Selbst-Definition als „Antifeminist“ in dieser Situation albern vor. Ich würde mich ja auch nicht als „Antichristdemokrat“ definieren, nur weil ich die Positionen der CDU in vielen Punkten nicht teile.

Der Begriff „Antifeminismus“ ist also zwar nicht skandalös, aber er ist entweder unnötig oder er ist sinnlos. Warum aber spielt er dann für Verteidiger feministischer Positionen trotzdem eine so zentrale Rolle?

Wie dem Professor Pohl die Welt abhanden kam (und andere Seltsamkeiten von Anti-Anti-Feministen)

Rolf Pohl, Soziologie-Professor in Hannover, entdeckt in seinem Aufsatz über „Weiblichkeitsabwehr und Antifeminismus“ am Beispiel eines ausgegrenzten Vaters einen „ideologischen Propagandafeldzug mit hohen projektiven Anteilen“. Seine Kritik an seiner Entsorgung als Vater

gipfelte in seiner Zustimmung zu der unsäglichen, den Nationalsozialismus und die Shoah verharmlosenden These, die Verantwortung für die NS-Verbrechen hätte letztendlich bei den Müttern der weitgehend vaterlos aufgewachsenen Täter gelegen.“ (S. 1)

Nun könnte Pohl ja einfach die Folgen der Vaterlosigkeit von Kindern überprüfen und würde dann womöglich feststellen, dass die These nicht absurd, aber einseitig ist – das aber erspart er sich durch die beliebige Behauptung, die Kritik verharmlose den Massenmord an den europäischen Juden. Diese Behauptung ergibt überhaupt nur unter der Voraussetzung Sinn, dass Massenmorde harmlos seien, wenn sie durch Frauen verursacht worden sind – und mit dieser Position steht Pohl wohl außerhalb eines extrem-feministischen Umfelds recht allein. Typisch für seinen ganzen Text aber ist die Weigerung, den sachlichen Gehalt von Äußerungen zu überprüfen.

Er listet beispielsweise die negativen Folgen auf, die Vaterlosigkeit nicht nur in den Augen von Väterrechtlern für Kinder haben (S. 3), erspart sich aber jede Auseinandersetzung damit – allein die Tatsache, dass hier „Kritik am Feminismus und an den Auswirkungen der Frauenbewegung“ geübt werde, reicht ihm aus, diese Kritik als unbegründet abzubuchen. Ob er sich über Benachteiligungen von Jungen in der Schule äußert (S. 6, 8), misandrische Klischees in den Medien (S. 7), Gewalt gegen Männer (S. 9) oder ob er der Erwerbsarbeit eine wesentliche Funktion für die „Konstitution der hegemonialen Männlichkeit“ (S. 12) zuschreibt, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, dass sie zuallererst eine Funktion für den Gelderwerb von Familien hat:

Nirgendwo überprüft er Thesen von „Männerrechtlern“ auf ihren sachlichen Gehalt, sondern sieht diese Thesen allein schon dadurch als widerlegt an, dass sie feministische Positionen kritisieren. Regelrecht verleumderisch präsentiert er Gerhard Amendts Forderung nach einer Umwandlung von Frauenhäusern in Zentren gegen familiäre Gewalt und unterstellt Amendt beliebig pornografische Fantasien, ohne zu merken, dass diese Fantasien seine eigenen sind:

Im Grunde wollen die Frauen ‚es‘ von den Männern so richtig ‚besorgt‘ kriegen.“ (S. 9)

In Pohls Kosmos äußern sich die Beteiligten einer Diskussion nicht über eine gemeinsam erfahrene Welt, und er kommt auch gar nicht auf die Idee, dass die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Äußerungen in dieser Welt auch überprüft werden könnte. Für ihn gibt es lediglich einen „Diskurs“, in dem sich Feministen und Antifeministen gegenüberstehen und in dem von Beginn an feststeht, wer moralisch und sachlich (was ohnehin irgendwie das Gleiche ist) im Recht ist.

„Antifeministen“ beziehen sich bei Pohl also prinzipiell nicht auf reale gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, sondern verteidigen lediglich ihre männliche Hegemonie und fühlen sich vom Weiblichen gerade deshalb bedroht, weil sie es machtgierig verdrängt hätten (S. 17) – er unterstellt den von ihm Diffamierten eben den Wirklichkeitsverlust, der sein eigenes Schreiben prägt. So wie Ilse Lenz und Hinrich Rosenbrock Männerrechtlern eine „Opferideologie“ unterschieben, so macht sich auch Pohl lustig über ein

scheinheiliges Gerede, mit dem ´der` Mann larmoyant zum beklagenswerten Opfer der als ´feminisiert` angeprangerten Verhältnisse stilisiert wird.“ (S. 21)

Auch das verzeichnet nicht nur die Positionen der politischen Gegner, auch hier entdeckt Pohl – wiederum im Gleichschritt mit Lenz und Rosenbrock – in diesen Gegnern eben die Fixierung auf den gesellschaftlichen Opferstatus, den er bei der eigenen Position nicht wahrnehmen möchte. Als „Opferideologie“ wird von ihnen schlicht jeder Zweifel an der feministischen Pole-Position in der gesamtgesellschaftlichen Opferkonkurrenz einsortiert.

Eine „antifeminine und antifeministische Gegenbewegung“ (S. 21) gegen Verluste männlicher „Hegemonie“, gerichtet also gleichermaßen gegen Frauen und gegen den Feminismus – das ist alles, was Pohl entdecken kann, wenn Menschen darauf bestehen, dass das Konzept der Menschenrechte Männer und Jungen ebenso einschließt wie Frauen und Mädchen.

Natürlich gibt es auch extreme, unvertretbare Positionen von Männerrechtlern. Der Unterschied zu feministischen Positionen ist aber, dass Männer schon klaren Widerspruch anderer Männerrechtler erhalten, wenn sie statt von Frauen von „Weibern“ sprechen, während feministische Texte über den Massenmord an allen Männern generationenübergreifend einen Status als Kultbücher erlangen. Während ikonische Feministinnen wie Schwarzer oder die Femen genüsslich Kastrationen von Männern herbeifantasieren können und der Feminismus in seiner allgemeinen Präsentation trotzdem als Bewegung für die Gleichberechtigung der Geschlechter beschönigt wird, werden heißlaufende Brachial-Maskulisten, die sich in irgendeinem Winkel des Internets ein Ende des Frauenwahlrechts herbeisehnen, von hochinteressierten Wissenschaftlern zu Repräsentanten der Männerrechtsbewegung stilisiert.

Der Begriff „Antifeminismus“ erweckt entsprechend den Eindruck, dass feministische Positionen weithin gesellschaftliche Normalität und eigentlich von allen geteilt seien und dass lediglich eine kleine wilde reaktionäre Gruppe von „Antifeministen“ daran noch etwas auszusetzen fände. Tatsächlich ist es eben andersherum. „Antifeminismus“ in der Verwendung von Pohl, aber viel prominenter noch von der grünen Böll-Stiftung und ihren massenmedialen Sprachrohren, ist ein demagogischer Begriff. Sein Ziel ist es, Positionen zu diffamieren, die im demokratischen, rechtsstaatlichen Spektrum nicht nur selbstverständlich, sondern unerlässlich sind: die Überzeugung, dass Menschenrechte unteilbar sind – den Einsatz für Meinungsfreiheit – und die Ablehnung politischer Gewalt.

Der Artikel erschien zuerst auf man tau.

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