Wladimir Putin, Barbie, Heidi Klum, Markus Lanz, nun also auch Kardinal Meisner. Die Femen kommen weit rum. Soll mal einer sagen, Frauen wüssten ihren Körper nicht einzusetzen.
Josephine Witt hat sich ausgezogen. Auf dem Altar des Kölner Doms. In der Weihnachtsmesse am 25. Dezember. Wir feiern die Geburt Jesu. Es war zudem der Geburtstag von Kardinal Meisner, der die Messe zelebrierte. Es sollte wohl ein ganz besonderer Geburtstagsgruß werden.
Fräulein Witt wollte damit gegen das Machtmonopol und die Ausgrenzung bestimmter Gruppen durch die katholische Kirche protestieren, gab sie diversen Medien anschließend zu Protokoll. Und da gerade Köln als Hochburg der Katholiken in Deutschland gelte und Meisner für eine sehr konservative Ausrichtung stehe, hat sie sich diese Messe ausgesucht.
Meisner reagierte souverän. Segnete den Altar neu ein und betete in der Messe für die junge Dame, die sich auf Englisch (die internationale Presse soll schließlich auch bedient werden) die Wörter „Ich bin Gott“ auf die nackten Brüste gemalt hatte und diese irrige Annahme auch laut in die Kirche brüllte. Gibt’s dagegen nicht auch etwas von Ratiopharm?
Nippelgate im Dom
Immerhin, wir wollen das wenigstens lobend erwähnen, auch diesmal alles richtig gemacht. Nackte Brüste ziehen einfach immer. Nippelgate im Dom, das gibt genug Presse. Zumal in einer Medienwelt, die von Bildern bestimmt wird. Waren die Ziele der weiblichen Exibitionist_Innen-Riege bislang eher internationaler Natur, so rückt Deutschland offenbar näher ins Visier für ihre Nackteinlagen. Ist ja auch viel einfacher und sicherer hier.
Während man in Russland Gefahr läuft, in Straflagern zu landen, oder in Tunesien auch mal einen Monat im Gefängnis sitzt, wie von Frau Witt schon erfolgreich erprobt, ist es in Deutschland risikoärmer. Hier stellt man einfach Strafanzeige gegen die Menschen, die einen dann gewaltsam vom Schauplatz tragen. Einer habe ihr in den Intimbereich getreten, sagte sie der „Bild“.
Ja wirklich, man hat ihr offenbar Unrecht angetan. Schließlich hätten die Herren, die sie schreiend und strampelnd aus der Kirche trugen auch einfach einmal höflich bitten können, ob es ihr nicht zu viele Umstände bereite, die Kirche wohl wieder zu verlassen. Ganz sicher wäre sie der Bitte doch nachgekommen. Schließlich hat sie doch gezeigt, dass ihr die Meinung der anwesenden gläubigen Männer und Frauen wirklich wichtig ist. Hat sie nicht auch irgendwie den Diskurs gesucht durch ihre nackte Ansprache auf dem Altar? Ein Herr aus der zweiten Reihe sah sich auch gleich angesprochen, eilte vor und verpasste ihr eine Ohrfeige. Ich nehme an, er braucht jetzt einen guten Anwalt. Kollege Schmitz? Haben Sie schon ein Mandat?
Zuspruch per Mausklick
Einfach war auch das Ziel katholische Kirche. Da sind die Claqueure sicherer. In den sozialen Netzwerken sind jetzt schon genug vorhanden mit unheimlich viel Verständnis. Mit vollem Magen vom Weihnachtsbraten und ausgeruht von den Festtagen, die man zwar nicht feiert, aber dennoch gerne nutzt, lässt sich der nackten Revolution gerne per Mausklick beipflichten.
Ja, die katholische Kirche ist immer ein gutes Ziel und wirklich einfacher als beispielsweise eine jüdische Synagoge. Zumal in Deutschland. Oder gar eine Moschee, da könnte man ja zum Frauenbild auch einiges sagen. Ob die Herrschaften dort auch so viel Verständnis hätten für eine Störung eines ihrer höchsten Feste und die Entweihung ihrer Räume und anschließend ein Gebet gesprochen hätten für sie? Mir fällt da spontan eher wieder Russland ein …
Ich bin Josephine Witt einst begegnet in einer TV-Runde. Sehr süß mit Blümchen im Haar. Das ist neben den nackten Brüsten ein Markenzeichen der Femen. Die Blumen fehlten auch nicht auf dem Foto, das mir vor ein paar Monaten eine 48-Stunden-Sperre bei Facebook einbrachte. Darauf eine Femen-Dame, die in einer Hand eine bluttriefende Sichel hielt und in der anderen die abgeschnittenen Eier eines Mannes. Sag’s durch die Blume … nur diese blutige Sichel störte doch ein bisschen die Ästhetik. Aber macht nichts, manche meiner Facebookfreunde hatten sie am Bildrand gar nicht entdeckt, sie waren in der Mitte an den Brüsten hängen geblieben.
Aufmerksamkeit, egal wie
Vor der Sendung hatte ich noch überlegt, ob Frau Witt wohl plant, sich auch in dieser TV-Aufzeichnung auszuziehen. Sie hat es nicht getan und ließ sich stattdessen von Alice Schwarzer den Arm tätscheln. Ja, der Nachwuchs ist endlich da. Nach der Sendung haben wir uns noch lange unterhalten. Auch über die katholische Kirche, der ich als Frau freiwillig beigetreten bin vor zwei Jahren und in der ich mir noch nie diskriminiert vorgekommen bin.
Sie hat es nicht verstanden. Sie hatte, fürchte ich, auch meinen Einwand, dass Brüste blank ziehen für die Würde der Frau in etwa einem Grillfest für die Einführung des Veggieday entspräche, ebenfalls nicht ganz verstanden. Was zählt, ist allein mediale Aufmerksamkeit. Egal mit welchen Mitteln. Und da sind wir wieder am Anfang. Blanke Brüste ziehen immer.
Sie erzählte, wie einfach die Aktion gegen Putin auf der Messe in Hannover war. Keine Kontrollen, gar nichts, einfach Eintrittskarte gekauft und dann im passenden Moment die Kleider vom Leib reißen, die so gewählt werden, dass man sich ihrer leicht entledigen kann. Wer will schon im Rollkragenpullover stecken bleiben, wenn Putins Leibwächter die Schusswaffen ziehen? Ja Mensch, was haben wir gelacht. Und wie praktisch die Bemalung auf dem Körper sei. Zitat: „Schilder kann man einem aus der Hand reißen, das kann keiner wegnehmen.“
Muss man sich mit den Femen politisch auseinandersetzen? Nein. Ich unterhalte mich gerne auf Augen-, nicht auf Brusthöhe. Ich kann mit Nackten auf dem Altar nichts anfangen. Und ich weiß auch gerne, mit wem ich es zu tun habe. Wer sind diese Frauen, wer finanziert sie? Die Philosophie-Studentin aus Hamburg, die mal so für eine Protestaktion nach Tunesien fliegt? Gerne wird von den Damen angegeben, sie würden durch Spenden und Verkauf von Merchandise-Artikeln finanziert. Wie viele T-Shirts mit Brustabdrücken muss man eigentlich verkaufen für einen Flug nach Tunesien? Und dann die Anwälte, was das alles kostet …
Ein deutsches Spendenkonto findet sich jedenfalls nicht auf der Homepage von Femen Deutschland. Gerne würde ich doch eine Spende los, damit die Damen sich eine Bluse kaufen können, schließlich ist doch Winter. Stattdessen im Impressum von Femen Deutschland ein Mann. Kostyantyn Bazanov, zusammen mit Leonid Garb im Vorstand des Rugolok e.V. Das sind jetzt schon zwei Männer. Wie, keine Frau? Kein Femen e.V.?
Abhängig und verängstigt?
Das passt zur der Femen-Dokumentation der australischen Filmemacherin Kitty Green, die jahrelang mit den Femen gereist ist und bei den Filmfestspielen in Venedig in diesem Jahr ihr Ergebnis präsentierte unter dem Titel „Die Ukraine ist kein Bordell“. Auch dort spielt ein Mann die Hauptrolle. Viktor Swjazkij, der sich selbst vor laufender Kamera als „Patriarch“ der Gruppe beschreibt. Die Mädchen selbst erzählen, wie er sie anschreit. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt in ihrer Filmkritik: „Er brüllt herum, erniedrigt seine Aktivistinnen, beschimpft sie für ihre Feigheit, erinnert sie an die Dollarzahlungen, die sie bekommen haben. Und die Frauen geben schließlich vor der Kamera zu, wie abhängig und verängstigt sie zum Teil sind, auf welche absurde Weise die interne Machtstruktur der Gruppe deren offizieller Ideologie widerspricht – eine verwendet sogar die Wörter „Sklavin“ und „Stockholm-Syndrom“.
Ach Mädchen, habt ihr das wirklich nötig? Männerfantasien zu bedienen und das als sexuelle Befreiung der Frau zu verkaufen? Ihr protestiert also gegen Heidi Klums Show, weil sie die Frau auf ihr Äußeres degradiert und zieht euch dafür nackt aus? Also noch mehr Nacktbilder von Frauen, die um die Welt gehen. Männer, die glotzen. Ja, da hattet ihr in Berlin vor dem Barbie-Haus doch wirklich der ganzen Familie was geboten. Während Mutti mit den Töchtern drinnen schminken war, konnte Vati draußen mit den Söhnen nackte Brüste gucken. Gruppensex-Aktionen vor laufender Kamera als politischer Protest? Das stellt ihr euch also als die selbstbestimmte Sexualität von Frauen vor? Immerhin, ihr habt erkannt, dass die weibliche Anatomie als Waffe einfach unschlagbar ist. Ihr habt aufs Neue bewiesen, dass Frauen in der Tat sehr gut in der Lage sind, ihren Körper und ihre Sexualität einzusetzen, wenn es ihnen nutzt. Wem nutzt ihr?
Der Artikel erschien zuerst in The European.
Birgit Kelle arbeitet als freie Journalistin und Autorin.
Sie wurde 1975 in Siebenbürgen, Rumänien, geboren und siedelte als Neunjährige mit ihrer Familie noch aus dem real existierenden Kommunismus nach Deutschland um.
In verschiedenen Landtagen und vor dem Familienausschuss des Deutschen Bundestages trat sie als Sachverständige für die Interessen von Müttern und Familie, sowie als Expertin im Themenkomplex Gender auf. Als regelmäßiger Gast in diversen Talksendungen im Deutschen Fernsehen zu den Themenfeldern Familien-, Frauen-, Genderpolitik und Feminismus-Kritik wurde sie einem breiten Publikum bekannt.