Gerhard Amendt im Interview mit MANNdat
Der Soziologe und Autor Prof. Gerhard Amandt ist Experte im Bereich Geschlechterpolitik und Geschlechterverhältnisse.
Er war an der Universität Bremen Professor am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung und hat die WHO in Familienplanungsfragen beraten. Wir haben ihn zu seinem neuen Buch „Von Höllenhunden und Himmelswesen“ interviewt.
Prof. Gerhard Amendt kämpft seit Jahren aktiv darum, Jungen, Väter und allgemein Männer gleichberechtigt mit ihren Anliegen und Belangen in die geschlechterpolitische Diskussion zu integrieren. Mit dieser Sichtweise eines geschlechterpolitischen Freidenkers geht Gerhard Amendt in Konfrontation zu fragwürdigen geschlechterpolitischen Weltanschauungen, die Geschlechterpolitik nur aus der Mädchen- und Frauenperspektive sehen und in der Jungen und Männer lediglich als Täter und Diskriminierungsfaktor für Mädchen und Frauen auftauchen. Das gilt auch für sein neuestes Buch „Von Höllenhunden und Himmelswesen“, das wir schon rezensiert haben.
Nicht zuletzt durch die Veröffentlichung der „Gewaltstudie“ gewinnt das Buch an Aktualität. Kritik erntete die Studie, weil darin eine Frau, die in ihrem Leben auch nur ein einziges Mal geschubst, vom Partner der Untreue verdächtigt oder mit einem Kommentar im Internet attackiert wurde, ebenso gleichwertig in der Statistik erscheint wie wenn sie täglich verprügelt würde. Neben dieser fragwürdigen Generierung von Gewaltopferzahlen wurde Gewalt gegen Jungen und Männer gar nicht erst betrachtet. Im Mittelalter wurden Männer, die von ihrer Frau verprügelt wurden, rücklings auf einen Esel gesetzt und zum Gespött der Leute durch das Dorf getrieben. Ohne Zweifel: Die Geschlechterpolitik, repräsentiert durch ein Heer von Gleichstellungsbeauftragten, Gender-Professorinnen und Geschlechterpolitikerinnen, ist, was Gewalt gegen Jungen und Männer betrifft, immer noch im Mittelalter stehen geblieben.
Prof. Gerhard Amendt stand uns für ein Interview zur Verfügung. Das Interview für MANNdat e.V. führte Dr. Bruno Köhler.
MANNdat: In den 70er Jahren haben Sie an der Gründung des Bremer Frauenhauses mitgeholfen. Heute engagieren Sie sich für Jungen- und Männeranliegen. Warum dieser Perspektivwechsel?
Prof. Gerhard Amendt: Ich habe schon früh den Puls der Zeit genommen und Entwicklungen gesehen, die andere noch nicht sehen konnten oder nicht sehen wollten. Das sind Fähigkeiten, die sich über meine Kindheit keineswegs freiwillig eingestellt haben, die ich später besonders als Wissenschaftler kultiviert habe. Das reichte vom Aufbau der Pro Familia, den ich in den 70er Jahren in Bremen betrieben habe, über die anfängliche Förderung des Bremer Frauenhauses bis hin zur Kritik der Frauenhäuser ein paar Jahre später und dem Plädoyer für Häuser für Familien, in den allen Mitgliedern Hilfe zukommt.
Darin verbirgt sich ein allmählicher Prozess, der die komplexen Wechselverhältnisse in Familien und Partnerschaften mikrosoziologisch aber eben auch psychoanalytisch verstehen möchte. Ich sehe keinen Perspektivenwechsel am Werk, sondern ein Dazulernen, das sich immer darum bemüht hat, die Welt nicht in Schuldige und Unschuldige zu unterteilen. Erfolgreich war das nicht immer auf den ersten Versuch. Insofern war das kein gradliniger Entwicklungsprozess.
MANNdat: Ihr neues Buch „Höllenhunde und Himmelswesen“ verstehen Sie als ein Plädoyer für eine neue Geschlechterdebatte. Warum brauchen wir eine neue Geschlechterdebatte und wie muss sich diese von der alten Geschlechterdebatte unterscheiden?
Prof. Gerhard Amendt: Diese Antwort ist sehr einfach. Wir haben uns in den letzten drei Jahrzehnten in eine Sackgasse treiben lassen, die uns daran hindert, Geschlechterbeziehungen zu verstehen. Wir finden uns mehr oder weniger damit ab, dass Männer herabgesetzt und Frauen verherrlicht werden. Denken Sie nur an die jüngste Untersuchung über Gewalt an Frauen durch eine EU-Kommission. Sie ist nicht nur schlampig gemacht, sondern eine Auftragsarbeit, um feministischen Projekten bis zum nächsten Weltfrauentag Legitimation zu verschaffen. Diese verkehrte Welt, in der nur Männer gewalttätig sind und Frauen vermeintlicherweise nur gewaltfrei, sie nutzt weder Frauen noch Männern. Sie vergiftet das gemeinsame Leben von beiden.
Wir leben in einer Welt, in der sich nicht nur die Technologie, sondern darauf beruhend auch die Beziehungen der Menschen untereinander und damit auch die von Frauen und Männern massiv verändern. Mit Feindbildern lassen sich dafür keine Lösungen finden. Lösungen können Männer und Frauen nur gemeinsam entwickeln. Das gilt für die individuellen wie die gesellschaftlichen Beziehungen. Das von Hass und Ärger verzerrte Gekreische „linker“ Frauen über Männer bringt uns keinen Millimeter voran.
MANNdat: Sie differenzieren in Ihrem Buch konsequent zwischen Feminismus und Frauenbewegung. Was sind die Unterschiede?
Prof. Gerhard Amendt: Die Frauenbewegung wollte Frauen stark machen. Sie wollte verschüttete, verleugnete oder gesellschaftlich unterdrückte Potentiale zum Leben erwecken. Es ging um Selbstermächtigung – um Empowerment. Der Feminismus hat diese emanzipatorische Perspektive aus bislang noch nicht analysierten Gründen sehr schnell auf einen Opferparcours umgeleitet. Das Leben von Frauen sollte als Existenz eines geschundenen Opferkollektivs wahrgenommen werden. Schuld seien daran die Männer, die sie in der Menschheitsgeschichte unterdrückt hätten. Als Opfern wurde Frauen eine Erlösung nahegelegt, die ihnen feministische Eliten bescheren, die den Staat für die Frauen einsetzen. Ein solches Beispiel ist die Frauenquote, die Frauen von der Leistungskonkurrenz freistellen soll. Stattdessen soll der Staat ihre Beförderung gesetzlich betreiben.
Was den Frauen bleiben sollte, war das Bewusstsein, Opfer zu sein, das sich um nichts mehr kümmern müsse, weil andere für es alles erledigen. Das ist das Gegenteil von Empowerment und Selbstbewußtein. Wenn man zurückblickt, dann fällt auf, dass der Feminismus die Welt zwar radikal verändern wollte, aber letztlich ließ er doch vielfach nur die alten Verhältnisse in neuer Gewandung wiederauferstehen. So wie im alten Geschlechterarrangement der Mann sich um die Dinge des Lebens außerhalb der Familie kümmerte, so soll jetzt der Staat das für Frauen in der Berufssphäre leisten. So endet der Verzicht auf Empowerment in der verordneten Opferpose.
MANNdat: Was waren aber dann die Triebkräfte für die faktischen Veränderungen sowohl für Frauen wie Männer?
Prof. Gerhard Amendt: Die Pille, die von Männern entwickelt wurde, die Möglichkeit zur Abtreibung seit 1976, die anfangs nur von Männern durchgeführt wurde, zum Beispiel in der Pro Familia Bremen und Hamburg, und die Öffnung des Bildungssystems in den 1970er Jahren, die vom Arbeitsmarkt erzwungen wurde. Und am wichtigsten, der Wille der Frauen, ihre Lebensperspektiven außer Haus aktiv zu erweitern.
MANNdat: Was ist unter dem Begriff „Verdammungsfeminismus“ zu verstehen?
Prof. Gerhard Amendt: Als Verdammungsfeminismus habe ich eine bestimmte Politik von Feministen bezeichnet, die nicht die komplexe Beziehungen zwischen den Geschlechtern im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Bedingungen verstehen wollen, sondern stattdessen es darauf angelegt hat, die jeweils vorfindbaren Arrangements als ein prinzipielles Verhältnis von Freunden und Feinden zu beschreiben. Die Polarisierung, die damit zwischen Männern und Frauen erreicht werden soll, beruht auf dem handgestrickten Modell, dass alle Männer Unterdrücker seien, als solche öffentlich verdammt gehören, weil sie nichts anders im Sinne hätten, als Frauen zu drangsalieren. Diese Art von Feminismus ist nicht an Veränderungen interessiert, sondern sie will Frauen als ewige Opfer und die Männer als ewige Täter beschreiben.
Wer die Männer verdammt, will keine Konfliktlösung, sondern nimmt selber Gewalttätigkeit als Mittel der Veränderung in Kauf. Der will sich die Frauen als Himmelswesen im Gegensatz zu den Männern als Höllenhunden erhalten. Das führe ich in meinem Buch an Beispielen aus.
MANNdat: Was macht die Politik, um diese Männertäter – Opferfrauen-Stereotypen aufzubrechen und zu überwinden?
Prof. Gerhard Amendt: Bislang lässt sich von der Politik, besonders im linken Spektrum sagen, dass sie die feministische Polarisierung, sprich Feindseligkeit, anheizt, wozu die Konservativen schweigen. Politik sieht sich weitgehend nicht als Beteiligte einer gesellschaftlich notwendigen Neuorganisation vielfältiger Geschlechterarrangements. Sie zieht es vor, durch Polarisierung sich damit zwar zu profilieren, aber bereits mittelfristig zeigt sich, dass diese machtpolitische Verschärfung von lösbaren Widersprüchen zwischen Männern und Frauen – wie vieles andere bereits – das Unbehagen von immer mehr Bürgern an der Politik verschärft. Vieles deutet darauf hin, dass wir wie in den USA auf eine schwerwiegende gesellschaftliche Polarisierung zutreiben, die Politik und Demokratie erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht.
MANNdat: Die Männer-Verdammungsrhetorik scheint übermächtig. Was können Männer tun, um dieser Verdammungsrhetorik entgegen zu wirken?
Prof. Gerhard Amendt: Die einfachste Antwort ist: Männer müssen sich wehren. Nur: Sie tun es nicht. Zumindest die meisten lassen alles beim Alten. Die alles entscheidende Frage ist deshalb: Warum wehren sie sich nicht? Es ist ein Paradox, dass sie sich gegen das wehren, was ihnen das Leben durchaus leichter machen würde. Um die Richtung einmal nur anzudeuten: Warum sagen Männer nicht, „Wenn Frauen beruflich tätig und erfolgreich sein wollen, warum treten wir dann nicht die Letztverantwortung für den Familienunterhalt ausdrücklich und lautstark an sie ab?“ Also: Zuständigkeit der Frauen auch zu Zeiten der Arbeitslosigkeit, ständige Neuqualifizierung am Arbeitsmarkt, Qualifikation für technische Innovation, die unser aller Wohlstand bislang begründet, und Arbeit, die gemacht werden muss, damit das ganze funktioniert? Warum lassen Männer Frauen die Wahl, wo sie arbeiten möchten, statt sie aufzufordern auch das zu tun, was weniger erbaulich ist? Die Selbstverständlichkeit, mit der Männer die Letztverantwortung für alles übernehmen, ist der Klotz an ihrem Bein und an ihrer Seele. Weil Männer das nicht wollen und nicht können, schweigen sie auch zur Quote. Hauptsache die Frauen sind zufrieden!
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Im Übrigen müssen sich auch Frauen gegen die Verdammungsrhetorik wehren. Unterlassen sie das, dann anerkennen sie die Verächtlichmachung ihrer Partner, Ehemänner, ihrer Väter wie Großväter und vor allem ihrer Söhne. Der Widerstand gegen die Verdammungsrhetorik kann letztlich nur eine gemeinsame Anstrengung von Männern und Frauen sein. Gegen die Verdammungslogik, die in subtilen Formen Einzug in die Welt der Schulbücher und des Unterrichts gehalten hat, können Väter und Mütter nur gemeinsam etwas erreichen. Dazu müssen sie auch die Bevorzugung ihrer Töchter, die zu Lasten ihrer Söhne geht, zurückweisen.
MANNdat: Sie fragen in Ihrem Buch „Denken die Männer zu wenig an sich selbst?“ Tun sie das?
Prof. Gerhard Amendt: Mir wird immer klarer, dass Männer sich selbst vernachlässigen, weil sie innerlich darauf geeicht sind, zuerst einmal an Frauen zu denken. Sie denken auch an sich, aber selbst dann ist es an die Frage gebunden, ob sie das im Dienste des Wohlbefindens von Frauen tun oder ob sie sich egoistisch über Frauenbelange hinwegsetzen. Dass es dazu keine Forschung gibt und auch keine geben wird, hat damit zu tun, dass damit alles in Frage gestellt würde, was Männer bislang von Frauen erpressbar macht und womit sie sich, nicht minder gewichtig, auch selbst unter Druck setzen und damit auf Glück und Zufriedenheit verzichten. Die Kultur der Schuldzuweisung, die die Grundform der meisten Feminismen bildet, würde ins Leere greifen. Dass die meisten Männer sich gegen die Schuldzuweisungen des Feminismus nicht wehren, bestätigt diese These.
MANNdat: Es gibt Bestrebungen, unter der K.O.-Floskel „Antifeminismus“ auch generell Feminismuskritik EU-weit strafrechtlich verfolgen zu lassen. Welche Konsequenzen erwarten Sie bei einem solchen Feminismuskritikverbot für die Liberalisierung der geschlechterpolitischen Debatte, für das Verhältnis zwischen Männern und Frauen und speziell auch für sich, als Kritiker einzelner feministischer Ansätze, und Ihre Arbeit selber?
Prof. Gerhard Amendt: Dieses obskure Ansinnen hat im Wesentlichen zwei Gründe. Faktisch machen die politischen Verhältnisse heutzutage eine offene Debatte über Geschlechterbeziehungen bereits unmöglich. Die Art wie Männer und Frauen ihre Beziehungen zum Guten wie zum Schlechten gestalten, lässt sich zum Beispiel in der Evangelischen Kirche (EKD), an linken Fakultäten der Universitäten und schon gar in den öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten nicht mehr diskutieren. Wer das wagt, beendet seine Karriere, egal ob Mann oder Frau. Da die Repräsentanten der politisch korrekten Sprachhülsen sich aber weitgehend im Ruhestand befinden, zeigt die politische Correctness Zerfallserscheinungen. Zumal in den Wissenschaften obendrein erörtert wird, ob Genderstudien einfach nur als Ideologie und eben nicht als Wissenschaftsdisziplin zu gelten haben.
Diese Diskussion soll abgewürgt werden, damit der „Genderismus“ wie ein leckes Schiff nicht untergeht, sondern auf trockenes Land aufsetzen kann, um so sein Untergehen zu vertuschen. Diese Tendenz verschärft sich obendrein, weil die tragenden Mythen über die „ach-so-bösen-Männer“ einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten, sondern sich als „gewollte Stümperei in politischer Absicht“ herausstellen. In den USA ist das bereits in vollem Gange. Der Zerfall der Mythen über „die Männer“ hat zwei gravierende Folgen für feministische Politik: Die ideologischen Grundlagen feministischer Politik entziehen der staatlichen Finanzierung die Rechtfertigung und, was noch folgenreicher ist, Frauen wehren sich dagegen, ganz besonders die jungen, durch selbsternannte Eliten zu einem Opferkollektiv verschweißt zu werden, das angeblich der Aufsicht und Förderung durch den Staat bedürfe. Das widerspricht dem Lebensgefühl und dem Selbstbewusstsein der meisten jungen Frauen. Und fallen erst einmal die Männermythen, dann schmilzt der Opferstatus wie Butter in der Sonne!
MANNdat: Haben Sie schon Repressalien erlebt, weil Sie sich auch feminismuskritisch äußern?
Prof. Gerhard Amendt: Über Beziehungsprobleme im Privaten zu diskutieren, fällt den meisten schon schwer und kann Ärger und Aggression auslösen. Öffentlich über Geschlechterarrangements in kritischer Absicht zu reden, hat sich hingegen in ein politisches Risiko verwandelt. Es löst zusehends immer häufiger Gewalt aus. Wir beobachten eine extrem beunruhigende Entwicklung. Kleine gewaltbereite Gruppen, die glauben, ihre politisch korrekte Meinung mit Gewalt durchsetzen zu dürfen, machen kritische Veranstaltungen fast unmöglich. Ich habe mich auf dem ersten Männerkongress an der Heinrich Heine Universität zwei Tage nur mit Bodyguards bewegen können, die der Rektor zu meiner Sicherheit und zur Gewährleistung von Wissenschafts- und Meinungsfreiheit eingesetzt hat. Ähnliches ist dem Militärhistoriker Creveld widerfahren, der Sozialpädagogin Monika Ebeling; und an der TU-Berlin hat sich unlängst die studentische Vertretung den Drohungen von linken Gruppen gebeugt, um die Diskussion der Frauenquote zu unterbinden, weil die Tugendwächter sich dadurch beleidigt fühlen würden. Dem Präsidenten der TU Berlin ist vorzuhalten, dass er diese Gruppen gewähren lässt und damit den Anfängen nicht wehrt. Es wird davor zurückgescheut, rechtsstaatlich legitimierte Gewalt einzusetzen, die den Erhalt der Freiheit letzlich sichern muss. Das ist ein Dilemma der linksliberalen Öffentlichkeit. Sie sind gegen jede Gewalt und weigern sich gegen demokratiefeindliche Tendenzen mit der legitimen Gewalt einer demokratischen Gesellschaft dagegen vorzugehen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass Gewalt etwas Fortschrittliches sein kann.
Ein wichtiger Aspekt. Die Aggressivität gegen geschlechterpolitische Freidenker schadet einer nachhaltigen Geschlechterpolitik. Wollen wir hoffen, dass endlich ein ehrlicher geschlechterpolitischer Diskurs in Gang kommt. Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview erschien zuerst auf MANNdat.