Eine ausgewogene Debatte über Immigration scheint derzeit kaum möglich. Dabei spielte sie eine zentrale Rolle für die Zukunft unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses.
Wie ist ein vernünftiger Umgang mit dem Thema Immigration möglich? Die Antwort, die hier gegeben wird lautet: indem zunächst alle Aspekte in gleicher Weise aufgegriffen und in ihrer Widersprüchlichkeit dargestellt und reflektiert werden. Daraus ergeben sich politische Handlungsoptionen, die politisch und moralisch abgewogen werden müssen, um zu Entscheidungen zu gelangen.
Es ist auffällig und bedenklich, dass die Sachverhalte und Probleme objektiver und subjektiver Art, die die Migration im allgemeinen und die Immigration im besonderen betreffen, in der öffentlichen Darstellung der Medien meist nicht analytisch und sachlich abgehandelt und diskutiert werden, sondern in einer schlecht moralisierenden Art und Weise, die statt zur Aufklärung zum emotionalisierten politischen Streit beiträgt. Und der schwächt die Urteilsfähigkeit.
Vielschichtige Sachverhalte und komplexe Probleme werden nicht nur nicht genügend differenziert betrachtet, sondern wichtige Unterscheidungen werden aus Nachlässigkeit oder gar aus Absicht verwischt, und eine vernünftige Urteilsbildung aus einer gewissen inneren Distanz wird durch moralisierende Feindbeschimpfungen und Diffamierungen ersetzt.
Man suggeriert, es sei vor aller Prüfung der Sachverhalte sowieso schon klar, wer hier die „richtige“ und wer die „falsche“ Sichtweise hat, nämlich „wir“ und nicht „jene“. Aber diese Darstellungsweise ist derart unzureichend, dass man kaum daran vorbeikommt, sie als Dummheit oder als Bosheit oder als politischen Zynismus zu bezeichnen.
Überhaupt scheint die öffentliche Diffamierung von Individuen und Gruppen bis hin zur Hetze ebenso wieder zum Stil- und Machtmittel medialer Politik geworden zu sein, wie das notorische Lügen, obwohl doch bekannt sein sollte, wozu und in welcher Art und Weise diese Mittel im 20. Jahrhundert eingesetzt und verwendet wurden. Die glücklicherweise noch vorkommenden hochwertigen journalistischen Beiträge ragen wie Leuchttürme aus diesem Meer der Mittelmäßigkeit mit seinen Untiefen des Schwindels hervor.
Was sollte verändert werden? Nun, es ist auffällig, dass die Schieflagen und ebenso hässlichen wie schädlichen Verzerrungen dadurch entstehen, dass es vermieden wird, eine inhaltliche Aussage, eine These oder ein Problem ernst zu nehmen und auf derselben Ebene nachvollziehbar zu beantworten oder zu kommentieren, und dass statt dessen auf eine Metaebene gewechselt wird. Aber es wird dann auf der Metaebene gerade nicht von den offenen und strittigen Fragen und den Problemen, sondern nur noch über sie geredet oder geschrieben, indem thematisiert wird, wer worüber schreibt, und vor allem aus welchen – angeblich niedrigen – Gesinnungen, Motiven und Haltungen heraus dies geschieht. Objektive Probleme werden auf diese Weise falsch subjektiviert.
Dieses Verfahren ist geeignet, jegliche inhaltliche Auseinandersetzung sowie jede sachliche Kritik dadurch zu vermeiden, dass auf Inhalte oder Widersprüche überhaupt nicht eingegangen wird, und indem statt dessen diejenigen, die sich geäußert haben, willkürlich oder nach Maßgabe eigener Vorurteile negativ etikettiert werden, was praktisch sehr häufig zur offenen Diffamierung und sogar zur Hetze wird.
Damit wird dann nicht nur die schlichte neutrale Information verweigert, sondern ebenso eine an sich wünschenswerte und notwendige inhaltliche Kommunikation blockiert, was den Vorteil hat, dass die eigenen inhaltlichen Schwächen verborgen bleiben. Genau das soll neben der Bekämpfung der anderen Meinung durch die Diffamierungstaktik erreicht werden.
Der dialogfeindliche Charakter dieses kommunikativen Handelns liegt auf der Hand; es ist das genaue Gegenteil der von Jürgen Habermas als ideales Ziel gewünschten kommunikativen Gemeinschaft. Erstaunlicherweise befleißigen sich eine große Zahl von Journalisten dieser dialogfeindlichen Praxis, und zwar zwecks Durchsetzung eines herrschaftlichen Diskurses im Sinn von Foucault. Es genügt ihnen, sich mit ihren ideologischen Vorurteilen oder mit von Chefredaktionen vorgegebenen Meinungen in Pseudokommunikationen durchzusetzen.
Das Ergebnis sind Vorurteile statt Urteile; die postmoderne Dekadenz schreitet voran; man freut sich über den „Fortschritt“. Die Leser aber merken das, hören auf, weiterhin Kunden der Verlagshäuser zu sein, und die Verleger schauen besorgt auf rückläufige Auflagezahlen. Sie sollten, wenn sie diese für sie fatale ökonomische Entwicklung ändern wollen, auf journalistische Seriosität und Qualität Wert legen. Siehe hierzu die exemplarischen Kritiken:
http://diestandard.at/2000009623047/Wer-hat-Angst-vorm-Genderismus
CollectIQ: Über feministische Desinformation und Propaganda
CollectIQ: Die Vorurteile der Feministinnen
CollectIQ: Gleichstellungspolitik und mediale Aushöhlung des Grundgesetzes
Die Bevölkerungspolitik und ihre Ziele
Bevölkerungen teilen sich bekanntlich immer in drei Teile. Erstens in die nachwachsende Generation, die erzogen und ausgebildet und auf die spätere Übernahme der gesellschaftlichen Arbeit vorbereitet wird, zweitens in die erwachsenen Menschen, die jeweils jetzt die gesellschaftliche Arbeit erbringen, die sich selbst fortpflanzen, und die, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, Kinder, Jugendliche und Alte mit ihrer Arbeit bzw. ihrem Einkommen versorgen, drittens in die alten Menschen, die keine gesellschaftliche Arbeit mehr leisten können, aber am gesellschaftlichen Leben noch mehr oder weniger teilhaben.
Die untere Grenze ist variabel aufgrund der Länge der Zeit der Ausbildung oder des Studiums, die den Zugang und Übergang in die Phase gesellschaftliche Arbeit eröffnen, und die obere Grenze ist ebenfalls variabel und hat wesentlich mit der gesundheits- oder altersbedingt abnehmenden Leistungsfähigkeit zu tun.
Es stellt sich dann die Frage, ob diese Alterstruktur sozial und ökonomisch in dem Sinne gleichgewichtig ist, dass kein Handlungsbedarf besteht, oder ob das nicht so ist. In diesem Fall braucht es eine Bevölkerungspolitik. Sofern es diese gibt, zeigt sich das daran, dass entsprechende Ziele verfolgt werden. So kann wahlweise eine wachsende, eine schrumpfende oder eine konstante Bevölkerung angestrebt werden.
In China gibt es zum Beispiel die bekannte Ein-Kind-Politik, durch die das Bevölkerungswachstum abgebremst werden soll. Ein konstante Bevölkerungszahl würde in China als bevölkerungspolitischer Erfolg gewertet werden, ebenso in Indien, weil es in beiden Ländern mit jeweils mehr als einer Milliarde Einwohnern darum geht, ein befürchtetes unkontrolliertes Bevölkerungswachstum zu bremsen.
In Europa, speziell in Deutschland, haben wir es aber umgekehrt mit einer abnehmenden Bevölkerungszahl zu tun, aber es werden nicht die für eine Bevölkerungskonstanz zu niedrigen Geburtenziffern pro Frau thematisiert, in Deutschland nur etwa 1,3 statt ca. 2,1 oder mehr, sondern es wird öffentlich nur das demographische Problem im Sinne einer Überalterung der Gesellschaft behandelt. Das ist auffällig. Denn dieses Problem gibt es zwar, aber es erklärt nicht, weshalb die statistische Geburtenziffer pro Frau nicht thematisiert wird, ebenso wenig wie die Zahl der Abtreibungen übrigens, und obwohl doch, wenn die Geburtenziffer anstiege, zum Beispiel durch eine hierfür förderliche Familienpolitik, das demographische Problem hierdurch relativiert oder gelöst werden würde. Das aber geschieht nicht. Warum nicht?
Offenbar ist die Politik aus unklaren Motiven bereit, diesem Schrumpfungsprozess nicht entgegenzuwirken, sondern ihn billigend in Kauf zu nehmen. Da in Deutschland die Familienpolitik parteiübergreifend von Frauen bestimmt wird, dürften die Gründe hierfür in der ideologisierten Frauenpolitik zu finden sein: Es geht dort einseitig um die Interessen berufstätigen Frauen.
Gelegentlich, aber nicht durchgehend, gewinnt man als Beobachter den Eindruck, dass dennoch eine annähernd konstante Bevölkerung angestrebt wird, und in diesem Fall ergibt sich logisch zwingend die Notwendigkeit der Immigration. Diese kann nun unterschiedlich motiviert und begründet sein.
1. Humanitäre Flüchtlingshilfe, zum Beispiel für Bürgerkriegsopfer, dürfte nach meiner Vermutung grundsätzlich unstrittig sein. Jedenfalls hoffe ich das. Dennoch heißt das nicht, dass sie unproblematisch ist, denn sie braucht, gute Absichten hin oder her, ebenso Ressourcen wie andere Formen der Immigration auch, zum Beispiel für die vorläufige Unterbringung, für Soforthilfen, dann für dauerhafte Wohnräume, für Sprachschulung, und für erste Arbeitsmöglichkeiten.
All das muss erst einmal aufgebracht oder bereitgestellt werden. Aber, ganz konkret, von wem? Es ist nicht redlich und schadet der Sache, wenn das verdeckt und verleugnet wird. Denn es ist schließlich sehr einfach, für Asyl zu sein, wenn andere, nur nicht man selbst, die damit verbundenen Lasten tragen müssen.
2. Die sogenannte Armutsimmigration ist auf der einen Seite grundsätzlich legitim. Man denke in diesem Zusammenhang an die große Auswanderung aus Deutschland in die Neue Welt während des 19. Jahrhunderts. Dass sie aber auf der anderen Seite als Problem wahrgenommen wird – oder doch so wahrgenommen werden kann, insbesondere, wenn die Immigranten aus anderen Kulturkreisen, etwa dem islamischen oder dem afrikanischen kommen -, ist offensichtlich. Und das ist insofern nicht unberechtigt, da die Immigranten aufgenommen und mit ihrem ganzen Leben und mit ihren Familien in die westeuropäischen Gesellschaften integriert werden müssen.
Es entstehen hierfür kurz- bis mittelfristig monetäre und nicht-monetäre Integrationskosten, die von der ansässigen Bevölkerung so oder so bezahlt werden bzw. getragen werden müssen, auch wenn die Immigration sich längerfristig sehr wohl als gesellschaftlicher Vorteil erweisen mag.
Daraus ergibt sich wahrscheinlich ein ökonomisch oder sozialpsychologisch begründeter Integrationswiderstand der Betroffenen. Denn die Integration gelingt einerseits oft, aber sie misslingt andererseits nicht selten, auch aufgrund kultureller Differenzen und besonders aufgrund des beiderseitigen Umgangs mit diesen Unterschieden. Die Auseinandersetzungen um das Tragen von Kopftüchern oder Burkas von muslimischen Frauen zeigen das beispielhaft. Man muss dabei bedenken, dass es dabei um die symbolischen Bedeutungen geht und nicht etwa um die Kleidungsstücke als solche.
Schließlich müssen selbstverständlich zumindest anfangs Ressourcen (materielle und immaterielle Kapazitäten) verfügbar sein, wobei es lokal zu Engpässen, zu Konkurrenzsituationen und zu sozialen Spannungen kommen kann, wobei bereits derartige Befürchtungen konfliktauslösend wirken können.
Daher stellt sich die Frage, wer die monetären und die nicht-monetären Kosten bzw. Nachteile trägt, und ob diese Kostenübernahme freiwillig oder unfreiwillig erfolgt. Im zuletzt genannten Fall – nämlich bei unfreiwilliger Kostenübernahme – dürften Unmut und Widerstand niemanden überraschen. Dasselbe gilt für kulturell bedingte soziale Spannungen, insbesondere dann, wenn statt einer Anpassung die kulturelle Differenz seitens der Immigranten offensiv gegen die Einwanderungsgesellschaft gewendet wird, bis hin zur Entstehung von parallelgesellschaftlichen Milieus.
In all diesen Fällen ist aber die nicht nur in der Presse häufig zu beobachtende moralisierende Umgehensweise mit dem Thema völlig unzureichend und sogar schädlich. Dies schon deshalb, weil sie mit einem Reflexionsverzicht einhergeht. Aber gerade nüchterne Reflexion ist besonders notwendig.
Europäische Minderheitenpolitik
Ein besonderes Thema ist in diesem Zusammenhang die innereuropäische Minderheitenpolitik, speziell mit Blick auf die traditionell als Zigeuner bezeichneten und zeitweilig auf das Schwerste verfolgten Bevölkerungsgruppen. Denn diese müssten vielfach erst einmal sozial integriert und dafür aus ihrer bereits langfristig bestehenden sozialen Isolation und den damit verbundenen unwürdigen Lebensverhältnissen geholt werden. Und das ist aus historischen Gründen ein sehr schwieriges Problem. Die EU wäre bei dieser großen Aufgabe wirklich gefordert, es mit langem Atem in enger Kooperation mit den den hauptsächlich betroffenen Ländern Südosteuropas vor Ort zu lösen, und zwar in einer Entwicklungsperspektive, die mehrere Generationen, vermutlich 3 – 4, übergreifen müsste und die zugleich die betroffenen Menschen als Akteure und Subjekte einbeziehen sollte: Sozialisation, Ausbildung, Bildung, Arbeit und Wohnung sind dabei die Stichworte.
Solange es seitens der europäischen Politik versäumt wird, dieses komplizierte und seit langem bestehende Integrationsproblem so anzugehen, dass wenigstens in der langfristigen Perspektive eine Lösung erwartet werden kann, braucht niemand sich darüber zu wundern, dass es in allen europäischen Ländern immer wieder zu Konflikten mit oder wegen dieser Minderheit kommt. Eine Fortsetzung der Ausgrenzung dieser Minderheit aber wäre inhuman.
Europäische Afrikapolitik
Die großen Notlagen in vielen Ländern Afrikas stellt die EU vor besondere Herausforderungen, denn diese Notlagen sind zwar nicht immer, aber doch nicht selten direkt oder indirekt durch die europäische Afrikapolitik im weiten Sinne verursacht worden. Wenn zum Beispiel die EU den afrikanischen Fischern die Fische ihrer Gewässer wegfängt: Wie sollen diese Menschen dann überleben?
Könnten die Menschen dort ohne Not und mit einer Entwicklungschance leben, dann würden sie schwerlich nach Europa auswandern wollen, einerlei ob legal oder illegal. Wie gewaltig groß muss der Elendsdruck sein, dass Männer, Frauen und Kinder ihr Leben riskieren, um ihm zu entkommen? Und um dabei nicht selten den Tod im Mittelmeer zu finden? Allerdings müssen hierbei zugleich auch falsche oder unerwünschte Anreize zur illegalen Immigration in den Blick genommen werden, ebenso wie Schleuserkriminalität.
Jedenfalls müsste die europäische Afrikapolitik selbstkritisch beleuchtet und diskutiert und ggf. verändert werden. Davon aber hört und liest man nichts. Also ist das der Punkt, der dringend auf die politische Agenda Europas gehört. Wenn die EU ihre Afrikapolitik nicht ernsthaft daraus ausrichtet und auch gegen eigene kurzfristige wirtschaftliche Interessen darauf hinwirkt, dass die afrikanischen Länder den Menschen dieser Länder eine realistische Chance in Gegenwart und Zukunft geben können, dann wird die Auswanderung in Richtung Europa in der derzeitigen Art und Weise nicht aufgehalten werden können. Die aber muss – ansetzend an der Ursachen – beendet werden.
Afrika braucht Entwicklungspfade, die die eigenen Produktivkräfte freisetzen, und das wäre, nicht nur von der EU, politisch zu fördern. Ein sich gesellschaftlich und ökonomisch positiv entwickelndes Afrika könnte zukünftig für Europa so viele Chancen bieten, wie das heute in China der Fall ist. Nur wenige haben sich seinerzeit vorstellen können, welche enormen, überwiegend positiven Wirkungen innerhalb weniger Jahrzehnte von den Reformen Deng´s in China ausgehen sollten. Es mag sein, dass Afrika deutlich mehr Zeit braucht. Aber die europäische Politik sollte sich im eigenen langfristigen Interesse umorientieren: weg von einer Nutzungs- und Abgrenzungs-haltung, und hin zu einer fördernden Kooperationshaltung. Das geht jedoch nur, wenn auf Seiten der kurz- bis mittelfristigen Interessen Verzicht geleistet wird.
Wenig veranschaulicht die bisherige und zu überwindende Haltung der EU und Nordamerikas zu Afrika besser als die derzeitige Ebola-Epidemie. Die Gleichgültigkeit ihr gegenüber war solange offensichtlich, bis sie auf andere Kontinente überzuspringen drohte. Dann, erst dann wurde gehandelt. Und das ist nicht weniger als eine Schande.
Immigration und Arbeitsmarkt
Prinzipiell dürfte gegen vernünftige und angemessene Auswahlkriterien für die Immigration von Nicht-Flüchtlingen kaum etwas einzuwenden sein; andere Einwanderungsländer verfügen seit langem darüber. Gibt es diese? Wenn nicht, warum nicht?
Hier kommen die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ins Spiel. Aus Sicht der Nachfrager nach Arbeitskräften wird man erstens nur solche Immigranten gerne aufnehmen und integrieren, die hier gebraucht werden. Zweitens wird ein Überhang an Arbeitskräften von dieser Seite generell gern gesehen und angestrebt, weil dadurch ein erwünschter Druck auf das Lohnniveau entsteht. Das aber steht im Widerspruch zu den Interessen der Lohnempfänger, die aus ihrer Perspektive ein ökonomisches Motiv haben, Zuwanderung nicht zu begrüßen. Und es ist daher legitim, wenn sie diesem ihrem Interesse in angemessener Form Ausdruck verleihen.
Hierbei spielt eine Rolle, dass der technologische Fortschritt, indem er die Arbeitsproduktivität steigert, erhebliche Freisetzungseffekte mit sich bringt, die ohne hinreichendes Wachstum nicht kompensiert werden können. So findet sich ein tendenziell steigender Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung in einer Lage wieder, in der ihre Arbeitskraft unverkäuflich wird. Das trifft diejenigen, deren Arbeitskraft dauerhaft durch Maschinerie – einschließlich der Informationstechnologie – ersetzt werden kann.
Das Ergebnis der immer weiter steigenden Arbeitsproduktivität ist eine Dauerarbeitslosigkeit, die nicht durch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bekämpft wird, so dass der dadurch strukturell verfestigten Arbeitslosigkeit wegen einer zugleich gestiegenen Arbeitsintensität eine besonders beanspruchte und belastete Arbeitsbevölkerung gegenüber steht. Das entspricht recht genau dem, was aus theoretischer Sicht zu erwarten ist. Wollte man hier neue Wege gehen, dann wäre eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung ins Auge zu fassen, die zugleich Probleme wie die widersprüchlichen Anforderungen von Beruf und Familie entschärfen könnte. André Gorz hat bereits vor Jahrzehnten in seinen Publikationen darauf hingewiesen.
Der Artikel erschien zuerst auf Le Bohemien.
Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.