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Die vielzitierte „Gläserne Decke“, die besagt, dass Frauen auf ihrem Karriereweg (von Männern) behindert würden, ist ein Mythos – auch wenn deutlich weniger Frauen in Top-Positionen zu finden sind. Die Vorstellung von benachteiligten und unterdrückten Frauen einerseits und bestens verdienenden Männern, denen ein „roter Teppich“ für ihren Aufstieg an die Spitze gelegt wird, hält einer objektiven Betrachtung nicht stand: Gleichberechtigung und Chancengleichheit sind längst erreicht.
Gleichberechtigung heißt, dass es Rechte gibt, die man wahrnehmen kann oder auch nicht. Sonst wäre ja auch das Scheidungsrecht erst dann erfüllt, wenn alle geschieden wären oder wenn Trennungen genau zur Hälfte von Männern und Frauen beantragt würden.
In der jetzigen Debatte um die Top-Positionen geht es um die Forderung, dass alles 50 zu 50 aufgeteilt wird und die Chancen durch den Zwang zur statistischen Gleichheit ersetzt werden. Wieviel Prozente der Aufsichtsräte weiblich sind, hat jedoch nur wenig mit Gerechtigkeit zu tun. Da es beispielsweise wesentlich mehr erfolglose Männer als erfolgreiche gibt, könnte man auch die nicht so machtorientierten Männer genauso fördern wie Frauen, denn auch sie sitzen unter der gläsernen Decke fest. Dies geschieht aber nicht, weil derzeit das Geschlecht als einziger Faktor für Gerechtigkeit zählt.
Erfolg im Beruf beruht jedoch nicht wie oft behauptet auf der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, sondern vielmehr auf dem Vorhandensein gewisser, relevanter persönlicher Eigenschaften. Um einen Vergleich aus dem Sport zu bemühen: z. B. dem „Zug zum Tor“. Dieser Biss, diese Bereitschaft, dieses Konkurrenz- und Risikoverhalten wurden bisher als männliche Eigenschaften definiert – was aufgrund der traditionellen Rollenverteilung verständlich ist –, aber nicht so bleiben muss. Wer allerdings die Spielregeln nicht versteht und das Spiel nicht richtig spielt, kann auch nicht gewinnen, egal ob es sich um einen Mann handelt oder um eine Frau.
Dass Männer weibliche Leistungsträger behindern, ist nicht zu verifizieren. Es entsteht jedoch der Eindruck, dass viele Frauen den Stress, das Risiko und die Verantwortung einer Top-Position nicht auf sich nehmen wollen, weil sie neben dem Beruf noch andere zentrale Interessen haben – das sind vor allem Familie und Kinder, für die sie auch ausreichend Zeit haben wollen. Sie führen sich die Konsequenzen einer Beförderung für ihre Lebensqualität viel genauer vor Augen als Männer und erkennen, dass für die Kindererziehung auch tatsächlich Zeit und Engagement notwendig sind, dass das nur mit Organisation allein nicht zu schaffen ist.
Ein weiterer Grund, warum Frauen oft subjektiv empfinden, dass sie es schwerer haben, ist das mangelnde Verständnis der Spielregeln ihrer Organisation und der neoliberalen Gesellschaft im Allgemeinen. Sie und ihre politischen VertreterInnen sprechen dann von struktureller Macht und meinen, dass diese Regeln von Männern für Männer gemacht worden wären. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende Fehlannahme, denn diese Regeln sind dazu da, um die Erreichung konkreter Unternehmensziele zu unterstützen. Dass sie selbst nur wenig ändern können, und dass es keinen „weiblichen“ oder männlichen“ Führungsstil gibt, sondern nur einen, der wirkt, müssen viele Frauen in Entscheidungspositionen schmerzlich erfahren, wenn sie mit ihren Idealen scheitern. Wesentlich ist, dass die Frauenpolitik die Spielregeln der Marktwirtschaft nicht grundsätzlich ändern kann, ob mit oder ohne Quote – was zählt, ist der Wettbewerb.
Und Karriere ist auch eine Frage der Generationen. Bei den unter 35-Jährigen gibt es bei Männern wie bei Frauen zwei Kategorien: Da sind weiterhin die gut ausgebildeten, gut vernetzten und ehrgeizigen Männer, die als High Potentials einen raschen Aufstieg in Wirtschaft und Politik schaffen. Sie werden einerseits bewundert, andererseits durch die neuen Anforderungen von Halbe-Halbe extrem unter Druck gesetzt. Dann gibt es eine wachsende Zahl an sozial orientierten, sanften Männern, deren Verhalten nicht dem traditionellen Rollenbild entspricht und die viel Zeit für die Familie verwenden wollen. Die werden es in der klassischen Karriere nicht ganz nach oben schaffen – was nicht bedeutet, dass sie nicht ein erfolgreiches und erfülltes Leben führen können. Sie gelten einerseits als Vorbilder, anderseits werden sie auch belächelt.
Die Gruppe der aufstiegswilligen, karriereorientierten jungen Frauen, die zwei Studien absolviert haben und vier Sprachen sprechen, versteht die Forderung nach Quoten überhaupt nicht. Diese jungen Frauen sind bereits mit den Spielregeln dieser neuen Welt vertraut, sie sehen Chancen und nehmen diese auch wahr. Die andere Gruppe sind jene Frauen, die sich laut trauen zu sagen: Ich möchte Familie, Haus und Garten und will mich jetzt fünf Jahre lang um die Kinder kümmern, mit ihnen lernen und spielen. Beide Gruppen von jungen Frauen haben in der Öffentlichkeit ein Problem. Die einen werden als Rabenmütter bezeichnet, die anderen als Gluckenmütter.
Männer möchten ihre Kinder miterziehen und nehmen dafür auch Karrierebrüche in Kauf. Es ist noch nicht die Mehrheit der Männer, aber es werden immer mehr. Und es ist nicht so, dass man die Männer dazu drängen müsste. Und jene, die man beispielsweise mit verpflichtenden Karenzzeiten oder Quoten für Kleinkindpädagogen dazu zwingen müsste, die sollten ohnedies besser nicht beim Kind sein. Das gilt übrigens ebenso für Frauen, die man mit Quoten in Führungspositionen hinaufheben muss. Auch die sollten besser kein Unternehmen führen. Das ist zurzeit das Paradoxe an unserer Gesellschaft: Sie fordert zwar sehr viel Freiheit, bewertet freie Lebensentwürfe dann aber negativ.
Und auch die Frage nach Vereinbarung von Beruf und Familie wird politisch falsch diskutiert. Zum einen, weil neben der Kinderbetreuung auch die große Problematik der Altenbetreuung und Pflege auf uns zukommt. Zum anderen, weil die Teilzeitfrage nicht nur für Frauen, sondern zunehmend auch für Männer existiert. Wenn Männer wie von der Frauenpolitik gefordert zweimal in Karenz gehen und Teilzeit arbeiten, dann werden auch sie in der Altersarmut enden und das Einkommensniveau der Familie wird drastisch sinken – man sieht: Auch das ist kein Geschlechterthema! Was man viel dringender als Quoten für Aufsichtsrätinnen fordern müsste, ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, erst dann ließen sich für beide Geschlechter Beruf, Familie und Selbstentwicklung realisieren.
In der Zwischenzeit kann man jedoch auch gut auf eine Bevorzugung von Frauen pochen und die Frauenkarte ausspielen, wenn es der Karriere hilft. Die Frage der Förderung beziehungsweise Bevorzugung von Frauen wird sich allerdings in den nächsten Jahren sehr stark relativieren, weil es sich dabei letztlich um eine Ungleichbehandlung handelt, und diese werden sich die Männer nicht mehr länger gefallen lassen. Darüber hinaus werden ohnedies – mit oder ohne Quote – mehr Frauen in Führungspositionen kommen, weil gut ausgebildete, ehrgeizige Frauen unaufhaltsam nach oben streben und sich Macht-Kompetenz im Umgang mit den Spielregeln selbst aneignen. Sie lassen sich vom Anspruch, dass sie die „besseren Chefs“ sein sollen oder dass sie besonders weiblich führen sollten, nicht mehr irritieren, denn sie müssen die Unternehmensziele genauso erreichen wie Männer.
Ganz allgemein möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass die Quotendebatte nur ein Luxusthema für eine verschwindende Minderheit ist, denn der wesentlich größere Teil der Frauen – und auch der Männer – muss sich täglich am Arbeitsplatz in ganz banalen Dingen durchsetzen. Sie erhalten für ihre Arbeit einen zu geringen Lohn oder finden keine entsprechende Stelle. Da geht es nicht selten ums wirtschaftliche Überleben. Quoten und andere Formen der Frauenförderung führen zu einer Spaltung zwischen Männern und Frauen – so als würde der Geschlechterkampf genauso funktionieren wie der Arbeitskampf. Doch die Frau Abteilungsleiterin ist in ihren Interessen dem Herrn Bereichsleiter näher als ihrer weiblichen Reinigungskraft. Daher müsste man weit vor der Geschlechterfrage die soziale Frage stellen, für eine gerechtere Einkommensverteilung und die Freiheit für unterschiedliche Lebensentwürfe kämpfen.
Dieser Beitrag wurde erstmals im Global View 2/2014 veröffentlicht.
Kurzbio
Christine Bauer-Jelinek ist renommierter Wirtschaftscoach; Seminarleiterin und internationale Referentin für Macht-Kompetenz; Gastdozentin an der Donau-Universität Krems; Vorstandsmitglied im Club of Vienna; Bestsellerautorin ua „Die geheimen Spielregeln der Macht“; www.bauer-jelinek.at
Christine Bauer-Jelinek zählt zu den Pionieren des Coachings und begleitet Menschen bei Karrieren, Krisen und Neuanfängen. Zu ihren Klienten zählen Entscheidungsträger/innen aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik; Funktionäre/innen von Interessensvertretungen und Non Profit Organisationen; Gründer/innen und Unternehmer/innen. Sie ist Expertin für Mechanismen der Macht und deren Gender-Aspekte sowie für Trends der gesellschaftlichen Entwicklung.
In ihren Seminaren und internationalen Vorträgen vermittelt Christine Bauer-Jelinek effiziente Methoden zur Steigerung der Macht-Kompetenz in der Mitarbeiterführung, bei schwierigen Verhandlungen mit Vorgesetzten, Behörden und Kunden sowie Strategien zur Durchsetzung von Zielen und zur Abwehr von Übergriffen unter Beachtung von Ethik und Verantwortung.
Publikationen:
– Der falsche Feind – Schuld sind nicht die Männer, ecowin
– Die helle und die dunkle Seite der Macht, ecowin
– Die geheimen Spielregeln der Macht, ecowin (Jahresbestseller und Buchliebling)
– Business-Krieger – Überleben in Zeiten der Globalisierung, Manz/ÖVG
– Studie: Verteilung der aktuellen gesellschaftlichen Partizipation zwischen Frauen und Männern (Feminismus, Maskulinismus, Geschlechterlohnlücke), Club of Vienna 2014