“Der Klimawandel? Erfunden. Die Evolution? Eine Lüge. Gleichberechtigung von Mann und Frau? Emanzen-Quatsch. Reaktionäre ignorieren alle Fakten. Applaus ist ihnen dennoch sicher”, so Georg Diez in einem Artikel auf Spiegel Online.
Sehr geehrter Herr Diez,
wenn Sie schon Leute mit anderer Auffassung meinen zusammenstauchen und als angebliche Reaktionäre bezeichnen zu dürfen, dann sollten Sie sich wenigsten ein bißchen informieren, denn ohne Begründung bleibt das alles äußerst dürftig.
Erstens: der Klimawandel. Es gibt Meßdaten, es gibt rechnergestützte Simulationsmodelle, und es gibt Interpreten von Meßdaten und Modellen sowie Modellrechnungen. Interpretationen können nun ihrem Wesen nach je nach Interpret unterschiedlich ausfallen, das zumindest muß man konzedieren. Ich halte zum Beispiel die Existenz der Klimaerwärmung für ziemlich sicher, und ich halte die These, dass wir als Menschheit dazu einen Beitrag leisten, für wahrscheinlich zutreffend. Ich behaupte aber nicht, dass dies “die Wahrheit” sei. Deshalb toleriere ich Auffassungen, die sich aus einer anderen Interpretation ergeben, besonders dann, wenn Begründungen und Belege vorgelegt werden.
Zweitens: die Evolution. Nun es gibt in den USA den religiösen Kreationismus. Den gibt es m. W. bei uns kaum oder gar nicht. Aber was es gibt, das ist etwas strukturell Analoges, nämlich das, was als “Gender Studies” bzw. als Genderideologie aus den USA importiert worden ist. Wenn Sie also, durchaus zu Recht, den Kreationismus kritisch bewerten, dann hätten Sie mindesten ebensoviel Grund, dasselbe bei den Gender Studies zu tun. Und falls Sie nun meinen sollten, ich befände mich hierbei im Irrtum: Bitte, dann zeigen Sie doch den wissenschaftlichen Charakter der Gender Studies auf. Oder veranlassen Sie, dass eine der Expertinnen das für Sie tut. Da bin ich aber gespannt.
Drittens: Gleichberechtigung von Mann und Frau. Verehrter Herr Diez, diese ist seit 1949 im Grundgesetz garantiert, und der Gesetzgeber hat in den 50er und 60er Jahren auf der Ebene der Einfachen Gesetze damals richtigerweise einige diesbezüglich nötige Veränderungen vorgenommen. Seitdem ist Art. 3 GG, ist die Gleichberechtigung, also die Gleichheit vor dem Recht, oder die Chancengleichheit, gesellschaftliche Praxis. Was ein Individuum aus diesen Chancen macht, das hängt, wie ihnen sicherlich bekannt ist, von den persönlichen Präferenzen und Zielen, sowie nicht zuletzt von den Bemühungen und Anstrengungen ab, die in die Verwirklichung eigener Lebenspläne gesteckt werden. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen wird m. W. heute von niemandem in Frage gestellt: sie ist eine anerkannte Realität.
Woher Sie eine andere Wahrnehmung beziehen, bleibt unklar. Möglicherweise verwechseln Sie wie viele andere Gleichberechtigung (Chancengleichheit) mit Gleichstellung (Ergebnisgleichheit), und dies nur, weil beide Worte ähnlich klingen, obwohl sie doch inhaltlich etwas Entgegengesetztes bedeuten. Das Grundgesetz will individuelle Chancengleichheit plus individuelle Leistung und nicht gruppenbezogene leistungslose Ergebnisgleichheit, die unvermeidlich zur Diskriminierung Dritter als Gruppe führt und führen muß, und zwar in diesem Fall zu Lasten von Männern. Herr Dietz, nutzen Sie am besten eine Suchmaschine und geben Sie dort ein: Qualifikation statt Quote.
Und dann lesen Sie bitte …
Gleichberechtigung ist ein allgemein anerkannter Wert.
Dass sie das nicht verstanden haben, spricht wirklich nicht für Sie als Journalist.
Was strittig ist, das ist bezeichnet durch: Gleichstellung, Gender Mainstreaming, Gender Studies. Darum geht es, nur darum.
Und, Herr Dietz, solange Sie nicht wissen und verstanden haben, was das ist und worum es sich dabei überhaupt handelt, sollten Sie besser schweigen, anstatt Leuten, die das nun wirklich sehr viel besser, tiefer, gründlicher verstanden haben als Sie – denken Sie dabei zum Beispiel nur an die kluge und wohlinformierte Frau Kelle –, zu diffamieren. Aber Reaktionäre ignorieren eben alle Fakten.
Diffamierung ist kein Argument, finden Sie nicht auch?
Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.