Die Frauenforschung, die zusätzlich aber irreführend als Geschlechterforschung bezeichnet wird, problematisiert das Frau-Sein. Denn es gibt eine Minderheit von Frauen, die ihr Frau-Sein nicht zu akzeptieren vermögen.
Man könnte sie deswegen die Nicht-Frauen-Frauen nennen. Deren selbstbezogenes Unbehagen an der eigenen Existenz wird nun von ihnen selbst untersucht und gedeutet – aber nicht erklärt, und die Deutung wird dann auf die Gesellschaft projiziert. Die Basiskategorie dieses Verleugnungs-, Deutungs- und Projektionsprozesses heißt „gender“.
Hochschulen aber sind, abgesehen von den Künsten, Institutionen der Wissenschaft. Sie sind also konstitutiv für Forschung und Lehre zuständig. Beide zielen auf Erkenntnis und Wahrheit, und das zugleich das Ethos der Wissenschaft. Fraglich ist daher, ob „Frauenforschung“ überhaupt an Hochschulen betrieben werden darf. Im Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) von 2002 heißt es in § 3 (1):
„Aufgaben der Hochschulen sind:
1. die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat,
2. die Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit und künstlerischer Gestaltung voraussetzen (…)“
und im § 3 (3) NHG heißt es dann:
Die Hochschulen fördern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die tatsächliche Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Gleichstellungsauftrag).
Sie tragen zur Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung bei.“ – (Hervorhebung GB)
Die Kritik dieser Textpassage in § 3 (3) Satz 1 NHG findet sich bereits hier, und zwar dort unter der Überschrift „Gleichstellungspolitik gegen Gleichberechtigung“.
An dieser Stelle soll es deshalb ergänzend um NHG § 3 (3) Satz 2 im Verhältnis zu § 3 (1) Nr. 1 und 2 gehen (s. o.), also um die Frage, was „Frauen- und Geschlechterforschung“, die zu fördern der Gesetzgeber hier als Norm gesetzt hat, eigentlich ist.
Der Gesetzgeber hat dabei, wie es zunächst scheint, unterstellt und vorausgesetzt, dass es sich dabei um Wissenschaft im Sinne des § 3 (1) NHG handelt. Frauen- und Geschlechterforschung wäre – wie alle Wissenschaft – damit bereits in den Aufgaben der Hochschulen enthalten und normativ durch § 3 (1) abgedeckt.
In diesem Falle wäre also die besondere Erwähnung in § 3 (3) Satz 2 eine überflüssige Doppelung. Denn: wäre das nicht so, dann könnten alle Fachdisziplinen beanspruchen, einzeln aufgeführt zu werden. Wenn aber „Frauen- und Geschlechterforschung“ hier im Unterschied zu Wissenschaft überhaupt einzeln aufgeführt wird, handelt sich dann überhaupt um Wissenschaft?
Nun ist Wissenschaft in den Bereichen der Natur- und der Sozialwissenschaften, also in den Realwissenschaften ein Bündel von Verfahren zur erkenntniskritisch und methodisch geleiteten Gewinnung von Erkenntnissen, die es erlauben, etwas zu erklären (Begründungszusammenhang von Wissenschaft). Dazu gehört es, zuerst zu bestimmen, was denn erklärt werden soll, und dazu werden spezifische Begriffe bzw. Kategorien benötigt. Die jeweils gesuchte Erklärung soll in den Realwissenschaften auf dieser Grundlage nach den Maßstäben der Erkenntniskritik logisch richtig und empirisch gültig sein. Auf dieser Grundlage können gesicherte Erkenntnisse dann in praxistaugliche Anwendungen transformiert werden.
Anders sieht es in den Geistes- oder Kulturwissenschaften aus. Hier geht es der Sache nach nicht um Erklärung, sondern um eine Deutung, um eine Interpretation, etwa die des Faust I und II. Es geht um die Frage, was dieser Text meint, worauf er abzielt, was er uns sagen will oder soll. Das sind im geisteswissenschaftlichen Feld sinnvolle und notwendige Fragestellungen. Aber es handelt sich um eine Hermeneutik, eine Deutung, die schon deshalb nie „wahr“ ist, weil sie in Konkurrenz zu anderen Deutungen steht, und es handelt sich nicht um eine realwissenschaftliche Erklärung im oben skizzierten Sinne. Damit wird eine begriffliche Unschärfe erkennbar: innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften ist die Konkurrenz der Deutungen gleichbedeutend mit dem wissen-schaftlichen Prozess. Außerhalb dieses Feldes, speziell auf den Feldern der Realwissenschaften, haben sie keine Gültigkeit. Sie formulieren als Deutung bestimmte, gut oder schlecht begründete Sichtweisen, aber keine Erkenntnisse.
Ein schlagendes Beispiel bietet das folgende offizielle Zitat, das in Satz 2 eine subjektive Deutung mit einer Erkenntnis verwechselt:
„Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen, für das sich international der Begriff „Gender Mainstreaming“ etabliert hat, basiert auf der Erkenntnis, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt, und Männer und Frauen in sehr unterschiedlicher Weise von politischen und administrativen Entscheidungen betroffen sein können.“ –
Deutungen jeglicher Art liefern insbesondere keine wissenschaftliche, sondern allenfalls eine ideologische Begründung dafür, in die Praxis eines „social engineering“ gewendet zu werden.
Im Hinblick auf die gesellschaftliche Praxis entwickeln sich aus Realwissenschaften der Möglichkeit nach wohlbegründete praxisrelevante Handlungen, während die Geistes- und Kulturwissenschaften niemals mehr als vertiefte Selbstreflexionen ermöglichen, die zwar als solche sehr wichtig sein mögen, die aber keinerlei Umschlag in Praxis erlauben.
Wenn nun von „Frauen- und Geschlechterforschung“ die Rede ist, dann fragt sich zuerst, ob es dabei (1) um eine realwissenschaftliche oder (2) um eine geistes- oder kulturwissenschaftliche Forschung handelt. Dazu muss man folgendes wissen:
„Gender“, die Basiskategorie der Frauen- und Geschlechterforschung, ist eine eine Kategorie, die nachweisbar aus dem US-amerikanischen homosexuellen Milieu stammt und von Vertreterinnen dieses Milieus auf der Weltfrauenkonferenz 1995 in Beijing gegen erhebliche Widerstände aus der 3. Welt durchgesetzt worden ist. Daraus resultiert das strategische Implementierungkonzept, das als Gender Mainstreaming bezeichnet wird.
Entgegen der Suggestion von offizieller Seite gibt es keine keine Gender – Theorie´, schon gar nicht im realwissenschaftlichen Sinne, denn die Exponenten Butler, Derrida und Foucault sind sämtlich postmoderne Philosophen und keine Wissenschaftler. Was sie vorgelegt haben, das sind subjektive, vom homosexuellen Milieu (Foucault, Butler) und seinen Selbstproblemen geprägten Weltsichten, die wissenschaftstheoretisch den Status von hermeneutischen Deutungen (vgl. hierzu: Gadamer) – ohne Theoriestatus – haben. Solche – durchaus umstrittenen – Deutungen sind zwar zulässig, aber sie können erstens nicht bewiesen werden, und sie stehen zweitens in Konkurrenz mit anderen Deutungen. Das mindeste, was also verlangt werden müsste, wäre eine rationale und sachliche Auseinandersetzung aller Deutungen zu einem bestimmten Feld. Außerdem muss verlangt werden, dass die empirische Evidenz nachzuweisen ist.
Unwissenschaftlich ist es mit Sicherheit, die eine oder die andere Deutung eines solchen Feldes als “Erkenntnis” aller Diskussion vorauszusetzen, und dabei dann auch noch unbegründet (!) normativ (!) zu argumentieren, denn das ist dann reinster Dogmatismus und Irrationalismus. So etwas hat – aus wissenschaftlicher Perspektive – an Hochschulen nichts zu suchen.
Es gibt in den Gender Studies keinen ausweisbaren Forschungsgegenstand, also kein Erkenntnisobjekt, und daher wird auch nichts erklärt, was aber Wissenschaft gerade ausmacht. Denn die Erklärungen sind als Deutungen vorausgesetzt und können lediglich noch bestätigt werden. Was ist denn das “soziale” Geschlecht, also „gender“? Dass es biologisch genau zwei Geschlechter (mit der Ausnahme seltener Zwischenformen, z. B. Hermaphroditismus) gibt, das ist allgemein bekannt, und dass Männer und Frauen die verschiedensten sozialen Rollen spielen, das ist soziologisch ein alter Hut. Die obigen Deutungen bilden sich ein, etwas Besseres anbieten zu können: ein Irrtum. Denn dass Judith Butler etwas behauptet hat, das beweist: gar nichts.
Oder trifft Hadmut Danisch den zentralen Punkt, wenn er schreibt:
“Zentrales Thema des heutigen Feminismus und Genderismus ist ja die Behauptung, dass die Biologie und Medizin nur Quatsch, „Biologismen“ und von Männern erfundenes Unterdrückungswerkzeug wäre, dass es Geschlechter von Natur aus gar nicht gäbe, und dass es keine biologische Sexualität – oder jedenfalls keine heterosexuelle – gäbe, dass das alles nur aufgezwungen, künstlich, kulturell erzeugt wäre, und wir das wieder loswerden müssten und könnten. Nur lesbische Sexualität wäre natürlich, und der Mensch würde als leere, neutrale, freie, verhaltens- und geschlechtslose Hülle geboren, die dann durch finstere Unterdrücker und böse Kulturen verformt würde. Dafür natürlich keine Belege, nur absurde Behauptungen, die keiner Überprüfung standhalten. Das nun aber gestützt durch ideologisches und hochaggressives Verhalten wie in einer extremistischen Sekte.”
Es wird behauptet, Gender Studies seien “interdisziplinär”. Interdisziplinär kann man aber nur sein, wenn man selbst eine Disziplin/ein Fachgebiet hat. Wird nun gesagt, dies sei die menschliche Geschlechtlichkeit, dann sitzt man in der Falle, weil diese realwissenschaftlich schon längst u. a. von den Sexualwissenschaften erforscht worden ist, die von den Gender Studies aber, weil biologisch-naturwissenschaftlich fundiert, abgelehnt werden. Darin gründet der Soziologismus der Gender Studies, der zu ihrer Irrelevanz entscheidend beiträgt. Ihr tiefes Missverständnis liegt darin zu glauben, philosophisch-geisteswissenschaftliche Deutungen („Weltanschauungen“) gegen gesicherte realwissenschaftliche Erkenntnisse wenden zu können.
Wozu so etwas führt, das erfährt man mit Blick auf die mittelalterlich-katholische, die stalinistische und die nationalsozialistische Weltanschauungen, aber auch die amerikanische eines McCarthy, die bei allen und durchaus großen Unterschieden doch nur eines signalisieren: dass man sich, wenn einem das eigenen Leben lieb ist, sich schnellstens entfernen sollte, falls irgendeine Weltanschauung praktische Gültigkeit beansprucht, so wie das jetzt beim Genderismus wieder einmal der Fall ist.
Eben weil es sich um geisteswissenschaftliche Deutungen handelt, fehlt den Gender Studies eine wissenschaftstheoretische Fundierung, und es fehlen ihnen wissenschaftliche Methoden. Das heißt, es gibt überhaupt keine realwissenschaftliche Herangehensweise an offene Forschungsfragen. Denn was in den Gender Studies als Forschung ausgegeben wird, beschränkt sich auf die Anwendung der leitenden geisteswissenschaftlichen Deutungen auf verschiedene Praxisfelder, wobei dann selbstwidersprüchlich doch wieder „biologistisch“ von Frauen und Männern geredet wird.
Es geht praktisch gar nicht um Erkenntnis, nur um die Bevorteilung von Frauen zu Lasten von Männern, und zwar nachweisbar ohne dass es dafür eine belastbare Begründung oder Rechtfertigung gäbe.
Die Frauen- und Geschlechterforschung hat die Funktion, diese politisch gewollte Diskriminierung von Männern zugunsten von Frauen mit einer Pseudolegitimation zu versehen. Das aber ist Politik und eben nicht Wissenschaft.
Aufgrund dieser Beurteilung komme ich zu dem Ergebnis, dass die im Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) enthaltene Förderung der Geschlechterforschung (Frauenforschung) rechtlich sehr fragwürdig ist. Warum? Weil es nicht Aufgabe wissenschaftlicher Hochschulen ist, etwas anderes zu tun, als eben Wissenschaft zu betreiben.
Aus realwissenschaftlicher Sicht sind die Gender Studies keine Wissenschaft, so wenig das die Astrologie ist, für die es bekanntlich auch umfangreiche Lehrbücher gibt. Auch die Astrologie ist wie die Gender Studies eine mögliche Deutung. Aber sie ist eben falsch.
Und aus geisteswissenschaftlicher Sicht handelt es sich um nicht mehr als um ein Bündel fragwürdiger und logisch inkohärenter Behauptungen und Hypothesen ohne empirische Evidenz, die dem Hauptzweck dienen, Frauen zu Lasten von Männern zu privilegieren.
Die Argumentation, mit der wir fortlaufend und überall konfrontiert werden, ist keine offene und freie, weil sie voraussetzt, dass die subjektiven Deutungsannahmen, an die nur geglaubt werden kann, allgemein verbindlich seien. Bestreitet man diese Haltung und diese Deutungsannahmen offen und direkt, dann ist der Konflikt da. Allerdings fehlt noch die Großinquisitorin – sie wird auch noch kommen. Denn die Gender Studies haben sich noch nie rechtfertigen müssen, sind noch nie wissenschaftlich überprüft und bewertet worden, und dasselbe gilt für die zugehörigen Studiengänge.
Die Wirkung der Gender Studies ist eine doppelte: erstens wird der Irrationalismus gefördert, weil die Denkstruktur der Gender Studies antiwissenschaftlich ist, und zweitens wird das intellektuelle Anspruchsniveau abgesenkt, zum Schaden aller, selbst der dadurch scheinbar begünstigten Personen in Lehre und Forschung.
Zu den Gender Studies findet sich hier eine auf Niedersachsen bezogenen Darstellung, auf deren Widerlegung ich bisher vergeblich warte:
CollectIQ: Braucht unsere Gesellschaft „Gender Studies“?
Und zum Gerede über “Vielfalt”, einen Kampfbegriff der Regenbogen-Szene, siehe hier:
CollectIQ: Diversity Management – wem nützt das?
Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.