Neid tritt nicht nur im Verhältnis eines Individuums zu einem anderen Individuum auf. Er hat darüber hinaus gesellschaftliche Dimensionen und äußert sich auf unterschiedlichen Politikfeldern. Neid ist eine Grundlage des Feminismus und der feministisch geprägten Frauenpolitik.
Doch was ist Neid? Kann ein spezifischer Neid von Frauen auf Männer festgestellt werden? Wie manifestiert sich Neid in der gegenwärtigen Frauenpolitik? Und wie kann Neid überwunden werden?
Große Denker über Neid
Aristoteles liefert eine sehr differenzierte Analyse des Neids. In seiner Rhetorik bestimmt er Neid als ein Unlustgefühl, das ein Mensch dann empfindet, wenn Güter anderer Menschen, die er selbst nicht besitzt, begehrt.(1) Er kann dieses Unlustgefühl nur gegenüber Menschen empfinden, die ihm gleich sind, und zwar hinsichtlich Herkunft, Verwandtschaft, Alter, Wertvorstellungen, Ruf und Besitz. Ein Mensch, der gar nichts besitzt, kann nach Aristoteles gegenüber dem Besitzenden keinen Neid empfinden, nur derjenige, der bereits etwas besitzt, dem jedoch die begehrten Güter fehlen, kann vom Neid ergriffen werden.
Neid kann in Bezug auf unterschiedliche Güter empfunden werden: in Bezug auf materiellen Besitz, Gesundheit, Jugendlichkeit, Klugheit, Erfolg und Ruhm.
Zentral ist für Aristoteles die Unterscheidung zwischen Neid und Rivalität. Rivalität ist wünschenswert und gut für die Charakterbildung. Bei ihr geht es darum, erreichbare Güter zu erlangen,
„die uns von Natur aus gleichstehen, und zwar nicht, weil sie bei einem anderen, sondern weil sie nicht bei uns sind …“(2)
Dem Neider ist es hingegen in der Regel bewusst, dass er das ersehnte Gut „aufgrund eigener Schuld“ nicht erlangen kann. Der Schmerz darüber erzeugt den Neid. Der Neider möchte, dass der Beneidete das Gut nicht besitze. Er ist deshalb daran interessiert, den Beneideten herabzusetzen oder gar ihm Schaden zuzufügen.
Im Rahmen der Aristotelischen Ethik lässt sich jedoch ein Ausweg aus der Neidfalle finden: Der Neider soll die Ursache für die Nicht-Erlangung des begehrten Gutes bei sich selbst suchen. Entweder hat er sich nicht ausreichend bemüht, um das Gut zu erlange, oder er hat nicht eingesehen, dass er mit demjenigen, den er beneidet, nicht gleich ist.(3) In anderen Worten: er muss nach dem Realitätsprinzip handeln, d.h. sich selbst und die Umwelt realistisch einschätzen.
Der Philosoph Baruch de Spinoza bringt Neid in eine enge Verbindung mit Hass, ja er identifiziert sogar beide Emotionen. In seiner Affektenlehre hebt er hervor:
„Neid ist Hass, sofern dieser den Menschen dergestalt affiziert, dass er bei dem Glück eines anderen sich betrübt und umgekehrt an dem Unglück eines anderen sich erfreut.“(4)
Und an einer anderen Stelle heißt es:
„Neid ist Hass oder Trauer, das heißt eine Affektion, die die Wirkungskraft des Menschen oder sein Streben hemmt.“(5)
Wenn ein Mensch sich mit anderen vergleicht und dabei schlechter abschneidet, so ist er zunächst „betrübt“, traurig. Er versucht, diese Trauer aufzuheben, indem er die Leistungen der anderen herabsetzt. Ähnlich wie Aristoteles stellt Spinoza fest: Der Neider richtet sein Handeln darauf aus, dass der Beneidete das erstrebenswerte Gut „nicht besitze“.
Spinoza zufolge sind Menschen von Natur neidisch. Kulturelle Prägung, z.B. durch Erziehung, kann den Neid nur noch verstärken.
Spinoza setzt dem Neid die Barmherzigkeit entgegen. Barmherzig ist derjenige,
„der sich an dem Glück eines anderen erfreut und umgekehrt bei dem Unglück eines anderen sich betrübt.“(6)
Immanuel Kant zählt Neid zu „den der Menschenliebe gerade (contrarie) entgegengesetzten Lastern des Menschenhasses“. Neid, Undankbarkeit und Schadenfreude bilden eine „abscheuliche Familie“. Der Hass kommt im Neid nicht „offen und gewalttätig, sondern geheim und verschleiert“ zum Ausdruck.(7)
Neid zeichnet sich durch „Pflichtvergessenheit gegen seinen Nächsten“ und „Niederträchtigkeit“ aus. Darüber hinaus verletzt er die „Pflicht gegen sich selbst“.
Kants Definition des Neids, die zu den besten gehört, lautet:
„Der Neid (livor) als Hang, das Wohl anderer mit Schmerz wahrzunehmen, ob zwar dem seinigen dadurch kein Abbruch geschieht, der, wenn er zur Tat (jenes Wohl zu schmälern) ausschlägt, qualifizierter Neid, sonst aber nur Mißgunst (invidentia) heißt, ist doch nur eine indirekt-bösartige Gesinnung, nämlich ein Unwille, unser eigen Wohl durch das Wohl anderer in Schatten gestellt zu sehen, weil wir den Maßstab desselben nicht in dessen innerem Wert, sondern nur in der Vergleichung mit dem Wohl anderer zu schätzen und diese Schätzung zu versinnlichen wissen.“(8)
Neid liegt nach Kant zwar in der „Natur des Menschen“ – der Mensch vergleicht sich oft mit anderen -, er wird jedoch dann zum „scheußlichen Laster“, wenn er die eigene Person, ihre moralische Integrität, und das Gemeinwesen zerstört.
Kant gemäß ist der Mensch idealiter frei (er hat einen freien Willen), unabhängig und selbständig (autonom), d.h. er setzt sich selbst die Maßstäbe des Denkens und Handelns. Der Neider handelt nicht frei, unabhängig und selbständig, denn er schöpft die Maßstäbe nicht aus sich heraus, sondern legt sie im Vergleich mit anderen fest. Zugespitzt formuliert: Er orientiert sich an den Anderen, an dem Wohl der Anderen.
Dem Philosophen Sören Kierkegaard verdanken wir die Einsicht, dass Neid „versteckte Bewunderung“ ist:
„Ein Bewunderer, welcher spürt, dass er durch Hingabe nicht glücklich werden kann, er erwählt es, auf das neidisch zu werden, das er bewundert.“(9)
Das bedeutet, dass jemand, der sich einer Sache, d.h. einer Idee, einer Arbeit, einer Aufgabe usw., nicht hingeben kann, neidisch wird. Er versucht, das Bewunderte herabzusetzen; dem bewunderten Gut spricht er jeden Wert ab; es sei ein „Nichts“, ein „dummes und fades und verqueres und überspanntes Ding“.
Echte Bewunderung ist nach Kierkegaard „glückliche Selbstverlorenheit“, Neid ist „unglückliche Selbstbehauptung“.(10) In anderen Worten: Nur in der Selbstverlorenheit, d.h. in der Hingabe an eine Sache können wir und vom Neid befreien. Selbstbezogenheit (Egozentrik), Narzissmus und Selbstbeschäftigung verstärken hingegen den Neid.
In einer „leidenschaftslosen und stark reflektierten Zeit“, also in einer Zeit, in der Egozentrik herrscht, Menschen sich permanent mit sich selbst beschäftigen und in der daher die leidenschaftliche Hingabe an eine Sache fehlt, wird Neid zum „negativ-einigenden Prinzip“.(11)
Während in der leidenschaftlichen Zeit das einigende Prinzip der Begeisterung herrscht, das Individuum angespornt und erhöht wird, hemmt die leidenschaftslose Zeit die Entfaltung des Individuums und richtet sich gegen „das Ausgezeichnete“.
Wichtige Erkenntnisse zur Neid-Problematik liefert Friedrich Nietzsche. Er behandelt eine besondere Form des Neids: das Ressentiment. Darunter versteht er die Grundhaltung
„solcher Wesen, denen die eigentliche Reaktion, die der That versagt ist, die sich nur durch eine imaginäre Rache schadlos halten.“(12)
Die im Ressentiment Gefangenen sind nicht in der Lage zu handeln; sie fühlen sich ohnmächtig, suchen die Schuld für ihre eigene Unfähigkeit oder ihren Misserfolg bei den Anderen und sie versuchen, sich an den Anderen in Gedanken zu rächen.
Das Ressentiment ist kein Neidgefühl, das ab und zu auftritt, sondern eine Grundhaltung, ja eine Charaktereigenschaft bestimmter Menschen.
Die im Ressentiment Gefangenen suchen einen für ihr Scheitern und ihr Leid „empfänglichen schuldigen Thäter“, denn:
„Irgend Jemand muss schuld daran sein, dass ich mich schlecht befinde.“(13)
Die vom Ressentiment geleiteten Menschen setzen alles daran, die Beneideten schlecht zu machen und sie zu entwerten. Sie erleben ihren größten Triumph, den „Triumph der Rache“, dann, wenn sie die Schuld an ihrem eigenen Leid und Elend den „Wohlgeratenen“, „Starken“ und „Glücklichen“ anhaften,
„so dass diese sich eines Tages ihres Glücks zu schämen begönnen und vielleicht unter einander sich sagen: ´es ist eine Schande, glücklich zu sein! es giebt zu viel Elend!`“(14)
Nietzsche zufolge stellt dieser Umstand eine „verkehrte Welt“, eine „Umwertung der Werte“ dar.
Das Ressentiment ist für ihn ein Ursprung von moralischen Werturteilen. Nietzsche veranschaulicht das anhand der Entstehung der christlichen Moral. Aus Untugenden werden im Christentum Tugenden: aus Ohnmacht Güte, aus Ängstlichkeit Demut, aus Feigheit Geduld usw.
In Anlehnung an Nietzsche entwickelt der Philosoph Max Scheler eine Theorie des Ressentiments. Maßgeblich für die Ressentimentbildung sind Neid, Eifersucht und Konkurrenzdenken. Neid entsteht erst dann, wenn der Versuch, das Gut eines Anderen zu erlangen, misslingt und ein Ohnmachtsgefühl einsetzt. Der Neider unterliegt dabei einer Täuschung: Er sieht die Ursache seines Misserfolgs nicht bei sich selbst, sondern beim Beneideten.
Der Neid führt nach Scheler dort stärker zur Ressentimentbildung, wo es sich nicht um erwerbbare, sondern um „unerwerbbare Werte und Güter“ einer Person wie Schönheit, Intelligenz und Charaktereigenschaften handelt. Scheler spricht in diesem Fall vom Existenzialneid:
„Alles kann ich dir verzeihen; nur nicht, dass du bist und das Wesen bist, das du bist; nur nicht, dass nicht ich bin, was du bist; ja dass ´ich` nicht ´du` bin.“(15)
Ähnlich wie Nietzsche betont Scheler, dass das Ressentiment eine Quelle für moralische Werturteile und ganze Moralsysteme ist. Seine wichtigste Leistung ist es, die „Vorzugsregeln“ einer Moral zu „pervertieren“, d. h. ein „Übel“ als ein „Gut“ erscheinen zu lassen.
Im Gegensatz zu Nietzsche behauptet Scheler, dass auf dem Boden des Ressentiments nicht die christliche Ethik, sondern die bürgerliche Moral erwachsen ist.(16)
Die wichtigsten, aus dem Ressentiment entspringenden „Wertverschiebungen“ in der bürgerlichen Moral sind: „der Wert des Selbsterarbeiteten und -erworbenen“, „die Subjektivierung der Werte“ und „die Erhebung des Nützlichkeitswertes über den Lebenswert überhaupt.“
Von besonderer Bedeutung für unser Thema ist die zweite Wertverschiebung. Werte werden in modernen Moraltheorien als „subjektive Erscheinungen im menschlichen Bewusstsein“ verstanden:
„Gut ist, was begehrt wird, schlecht, was verabscheut wird.“(17)
Der Werterelativismus, d. h. die Leugnung einer objektiven Wertordnung oder überhaupt der Objektivität erwächst nach Scheler aus dem Ressentiment. Der vom Ressentiment Geleitete behauptet:
„Deine, eure Werte … sind nicht ´mehr`, nicht ´besser`als unsere Werte (die wir selbst als ´willkürlich`, als ´subjektiv`empfinden).“(18)
Jemand, der objektiven Maßstäben, sei es im Denken oder Handeln, nicht standhält, wird mit Neid und Hass auf diejenigen schauen, die solchen Maßstäben entsprechen. Sein nächster Schritt ist es, objektive Maßstäbe selbst in Frage zu stellen. Sie werden zu bloßem Ausdruck des Begehrens oder zu Maßstäben neben vielen anderen gleichwertigen Maßstäben degradiert. Diesen, dem Ressentiment entspringenden Relativismus finden wir gegenwärtig in der postmodernen Philosophie und in der Gender-Theorie.
Die Struktur des Neids
In diesem Abschnitt möchte ich eine systematische Analyse des Neids liefern. Ich frage dabei, unter welchen Bedingungen Neid auftritt, was seine wesentlichen Merkmale sind und wie der Neider auf sein Neidgefühl und auf den Beneideten reagiert.
Beneidet wird immer um etwas, um bestimmte Güter. Zu ihnen gehören: Besitz, Reichtum, gesellschaftliche Stellung, Status, Macht, körperliche Vorzüge, geistige Fähigkeiten, Intelligenz, Leistung, Erfolg usw. Es können demnach sowohl materielle als auch immaterielle Güter sein.
Der Neider vergleicht sich mit einer anderen Person hinsichtlich der genannten Güter. Er stellt daraufhin eine Ungleichheit zwischen sich selbst und der anderen Person fest. Dabei schneidet er schlechter ab oder er glaubt daran, dass er schlechter abschneidet. Man kann es auch so formulieren: Er empfindet einen Mangel. Der Andere besitzt etwas, was er selbst nicht hat oder nicht in dem Maße, wie er es sich wünscht, hat.
Das beneidete Gut muss für den Neider wichtig sein, es muss für ihn einen Wert haben. Jemand, der sich überhaupt nicht für die Rockmusik interessiert, wird den Besitzer der Gitarre, auf der Jimi Hendrix 1969 in Woodstock spielte, bestimmt nicht beneiden. Ein Geisteswissenschaftler, dessen größtes Ziel es ist, ein Buch im Suhrkamp-Verlag zu publizieren, wird auf einen Kollegen, dem eine solche Publikation gelungen ist, sicherlich neidisch sein.
Zu den Bedingungen des Auftretens von Neid gehören bestimmte psychische Dispositionen. Der Neider ist eine unsichere Person, er ist voller Skrupel und Selbstzweifel. Demnach hat er ein schwaches Selbstwertgefühl. Der Neider definiert sich über den Vergleich mit anderen Personen, bei dem er der Unterlegene ist. Sein Leben wird von Minderwertigkeitsgefühlen beherrscht.
Aus seinem schwachen Selbstbewusstsein resultiert das Gefühl der Ohnmacht. Er fühlt sich zurückgesetzt, hilflos und wie gelähmt. Statt seine Stärken zu erkennen, seine Lage realistisch einzuschätzen und seine Ziele zu verwirklichen, hegt er Groll gegen die beneidete Person, entwickelt nicht selten Wut- und Hassgefühle gegen sie.
Das schwache Selbstbewusstsein des Neiders ist darüber hinaus der Grund dafür, dass er in der Regel nicht sach- und problem-, sondern personenorientiert denkt und handelt. Er ist ja ständig mit sich selbst und mit dem Beneideten beschäftigt. Es fällt ihm schwer, über Sachen, Probleme und Leistungen zu sprechen. Stattdessen wird er schnell persönlich.
Da der Neider Minderwertigkeitsgefühle hat, überschätzt er die Fähigkeiten und Leistungen der Anderen. Er wertet sich selbst ab und glorifiziert die Anderen. Am liebsten möchte er gar nicht er selbst sein, sondern die Rolle des Beneideten einnehmen. In der Überwertung der Fähigkeiten und Leistungen der anderen kommt die von Kierkegaard diagnostizierte Bewunderung des Beneideten durch den Neider deutlich zum Ausdruck.
Charakteristisch für den Neider ist ferner die Opferhaltung. Man kann nicht bezweifeln, dass Menschen tatsächlich Opfer von sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen sind. Doch es ist etwas anderes, sich als Opfer darzustellen, um sich von der Verantwortung für das eigene Handeln freizusprechen und andere für die eigenen Ziele einzuspannen, sie zu manipulieren.
Der Neider „skandalisiert“ den Umstand, dass er von den begehrten Gütern nichts oder weniger besitzt.(19) Er gibt den anderen zu verstehen, dass er nie die Chance hatte, sie zu erwerben. Der Neider bemitleidet sich selbst und verbaut sich dadurch die Möglichkeit, seine Lage zu verbessern. Außerdem bemüht er sich, Mitleid bei anderen zu erzeugen.
Wird Neid immer wieder erlebt, so entwickelt er sich zu einer dauerhaften Haltung, zum Ressentiment. Es beherrscht das ganze Leben des Neiders, bildet die Grundlage seines Denkens und Handelns, d. h. auch die Grundlage seiner Bewertung und Beurteilung anderer Menschen.
Gefährlich wird es, wenn ein Ressentiment von vielen Menschen geteilt und zum Leitfaden der Politik wird. Um es vorwegzunehmen: Die gegenwärtige, vom radikalen Feminismus geprägte Frauenpolitik kann als eine Politik des Ressentiments gegenüber Männern bezeichnet werden.
Es besteht ein Unterschied zwischen Neid und Eifersucht. Der Eifersüchtige besitzt etwas und er hat Angst, den Besitz an einen Rivalen zu verlieren. Der Neider besitzt nicht ein begehrtes Gut und empfindet Groll gegenüber einer Person, die es besitzt.
Es gibt einen Unterschied zwischen Neid und Rivalität. Im Falle von Rivalität kämpft man um ein begehrtes Gut. Man glaubt daran, das Gut erlangen zu können. Der Neider verzichtet hingegen darauf, um das begehrte Gut zu kämpfen. Stattdessen wünscht er sich, dass der Beneidete das ersehnte Gut nicht besitze. Dabei ist er daran interessiert, den Beneideten herabzusetzen oder gar zu schädigen. Oder er versucht, das begehrte Gut außerhalb des normalen Wettbewerbs zu erlangen.
Neben dem Neid einer Person auf eine andere Person, dem Individualneid, gibt es den Neid von Repräsentanten einer Gruppe auf Repräsentanten einer anderen Gruppe, den Kollektivneid, z.B. den Neid von Frauen auf Männer, von Armen auf Reiche, von Repräsentanten einer Nation auf Repräsentanten einer anderen Nation usw.
Beim Kollektivneid treten die gleichen Mechanismen wie beim Individualneid auf, nur dass beim ersteren der Neid durch Repräsentanten einer ganzen Gruppe geteilt wird. So gibt es auch im Falle des Kollektivneids begehrte Güter, um die Mitglieder einer Gruppe Mitglieder einer anderen Gruppe beneiden. Es gibt die Vergleichssituation, bei der Mitglieder einer Gruppe schlechter abschneiden oder glauben schlechter abzuschneiden als Mitglieder einer anderen Gruppe. Die vom Kollektivneid Ergriffenen weisen ein schwaches Selbstwertgefühl auf, nehmen die Opferhaltung ein usw.
Durch den Kollektivneid grenzt sich eine Gruppe von einer anderen ab. Insofern stärkt er die Identität (das, was eine Gruppe ausmacht) und den Zusammenhalt der sich abgrenzenden Gruppe. Der Kollektivneid wird weitgehend durch Vorurteile und Klischees gebildet, die Repräsentanten einer Gruppe gegenüber Repräsentanten einer anderen Gruppe hegen.
Kommen wir zu der Frage, wie der Neider auf sein Neidgefühl und auf den Beneideten reagiert. Oben wurden bereits einige der Reaktionen angesprochen. Betrachten wir noch weitere.
Der Neider ist darauf ausgerichtet, die beneideten Güter bzw. den Beneideten als Person zu entwerten, herabzusetzen oder gar zu zerstören. Dabei gibt es unterschiedliche Formen der Entwertung: Erstens entwertet man jemanden, indem man über das beneidete Gut schlecht redet, zweitens, indem man einen anderen Wert über den Wert des beneideten Guts stellt, drittens, indem man den Wert des beneideten Guts als nur einen Wert neben anderen, „gleichberechtigten“ Werten darstellt.
Eine weitere Form der Entwertung liegt darin, nicht über den Beneideten, sondern über einen Menschen aus seinem Arbeitsbereich zu sprechen, die Leistung dieses Menschen zu loben.(20) Möchte man beispielsweise die Leistung eines bekannten Musikers entwerten, so spricht man nicht über ihn, sondern über einen jüngeren Kollegen von ihm, über ein aufstrebendes Talent. Möchte man die Leistung eines bekannten Mannes entwerten, so spricht man nicht über ihn, sondern über eine unbekannte Frau, die auf demselben Arbeitsgebiet auch etwas geleistet hat (siehe unten). Oder man spricht über seine Ehefrau, ohne deren Hilfe es der bekannte Mann nicht so weit gebracht hätte.
In der Arbeitswelt äußert sich der Neid in den unterschiedlichen Formen des unlauteren Wettbewerbs: Der Neider redet die Leistung seines Kollegen schlecht, stellt ihm Steine in den Karriereweg, spinnt Intrigen gegen ihn, kurz: Er mobbt ihn.
Eine besonders perfide Strategie des Neiders liegt darin, das beneidete Gut außerhalb des normalen Wettbewerbs zu erlangen, z.B. mit Hilfe von gesetzlichen Regelungen wie der Frauenquote.
Oben wurde festgestellt, dass der Neider ein schwaches Selbstwertgefühl hat. Schneidet er beim Vergleich mit einem anderen Menschen schlechter ab, so fühlt er sich minderwertig. Nicht selten empfindet er Wut auf sich selbst. Die Wut wird dann auf den Beneideten gerichtet. Er sei für das tatsächliche oder vermeintliche Scheitern des Neiders verantwortlich, er sei schuld an seiner misslichen Lage.
Wo Neid waltet, kann Hass entstehen. Neidgefühle können schnell in Hassgefühle umschlagen. Daher ist Neid eine Ursache des Hasses.
Eine weitere Verhaltensweise des Neiders ist es, beim Beneideten Schuldgefühle hervorzurufen. Der Neider gibt die Schuld an seinem Scheitern dem Beneideten. Sind die Schuldgefühle introjiziert, so kann der Beneidete durch den Neider wirkungsvoll manipuliert werden.(21)
Das Verhalten des Beneideten zeichnet sich oft dadurch aus, dass er das „Unrecht“ wiedergutmachen möchte.
„Neider und Neiderinnen rechnen mit dieser Bereitschaft, haben geradezu die Gewissheit, sie hätten das Recht, vom Neiderreger oder von der Neiderregerin etwas Besonderes zu fordern.“(22)
Eine andere Reaktion des Beneideten besteht darin, sich selbst zu entwerten, sich klein zu machen. Der Beneidete, der Schuldgefühle gegenüber dem Neider empfindet, versucht, seine Leistung an die des Neiders anzugleichen. Oft zeigt er sich bescheiden: Seine Leistung sei nichts Besonderes, ganz normal, jeder andere könnte sie vollbringen. Diese Reaktion kann dazu führen, dass das Selbstwertgefühl des Beneideten geschwächt wird.
Stellen wir noch abschließend eine sehr wichtige Frage: Wie können wir erkennen, dass Menschen neidisch sind, dass hinter ihren Äußerungen und Handlungen Neid liegt? Indem wir ihr Verhalten beobachten. Oben wurden bereits einige Merkmale des Neid-Verhaltens genannt. Vor allem an den unterschiedlichen Formen der Entwertung des Beneideten kann Neid erkannt werden. Zusammenfassend und erweiternd können folgende Verhaltensweisen genannt werden, anhand derer Neid erkannt werden kann:
„So, for example, one can try to prevent the other person´s successful performance; one can distort one´s beliefs about the other´s success in a negative direction; one can distort one´s beliefs about one´s own performances and attributes in a positive direction; one can reduce closeness with the other; and one can change one´s view of what is importent or relevant in order to reflect rather than compare with successful others.“(23)
Der Neid von Frauen auf Männer
Nirgendwo sonst wurde der Neid von Frauen auf Männer so ausführlich behandelt wie in der psychoanalytischen Tradition. Der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud führt den Begriff des Penisneids der Frau in die Wissenschaft ein. Der anatomische Unterschied zwischen Mann und Frau hat psychische Folgen für beide Geschlechter. Das Mädchen bemerkt den Penis seines Bruders oder eines anderen Jungen und erkennt den Unterschied zwischen dem eigenen Organ und dem des Bruders. Daraufhin fühlt es sich minderwertig, möchte „auch so etwas haben“ und verfällt dem Penisneid.(24)
Der Penisneid hat weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung und Charakterbildung des Mädchens und später der erwachsenen Frau. Nach Freud hält das Mädchen/die Frau an dem Wunsch, einen Penis zu bekommen und dadurch dem Jungen oder dem Mann gleich zu werden, sehr lange fest, „noch zu Zeiten, wenn das Wissen um die Realität die Erfüllung dieses Wunsches längst als unerreichbar beiseite geworfen“ wurde.(25) Der Wunsch lebt weiter im Unbewussten der Frau und bildet das zentrale Motiv für das Streben der Frau, mit dem Mann gleichzuziehen.
Das Mädchen/die Frau entwickelt aufgrund des genannten „Mangels“ starke Minderwertigkeitsgefühle gegenüber Männern und versucht – gegebenenfalls das ganze Leben lang -, den „Mangel“ zu beheben, d.h. den Männern nachzueifern. Freud bezeichnet diesen Prozess als den „Männlichkeitskomplex des Weibes“. Ist dieser Komplex besonders stark ausgeprägt, so kommt es zur Herausbildung der weiblichen Homosexualität. Homosexuelle Frauen geben die Hoffnung nicht auf, einen Penis zu bekommen und ein Mann zu werden.(26)
Der Penisneid ist eine Uremotion und somit eine Urquelle für den Neid von Frauen auf Männer. Auch wenn das eigentliche Objekt des Penisneids nicht mehr begehrt wird, verschwindet er nicht aus dem Leben der Frau, sondern wirkt weiter auf ihren Charakter und ihr Handeln.
Eine weitere Folge des Penisneids und des „Überwiegens des Neids“ im Leben der Frau ist Freud zufolge der Umstand, dass die Frau weniger Sinn für Gerechtigkeit hat,
„denn die Gerechtigkeitsforderung ist eine Verarbeitung des Neids, gibt die Bedingung an, unter der man ihn fahren lassen kann.“(27)
Demnach ist das Über-Ich – nach Freud der Inbegriff für Normen, Werte und Verhaltensregeln, kurz: der Inbegriff für Moral – bei Frauen weniger ausgeprägt als bei Männern.
Psychoanalytikerinnen der ersten Stunde greifen zwar das Freudsche Konzept des Penisneids der Frau auf, unterziehen es jedoch einer grundlegenden Kritik. Die Freud-Schülerin Helene Deutsch bezweifelt, dass „ein Trauma äusseren und zufälligen Ursprungs“ (die Reaktion des Mädchens auf den ersten Anblick des männlichen Geschlechtsorgans) eine entscheidende Rolle bei der Bildung der weiblichen Persönlichkeit hat.(28)
Gleichwohl hebt sie hervor, dass das Genital des Mädchens ihm nicht genügend Möglichkeiten der Befriedigung gibt bzw. nicht so viele Möglichkeiten gibt, wie es der Junge mit seinem Sexualorgan hat. Daraus resultiert eine Minderwertigkeit des Mädchens, die auch später noch im Leben der erwachsenen Frau zum Ausdruck kommt.
Ferner ist für Deutsch der Penisneid kein primärer, sondern ein sekundärer Faktor. Das kleine Mädchen ist noch zu jung, um vom Penis seines kleinen Bruders „besonders beeindruckt zu sein“.(29) Es beneidet den kleinen Bruder um die Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wird, z. B um die Körperpflege, die man ihm zuteilt.
Allerdings kann das Mädchen solche Neidgefühle auch gegenüber ihrer jüngeren Schwester empfinden. Darüber hinaus können sie auch bei Jungen, denen weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als ihren Geschwistern, entstehen. Daraus schließt Deutsch, dass der Neid bei Kindern beiderlei Geschlechts „unabhängig vom genitalen Interesse“ entsteht.(30)
Die Entdeckung des anatomischen Unterschieds durch das Mädchen führt bei ihm zur Bestätigung bzw. Verstärkung eines bereits empfundenen Mangels. Erst in dieser Situation entsteht – als sekundärer Faktor – der Penisneid.
Deutsch stellt bei Frauen starke Minderwertigkeitsgefühle und ein großes Neidpotenzial fest. Sie kann aber nicht ausreichend erklären, was das Spezifische des weiblichen Neids ist, da Neid in ihren Augen bei beiden Geschlechtern die gleichen Entstehungsmechanismen aufweist. Sie erklärt uns überdies nicht, wie der Neid von Frauen auf Männer funktioniert. Mit Hilfe ihrer Theorie lässt sich nur nachweisen, dass bei Frauen aufgrund des Penisneids ein zusätzlicher Neidfaktor hinzutritt und dass Frauen dadurch Neid häufiger und stärker empfinden als Männer.
Auch die Psychoanalytikerin Karen Horney geht von der Existenz des Penisneids und des daraus resultierenden „weiblichen Benachteiligungsgefühls hinsichtlich der Genitalien“ aus.(31) Doch bezweifelt sie, dass man alle Komplexe und Minderwertigkeitsgefühle von Frauen auf diesen Neid zurückführen kann. Der Penisneid ist nur ein Faktor neben vielen anderen „dynamischen Kräften“, die die psycho-soziale Entwicklung der Frau beeinflussen (siehe unten).
Horney hebt hervor, dass das Mädchen weniger Möglichkeiten der Triebbefriedigung als der Junge hat. Dieses „Defizit“ lässt sich jedoch nicht auf das Fehlen des männlichen Geschlechtsorgans reduzieren. Der Junge besitzt Vorteile hinsichtlich der Harnerotik, des Schautriebs und der Onanie.
Horney kritisiert Freuds These, nach der sich die Sexualität des kleinen Mädchens ausschließlich an der Sexualität des Jungen bzw. an der männlichen Sexualität orientiert. Sie stellt fest, dass beim Mädchen „von vornherein“, also vor seiner Entdeckung des anatomischen Unterschieds, vaginale Sensationen und die mit ihnen verbundenen Impulse bestehen. Das Mädchen entwickelt sozusagen spezifisch weibliche Formen der Sexualität.
Deshalb ist für Horney ähnlich wie für Deutsch der Penisneid kein primärer, sondern ein sekundärer Faktor in der Entwicklung der Sexualität und der Persönlichkeit der Frau. Er stellt eine „notwendige Erschwerung des weiblichen Entwicklungsganges“ dar. Der Penisneid führt bei Frauen sowohl zum Kastrations– als auch zum Männlichkeitskomplex.
In ihrer psychotherapeutischer Praxis lernte Horney immer wieder Frauen kennen, die folgende Phantasie äußerten: „Ich habe einen Penis besessen, ich bin ein kastrierter, verstümmelter Mann …“(32) Die Folgen dieser Phantasie sind sowohl Minderwertigkeitsgefühle als auch eine „intensive feindselige Einstellung gegen den Mann.“ Das Letztere äußert sich zum Teil in der Entwertung, zum Teil im „Kastrieren-, Lahmlegen-Wollen des Mannes“.
Als Männlichkeitskomplex der Frau bezeichnet Horney
„den gesamten Komplex von Gefühlen und Phantasien, die zum Inhalt haben, dass die Frau sich gegenüber dem Mann zurückgesetzt fühlt, ihn beneidet, selbst Mann sein möchte und die weibliche Rolle ablehnt …“(33)
Überwiegt beim Männlichkeitskomplex der Neid-Faktor, so entwickelt die Frau ein starkes „Ressentiment gegen den Mann“, ferner eine Feindseligkeit ihm gegenüber,
„die gleichsam darauf lauert, ihm eine Niederlage zu bereiten, oder ihn mit den tausend Mitteln des täglichen Kleinkrieges seelisch zu erlahmen.“(34)
Horney erkennt auch, dass dieselbe Frau, die den Mann entwertet, ihn viel höher stellt als die Frau, ihn eigentlich bewundert. Sie traut den Frauen keine „rechte Leistung“ zu und stimmt oft mit der von manchen Männern geäußerten Geringschätzung der Frau überein.
Eine Folge des Männlichkeitskomplexes, insbesondere des darin enthaltenen Minderwertigkeitsgefühls der Frau ist der Umstand, dass sie an sich selbst und an andere Menschen Ansprüche stellt – zum Teil Kompensationsansprüche -, die sie und die Anderen nicht erfüllen können. In anderen Worten: Aus dem Männlichkeitskomplex der Frau werden Ansprüche abgeleitet, „die das Leben ihr (der Frau, A.U.) zum Ersatz erfüllen müsse“.(35)
Horney führt die Komplexe und Minderwertigkeitsgefühle der Frau auch auf gesellschaftliche und kulturelle Faktoren zurück. In Anlehnung an den Soziologen Georg Simmel behauptet sie, dass unsere Kultur männlich dominiert ist. Moral, Religion, Wissenschaft, Recht, Staat usw. sind „Schöpfungen des Mannes“.(36)
Auch die Kriterien und Normen, mit deren Hilfe man die Unterschiede zwischen Männern und Frauen erfasst, sind von Männern aufgestellt worden. Die weibliche Sexualität, die Psyche und die Entwicklung der Frau wurden ebenfalls weitgehend „vom Mann aus“ betrachtet. Horney geht so weit zu behaupten, dass bereits das Mädchen – und dann in erhöhtem Maße die erwachsene Frau – sich an die „männlichen Normen“ anpasst; es sieht sich selbst und die Welt durch das Prisma dieser Normen. Der Neid von Frauen auf Männer speist sich demnach aus der Dominanz des Mannes und dem Benachteiligungsgefühl der Frau.
Sowohl Horney als auch Simmel unterscheiden in ihren kulturkritischen Überlegungen zur Rolle des Mannes und der Frau nicht zwischen dem Entstehungs- und dem Begründungs- bzw. Geltungszusammenhang. Dass die oben genannten Leistungen von Männern vollbracht wurden, bedeutet nicht, dass sie nur für Männer gelten. Dass Männer bestimmte Erkenntnisse über die weibliche Sexualität und die weibliche Identitätsbildung gewonnen haben, bedeutet nicht, dass diese Erkenntnisse falsch sind oder auf Frauen nicht zutreffen.
Die feministische These, dass Männer grundsätzlich nichts Wahres über die Psyche der Frau aussagen können, weil sie sich nicht in der „Teilnehmerperspektive“ befinden, d.h. die Psyche der Frau nicht „von innen“ sehen können, ist lächerlich und Ausdruck einer Immunisierungsstrategie gegen die Kritik von Männern. Gerade in der „Beobachterperspektive“ können Erkenntnisse gewonnen werden, die dem „Teilnehmer“ verschlossen bleiben.
Horney hat darüber hinaus ihre Artikel zur Psychologie der Frau in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts geschrieben, also in einer Zeit, in der Frauen tatsächlich weniger Möglichkeiten hatten als Männer. Ihre und Simmels Zeitdiagnosen können daher als zeitbedingt aufgefasst werden.
Zusammenfassend möchte ich zum Konzept des Penisneids der Frau Folgendes anmerken: Man muss nicht dieses sehr umstrittene Konzept akzeptieren, um von einem spezifischen Neid von Frauen auf Männer zu sprechen. Dieser Neid bezieht sich zunächst auf die tatsächliche oder vermeintliche Unabhängigkeit, Selbstbestimmung (Autonomie) und Freiheit der Männer, ferner auf ihre Möglichkeiten, Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge. Freuds Ausführungen zum Penisneid der Frau betreffen lediglich die Entstehung (Genese) des weiblichen Neids. Sie sagen wenig über die Erscheinungsformen des Neids bei erwachsenen Frauen aus.
Während sich die Psychoanalytikerinnen der ersten Stunde wie Helene Deutsch und Karen Horney mit dem Thema „Neid von Frauen auf Männer“ sehr ausführlich und tiefgreifend sowie weitgehend ohne ideologische Scheuklappen, d.h. unvoreingenommen und realistisch, auseinandergesetzt haben, wird es seit dem Ende der 60er und dem Anfang der 70er Jahre, also seit dem Beginn der sog. „Neuen Frauenbewegung“ (sie wird auch als die „zweite Welle der Frauenbewegung“ bezeichnet) kaum behandelt.
Ikonen der Neuen Frauenbewegung wie Simone de Beauvoir (sie gilt als eine Vorläuferin dieser Bewegung), Betty Friedan, Phyllis Chesler oder Colette Dowling setzen sich mit dem Thema entweder gar nicht oder nicht tiefgreifend genug auseinander. Sie behandeln genauso wenig den Neid von Frauen untereinander. Das hängt mit dem Prozess der Idealisierung der Frau seit der Neuen Frauenbewegung zusammen: Frauen sollen von allem Negativen freigesprochen werden.
Selbst die feministische Autorin Rosemary H. Balsam betont,
„that ´New Wave feminists discarded women´s envy in favor of the concept of Sisterhood`. The sisterhood, though healing in many ways, was supposed to be ideally and mercifully free of negativities that were perceived in males such as compatition, hurtful aggression, and envy.“(37)
Die Idealisierung der Frau und die mit ihr verbundene Ideologisierung und Politisierung der Wissenschaft hatten und haben bis heute den Zweck, Privilegien für eine bestimmte Gruppe von Frauen zu schaffen und zu etablieren: Da Frauen nichts Negatives, also auch kein Neid, anhaftet, sollten sie die Macht, konkreter: die Führungspositionen in unserer Gesellschaft übernehmen. Nur Frauen können unsere Welt besser machen.
Neid als eine Grundlage des Feminismus und der Frauenpolitik
In diesem Abschnitt möchte ich anhand von ausgewählten Beispielen zeigen, dass Neid eine Grundlage des Feminismus und der feministisch geprägten Frauenpolitik, in Deutschland auch als Gleichstellungspolitik oder Politik des Gender-Mainstreamings bezeichnet, bildet. Ich beginne mit Beispielen aus dem Wissenschafts- und Kulturbereich.
Das Besondere des von Melanie Unseld, Dozentin für Musik und Gender, herausgegebenen Reclams Komponistenlexikons ist der hohe Anteil der dort aufgenommenen Komponistinnen.(38) Die Auswahl erfolgt demnach zum großen Teil nicht aufgrund von sachlichen, d.h. in diesem Fall von musikwissenschaftlichen, sondern von ideologischen, in diesem Fall aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe (Frauen), Kriterien.
Dazu passt der Umstand, dass in vielen der Lexikon-Beiträge die Biographie einen wesentlich größeren Raum als die Musik einnimmt (bei der Komponistin Germaine Tailleferre ist das Verhältnis 80% zu 20%). Nicht die Musik selbst, sondern die Biographie, nicht sach- und problem-, sondern personenbezogene Darstellungen gewinnen die Oberhand, was – wie wir gesehen haben – ein Merkmal des Neidverhaltens ist.
In der Auswahl der Artikel und in den einzelnen Artikeln selbst, die zum großen Teil von feministischen Musikwissenschaftlerinnen geschrieben wurden, kommen die für feministische Neiderinnen typischen Strategien der Aufwertung von Frauen und der Entwertung von Männern zum Vorschein. In das Lexikon wurden viele unbekannte Komponistinnen wie Leopoldine Blahetka, Dora Pajecevic, Emma Lou Diemer oder Felicitas Kukuck aufgenommen. Viele der ins Lexikon aufgenommenen Frauen können überhaupt nicht als anerkannte Komponistinnen bezeichnet werden. Vielmehr handelt es sich um Musik-Interpretinnen (z.B. Agathe Grondahl, Franziska Lebrun) oder Förderer der Musik (z.B. Herzogin von Sachsen-Weimar Anna Amalia).
Unbekannte Komponistinnen werden aufgewertet, indem sie permanent mit Superlativen wie „virtuos“, „einflussreich“ und „von großer Bedeutung“ bombardiert werden.
Es fällt auf, dass einige Artikel zu relativ unbekannten Komponistinnenj wie Adriana Hölszky oder Ethel Mary Smyth umfangreicher sind als die zu herausragenden Komponisten wie Pierre Boulez, Olivier Messiaen und Krzysztof Penderecki – auch eine subtile Form der Entwertung und somit Ausdruck von Neid.
Den Komponistinnen wird ein Opferstatus zugesprochen. Männer haben die Komponistinnen unterdrückt und ihre Entwicklung behindert. So erfahren wir über Rebecca Clare: „Die patriarchale Familienstruktur mit körperlichen Züchtigungen und offen ausgelebten Affären des Vaters nahm Einfluss auf ihre Ausbildung.“(39)
Und über die bereits erwähnte Germaine Tailleferre heißt es, dass sie trotz des Widerstandes ihres Vaters Musik studierte, heiratete dann aber den Karikaturisten Ralph Barton, wobei „die Eifersucht Bartons auf den beruflichen Erfolg seiner Frau“ die Ehe schwer belastete. Sie komponierte jedoch gegen den Widerstand ihres Mannes weiter.
Nicht selten manifestieren sich in den biographischen Darstellungen offen männerfeindliche Vorurteile und Klischees. Sie dienen dem Zweck, Männer herabzusetzen. So war es für die Komponistin Kaija Saariaho offensichtlich eine Zumutung, am Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) mit Männern zusammenzuarbeiten: „u.a. musste sie während ihrer Arbeit am IRCAM die Kommunikation mit ihren männlichen Computerassistenten diplomatisch pflegen, um ihre Kompositions-Konzepte durchsetzen zu können.“
Während Männer die Komponistinnen unterdrücken und behindern, unterstützen und beflügeln Frauen die Komponisten. Josepha Auerhammer half Mozart bei der Drucklegung seiner Werke, Griegs Ehefrau Nina Hagerup regte sein Liedschaffen an und Alma Schindler inspirierte Mahler. Dahinter verbirgt sich der feministische Topos, dass große Männer ohne ihre Frauen nicht das vollbracht hätten, was sie vollbracht haben (auf den umgekehrten Schluss, dass diese Männer ohne ihre Frauen vielleicht noch größere Leistungen vollbracht hätten, kommt keiner der Autoren des Lexikons). Auch anhand dieses Topos können wir die aus Neidgründen forcierte Entwertung der großen Männer, genauer: ihrer herausragenden Leistungen beobachten.
Feministische Neiderinnen stilisieren sich selbst und andere Frauen zu Opfern. Das hat den Zweck, bei Männern Schuldgefühle hervorzurufen. Sind diese Schuldgefühle introjiziert, so können an Männer leichter Forderungen, meist in Form von Kompensationsforderungen, gestellt werden. Wir müssen nicht lange suchen, um solche Forderungen auch in Reclams Komponistenlexikon zu finden. Viele der Artikel zu Komponistinnen enden mit dem Satz „Eine wissenschaftliche Würdigung ihres kompositorischen Schaffens steht noch aus“, was offenbar die Forderung nach weiteren Stellen, vor allem Professuren, und Geldern für den Schwerpunkt „Frauen /Gender und Musik“ nach sich ziehen soll.
Der Publizist Adorján F. Kovács gibt in dem Artikel „Neu gelesen, neu gesehen, neu gehört“ weitere Beispiele für die vom Neid geleitete feministische Einflussnahme auf den Wissenschafts- und Kulturbereich, obgleich er auf den Neid-Faktor nicht ausdrücklich eingeht.(40)
Im Jahre 2010 jährte sich zum 100. Mal der Todestag des großen russischen Schriftstellers Lew Tolstoj. Doch nicht er wurde gefeiert, sondern seine Frau Sofja Tolstaja. Die Aufwertung von Sofja Tolstaja wurde schon vorher sorgfältig vorbereitet. 2008 erschien Tolstajas Buch „Eine Frage der Schuld“ und wurde „als eine Offenbarung gepriesen“. Die meisten Rezensenten forderten, Tolstaja sollte endlich einen Platz in der Weltliteratur einnehmen.
Im Jahr darauf erschien von Ursula Keller und Natalja Sharandak, die erstere verfasste zahlreiche Artikel zur Genderforschung, eine Biographie zu Sofja Tolstaja „Ein Leben an der Seite Tolstojs“, die nach Kovács „die definitive Heiligsprechung Frau Tolstajas“ betreibt. Dabei wird offensichtlich der qualitative Unterschied zwischen dem Werk Tolstajas und dem Tolstojs außer Acht gelassen; literaturwissenschaftliche Qualitätskriterien werden zugunsten von ideologischen und personenbezogenen Betrachtungen aufgegeben.
Das Duo Keller/Sharandak gab noch den Briefwechsel der Eheleute Tolstoj heraus, der die „Schriftstellergatin als außergewöhnliche Persönlichkeit“ zeigt und veröffentlichte bei den einflussreichen Rowohlt-Monographien eine Tolstoj-Biographie. Kovács stellt fest:
„Es ist wie eine späte Rache der ´GenderforscherInnen` an der übermächtigen Schöpferkraft dieses Mannes. Für lange Jahre haben sie nun nicht mehr nur die Deutungshoheit über die Ehefrau, sondern auch über den bedauernswerten Dichter errungen.“(41)
Immer wieder wurde von feministischer Seite versucht, eine Autorin gegen einen Autor, mit dem sie liiert war, aufzuwerten, z.B. Marieluise Fleißer gegen Bertold Brecht. Das „Stereotyp der ´übersehenen` hochbegabten Frau an der Seite berühmter Männer“ wird heute bis zum Ermüden ausgeschlachtet. Kovács nennt als Beispiele Clara Wieck, die Frau Robert Schumanns, Camille Claudel, die Geliebte Rodins, und Irmgard Keun, die Freundin Joseph Roths.
Alle diese Frauen wurden nicht übersehen oder vergessen. Ihre Leistungen wurden bereits vor der feministischen Vereinnahmung anerkannt. Gleichwohl wurde dabei der qualitative Unterschied zwischen ihren Leistungen und den Leistungen ihrer Männer gesehen. So wurde Sofja Tolstaja schon seit Langem als ausgezeichnete Tagebuchautorin anerkannt.
„Doch das soll nicht genügen. Es geht vielmehr um eine Aufwertung dieser Frauen und ihres Werkes um fast jeden Preis. Mag das Œuvre der Frauen objektiv auch noch so winzig sein …, es muss aufgrund seiner angeblich überragenden Qualität kanonisiert werden …“(42)
Das nächste Beispiel für den Neid von Feministinnen auf herausragende Leistungen von Männern betrifft den Kunstbetrieb. Vom 22.2. bis zum 1.6.2008 fand in der Frankfurter Kunsthalle Schirn die Ausstellung „Impresionistinnen“ statt. Dort wurden Werke der Malerinnen Berthe Morisot, Mary Casatt, Eva Gonzalès und Marie Bracquemond ausgestellt. Der Zweck diese Ausstellung war, die Rolle der Frauen im Impressionismus und somit in der Kunst aufzuwerten. Die Botschaft der Ausstellung wurde von Medien und Institutionen kräftig unterstützt. So schrieb Anja Lösel im stern:
„Eine beeindruckende Ausstellung in Frankfurt zeigt, dass die Impresionistinnen oft besser waren als ihre männlichen Kollegen und nichts in ihrem Schatten zu suchen haben.“(43)
Genaue Kriterien, in diesem Fall kunstwissenschaftliche Kriterien, anhand derer man die Qualitäten von Kunstwerken feststellen könnte und behaupten könnte, dass das eine Kunstwerk „besser“ ist als das andere, dass die Werke eines Künstlers „besser“ sind als die eines anderen, fehlen in dem Beitrag von Lösel, wie auch in anderen, die Ausstellung in den Himmel lobenden Beiträgen.
Im Rahmen der Ausstellung wurde ein internationales Symposium veranstaltet, das feministische Forschungsansätze zur Kunstgeschichte zum Gegenstand hatte.
Bereits mit dem Titel des Symposiums „Impressionism is feminine – Impressionismus ist weiblich“ wurde das Werk der männlichen Impressionisten wie Manet, Monet, Degas oder Renoir entwertet. Ihre Bedeutung wurde schlicht und einfach geleugnet.
Doch kam auf dem Symposium noch eine andere Entwertungsstrategie zum Vorschein, die typisch für feministische Neiderinnen ist. Um große männliche Künstler zu entwerten, wurden ihre herausragenden Leistungen und ihre Größe relativiert. Darin folgen heutige Feministinnen, insbesondere die Genderkonstruktivistinnen, der postmodernen Philosophie, für die es keine festen und objektiven Kriterien der Beurteilung von etwas gibt. Vielmehr gibt es Phänomene nur relativ zu sozio-kulturellem und historischem Kontext. Kulturprodukte wie Kunstwerke bestehen gleichwertig nebeneinander.
Auch die Bedeutung von „herausragende Leistung“, „Größe“ und „Genialität“ hängt von dem jeweiligen sozio-kulturellen Kontext und der historischen Epoche ab. Da Kulturprodukte letztlich gleichwertig nebeneinander bestehen, kann es eigentlich gar keine „herausragende Leistung“, keine „Größe“ und keine „Genialität“ geben.
Auch Kovács gelangt zu der Konklusion, dass der eigentliche Grund dafür, angeblich vergessene oder verkannte Frauen in den Himmel zu heben, die weitere Etablierung und Finanzierung der Genderforschung, insbesondere der Professuren und anderer Forschungsstellen, ist.
Ich möchte noch hinzufügen: Es geht nicht nur um die Etablierung und Finanzierung der universitären Genderforschung, sondern auch um die Unterstützung von feministischen Projekten und Institutionen in dem Wissenschafts- und Kulturbetrieb.
Während in den bisherigen Beispielen gezeigt wurde, wie Männer aus Neidgründen entwertet werden und wie man damit Privilegien ergattern kann, wird in dem nächsten Beispiel geschildert, wie die berufliche Existenz eines beneideten Mannes zerstört wurde.
Ein solches Schicksal erlitt der britische Biochemiker und Nobelpreisträger Tim Hunt. Auf einer Konferenz in Seoul machte er einen Scherz über das Verhältnis von Männern und Frauen in Laboren. Er sagte:
„Lassen Sie mich Ihnen von meinem Ärger mit Mädchen erzählen. Es passiere drei Dinge, wenn sie im Labor sind: Du verliebst dich in sie, sie verlieben sich in dich, und wenn du sie kritisierst, heulen sie.“(44)
Die anwesende Journalistikdozentin und feministische Aktivistin Connie St Louis bezichtigte Hunt in einem Kommentar der Frauenfeindlichkeit und verbreitete ihren Kommentar auf Twitter. Die Folge davon war ein beispielloser, von von feministischen Aktivistinnen gesteuerter Shitstorm gegen den Wissenschaftler.(45)
„Forscherinnen“ protestierten mit Foto-Tweets gegen die Äußerungen des Wissenschaftlers, ohne den Kommentar von Connie St Louis kritisch überprüft und ohne sich über die Banalität sowie den Scherzcharakter der Äußerungen Gedanken gemacht zu haben.(46) Hunt trat unter dem Druck des „Lynchmobs“ (Richard Dawkins) von seiner Honorarprofessur am University College London zurück.(47) Nebenbei bemerkt: Es stellte sich heraus, dass Connie St Louis ihren Lebenslauf stark „aufgehübscht“ und somit ihre Person und Rolle aufgewertet hat.(48)
Auch an diesem Beispiel beobachten wir, dass die herausragende Leistung des Mannes völlig zurücktritt. Die feministischen Aktivistinnen und die „Forscherinnen“, die sich an dem Shitstorm gegen Hunt beteiligt haben, können mit ihm wissenschaftlich nicht mithalten.
Eine harmlose Bemerkung, die als Scherz gedacht was, wird aus Neidgründen zum Anlass, dem Ansehen des Wissenschaftlers zu schaden und seine berufliche Existenz zu zerstören.
Die oben genannten Neid-Mechanismen finden wir auch in anderen relevanten Bereichen der Gesellschaft, z.B. in der Partei- und Regierungspolitik, im Öffentlichen Dienst, im Rechtssystem und in der Wirtschaft. Ich möchte das anhand der vom Neid geleiteten Quotenpolitik schildern. Die Forderung nach einer Frauenquote tritt in all den genannten Bereichen auf, in letzter Zeit vor allem in der Wirtschaft, weil die dortigen Positionen am lukrativsten sind.
Leistungen, Erfolge und vor allem die Positionen, die sog. Führungspositionen, von Männern sind Objekte des Neids vieler feministisch geprägter Frauen. Feministische Lobby-Gruppen, z.B. der Lobby-Verein FidAR, und die Leitmedien forcieren mit besonderem Nachdruck die Durchsetzung der Frauenquote. Dabei bedienen sie sich der Strategien der Entwertung von Männern und der Aufwertung von Frauen.
Zunächst werden Männern negative Attribute zugesprochen: Sie sind karrierefixiert, mit Konkurrenzdenken behaftet, machtorientiert und skrupellos. Die Alphatiere gehen über Leichen. Männer werden für alle Übel dieser Welt verantwortlich gemacht: für die Wirtschaftskrise, den Hunger und den Klimawandel.(49)
Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Leitmedien nicht über eine Gläserne Decke berichtet wird.(50) Gemeint sind von Männern getragene Strukturen und einzelne Handlungen von Männern, die Frauen angeblich daran hindern, Karriere zu machen. Dabei haben wissenschaftliche Studien längst belegt, dass es keine Gläserne Decke gibt, dass die statistische Ungleichheit zwischen Frauen und Männern im Management keine Folge von Männer-Machenschaften gegen Frauen und auch keine Folge von Frauendiskriminierung ist. Vielmehr ist sie ein Resultat individueller Lebensentwürfe, Wünsche, Präferenzen und Entscheidungen.(51)
Während Männer entwertet werden, werden Frauen aufgewertet. Sie besitzen nicht oder besitzen nur in geringerem Maße die negativen „männlichen“ Eigenschaften. Sie sind einfühlsamer, emphatischer, kommunikativer, flexibler usw. „Frauen sind die besseren Chefs“, so die immer wieder geäußerte Behauptung.(52)
Daraus folgt zunächst die Forderung nach gemischten Teams, die indirekt eine Forderung nach der Frauenquote ist. Firmen mit gemischten Teams – vor allem Teams mit Frauen in Führungspositionen – sollen erfolgreicher sein, d.h. mehr Gewinne einbringen.(53)
Auch diese Vorstellung hat sich als ein Mythos erwiesen. Die meisten wissenschaftlichen Studien belegen, dass gemischte Teams keine Vorteile für die Firmen bringen.(54)
Die Entwertung von Männern und die Aufwertung von Frauen dienen der Rechtfertigung der Frauenquote. Neid steht im Gegensatz zur Rivalität. Mit Hilfe der Frauenquote, eines Gesetzes, das die Vergabe von Stellen regelt, umgehen die Neiderinnen das normale Wettbewerb und erhalten unverdient die begehrten Güter (Führungspositionen). Neid hat somit eine wichtige politische Dimension. Er bildet eine Grundlage der Frauenpolitik. Diese Politik verstößt nicht nur gegen die Regeln des Wettbewerbs, sondern auch gegen das Grundgesetz. Sie bevorzugt Frauen und benachteiligt Männer.(55)
Wege aus der Neidfalle
Der Neider hat ein schwaches Selbstwertgefühl. Er vergleicht sich mit anderen und schneidet dabei schlechter oder vermeintlich schlechter ab. Er fühlt sich unterlegen und minderwertig. Der Neider empfindet zunächst Ohnmacht, dann entwickelt er Wut- und Hassgefühle gegen sich selbst und gegen andere.
Um den Neid zu überwinden, ist es daher erforderlich, das Selbstwertgefühl zu stärken. Die Psychologin Verena Kast beschreibt es folgendermaßen:
„Je autonomer wir sein können und je besser wir auch in Beziehungen vernetzt sind, je besser wir unser originäres Selbst oder unser wahres Selbst leben können, um so gefestigter ist unser Selbstwertgefühl, um so realistischer und wohlwollender unser Selbstkonzept, um so weniger müssen wir destruktiv neiden.“(56)
Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, produktive Arbeit, die volle Entfaltung des Selbst und die Pflege sozialer Kontakte sind die Grundpfeiler eines gefestigten Selbstwertgefühls.
Kast nennt in dem obigen Zitat noch einen weiteren wichtigen Faktor: das Realitätsprinzip. Der Neider sollte versuchen, sich selbst und die Welt realistisch zu sehen. Der realistische Blick führt quasi automatisch zur Stärkung des Selbstwertgefühls. Anders gewendet: Stellen wir unrealistische Ansprüche an uns selbst und an die Welt, können wir sie in der Regeln nicht einlösen; wir scheitern an den eigenen Ansprüchen, was eine Schwächung des Selbstwertgefühls zur Folge hat. Auch die Akzeptanz der eigenen Person, die Selbstakzeptanz, ist nur dann möglich, wenn wir einen realistischen Blick haben.
Paradoxerweise führt auch das Absehen von sich selbst zur Stärkung des Selbstwertgefühls und somit zur Schwächung oder Aufhebung des Neids. Darauf hat der Psychologe Viktor Frankl hingewiesen.(57) Wir leben in einer Zeit, in der sich die Menschen viel zu viel mit sich selbst beschäftigen. Selbstbespiegelung (Egozentrik), Selbstsucht und Narzissmus verstärken den Neid.
Oben haben wir ja bereits festgestellt, dass der Neider selbstbezogen und selbstsüchtig ist. Er ist kaum in der Lage, über sich selbst hinauszugehen und sich voll einer Sache zu widmen. Er ist kaum in der Lage, sach- und problemorientiert zu sein.
Das Absehen von sich selbst und die Hingabe an eine Sache, an eine Aufgabe ist aber eine wichtige Voraussetzung für die Stärkung des Selbstwertgefühls und die Überwindung des Neids. Wenn der Einzelne nicht mehr an sich selbst denkt, nicht mehr egozentrisch und selbstsüchtig ist, sondern sich voll auf eine Aufgabe konzentriert, dann kann er sie in der Regel zufriedenstellend vollbringen. Er empfindet dann eine Befriedigung über die getane Arbeit, was eine Stärkung seines Selbstwertgefühls bewirkt.
Überdies ist es wichtig, dass der Mensch das Bewusstsein erlangt, einen Beitrag zu einem größeren Ganzen zu liefern, sich als Teil dieses Ganzen zu sehen. Als Wissenschaftler sollte er einen Beitrag zur Wissenschaft, als Künstler einen Beitrag zur Kunst, als Arzt einen Beitrag zur Heilung von Menschen usw. liefern. Sind wir nicht selbst- , sondern sach- und problemorientiert, dann ist es nicht wichtig, wer einen Beitrag geleistet hat. Wichtig ist der Beitrag selbst.
Die Stärkung des Selbstwertgefühls hat einen positiven Einfluss auf die Herausbildung und Entwicklung der Individualität. Das ist von besonderer Bedeutung für Menschen, die kollektive Neidgefühle empfinden. Sie verstehen sich vorwiegend als Repräsentanten von Kollektiven und nicht als Individuen. Sie haben noch keine ausgeprägte Individualität.
Feministische Neiderinnen haben noch keine ausgeprägte Individualität. Sie verstehen sich in erster Linie nicht als Individuen, sondern als Repräsentantinnen eines Kollektivs: des Kollektivs der Frauen. Sie hegen ihr Neid ebenfalls gegenüber einem Kollektiv: dem Kollektiv der Männer.
Feministische Neiderinnen fühlen sich den Männern unterlegen, empfinden ihnen gegenüber Minderwertigkeitsgefühle. Daraus erwächst nicht nur der Neid, sondern auch der Hass auf die Männer (Misandrie). Wenn die einzelne Frau ein starkes Selbstwertgefühl entwickelt und ihre Individualität ausprägt, hat sie Neid auf die Männer gar nicht nötig.
Quellen:
(1) Aristoteles, Rhetorik, übersetzt und herausgegeben von Gernot Krapinger, Stuttgart 1999, S. 106ff.
(2) Ebd., S. 108.
(3) Vgl. Knut Eming, „Die Logik des Neids. Aristoteles über das an uns nagende Gefühl der Ungleichheit“, in: Birgit Harreß (Hrsg.), Neid. Darstellung und Deutung in den Wissenschaften und Künsten, Berlin 2010, S. 24.
(4) Baruch de Spinoza, Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt, Hamburg 1989, S. 174.
(5) Ebd., S. 160.
(6) Ebd., S. 175.
(7) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VIII, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main 1977, S. 596.
(8) Ebd., S. 596.
(9) Sören Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode, in: Ders., Gesammelte Werke 24. und 25. Abteilung, Düsseldorf 1954, S. 85.
(10) Ebd., S. 85.
(11) Sören Kierkegaard, Eine literarische Anzeige, in: Ders.: Gesammelte Werke 17. Abteilung, Düsseldorf 1954, S. 86.
(12) Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, in: Ders., Kritische Studienausgabe Bd. 5, herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1993, S. 270.
(13) Ebd., S. 374.
(14) Ebd., S. 370f.
(15) Max Scheler, Das Ressentiment im Aufbau der Moralen, Frankfurt am Main 20042, S. 11.
(16) Ebd., S. 36.
(17) Ebd., S. 88.
(18) Ebd., S. 89.
(19) Rolf Haubl, Neidisch sind immer die anderen. Über die Unfähigkeit, zufrieden zu sein, München 2003, S. 87.
(20) Verena Kast, Neid und Eifersucht. Die Herausforderung durch unangenehme Gefühle, Zürich/Düsseldorf 1996, S. 36.
(21) Alexander Ulfig, „Geschlecht und Schuld“, in: Cuncti 11.07.2015:
http://www.cuncti.net/geschlechterdebatte/853-geschlecht-und-schuld
(22) Verena Kast, op. cit. 1996, S. 51.
(23) Peter Salovey/Alexander Rothmann, „Envy and Jealousy: Self and Society“, in: Peter Salovey (Hrsg.), The Psychology of jealousy and envy, New York 1991, S. 274.
(24) Sigmund Freud, „Weiblichkeit“, in: Ders., Gesammelte Werke Bd. XV, Frankfurt am Main 19674, S. 133f.
(25) Ebd., S. 134.
(26) Sigmund Freud, „Über die weibliche Sexualität“, in: Ders., Gesammelte Werke Bd. XIV, Frankfurt am Main 19684, S. 522.
(27) Sigmund Freud, op. cit. 19674, S. 144.
(28) Helene Deutsch, Psychologie der Frau, Eschborn 19882, S. 205.
(29) Ebd., S. 212.
(30) Ebd., S. 214.
(31) Karen Horney, Die Psychologie der Frau, München 1977, S. 11f.
(32) Ebd., S. 47.
(33) Ebd., S. 62.
(34) Ebd., S. 63.
(35) Ebd., S. 64.
(36) Ebd., S. 36ff.
(37) Rosemary H. Balsam, „Envy and Admiration among Women“, in: Léon Wurmser/Heidrun Jarass (Hrsg.), Jealousy and Envy. New Views about two powerful Feelings, New York 2008, S. 190f.
(38) Melanie Unseld (Hrsg.), Reclams Komponistenlexikon, Stuttgart 2009.
(39) Zitiert in: Alexander Ulfig, „Musik hat kein Geschlecht“, in: Freie Welt 07.03.2010:
http://www.freiewelt.net/blog/musik-hat-kein-geschlecht-1576/
(40) Adorján F. Kovács, „Neu gelesen, neu gesehen, neu gehört – Wie sich die Wahrnehmung der Kultur verändert“, in: Eckhard Kuhla (Hrsg.), Schlagseite. MannFrau kontrovers, Eschborn/Magdeburg 2011, S. 79ff.
(41) Ebd., S. 85.
(42) Ebd., S. 88.
(43) Zitiert in Kovács, ebd., S. 90.
(44) „Wenn du Frauen kritisierst, heulen sie“, in: 20minuten 10.062015:
http://www.20min.ch/panorama/news/story/-Wenn-du-Frauen-kritisierst–heulen-sie–23616811
(45) Don Alphonso, „Der ´Fall` Tim Hunt: Tonmitschnitt bringt seine Verfolger in Bedrängnis“, in: FAZ 24.07.2015:
http://blogs.faz.net/deus/2015/07/24/der-fall-tim-hunt-tonmitschnitt-bringt-seine-verfolger-in-bedraengnis-2730/
(46) „Forscherinnen protestieren mit Foto-Tweets“, in: Spiegel Online 12.06.2015:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/distractinglysexy-protest-gegen-tim-hunt-wegen-sexismus-a-1038467.html
(47) „Nobel laureate Tim Hunt resigns after ´trouble with girls` comments“, in: The Guardian 11.06.2015:
http://www.theguardian.com/education/2015/jun/11/nobel-laureate-sir-tim-hunt-resigns-trouble-with-girls-comments
(48) Don Alphonso, „Sexismus, Lügen und Twitter: Wie eine Jägerin zur Gejagten wird“, in: FAZ 29.06.2015:
http://blogs.faz.net/deus/2015/06/29/sexismus-luegen-und-twitter-wie-eine-jaegerin-zur-gejagten-wird-2706/
(49) Gotelind Alber, „Beim Klima zählt auch das Geschlecht“, in: Zeit Online 27.11.2015:
http://www.zeit.de/kultur/2015-11/klimakonferenz-paris-mann-risiko-geschlechtergerechtigkeit-10nach8
(50) Tina Groll, „Die Männer sind die Hüter der gläsernen Decke“, in: Zeit Online 29.09.2009:
http://www.zeit.de/karriere/2009-09/interview-carste-wippermann
(51) Gérard Bökenkamp, „Catherine Hakims Präferenztheorie: Was Frauen wollen“, in: Cuncti 18.08.2012:
http://www.cuncti.net/geschlechterdebatte/352-catherine-hakims-praeferenztheorie-was-frauen-wollen
Vgl. auch Michael Klein, „Ende einer Genderphantasie: Die ´Gläserne Decke` in Scherben“, in: ScienceFiles 15.09.2012:
http://sciencefiles.org/2012/09/15/ende-einer-genderphantasie-die-glaserne-decke-in-scherben/
(52) C. Landolt, „Frauen sind die besseren Chefs“, in: 20minuten 09.07.2014:
http://www.20min.ch/finance/news/story/Frauen-sind-die-besseren-Chefs-17187132
(53) Verena Wolff, „Die Mischung macht´s“, in: Süddeutsche Zeitung 16.03.2012:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/frauenquote-in-unternehmen-die-mischung-machts-1.1302962
(54) Ferdinand Knauß, „Der Mythos von den gemischten Teams“, in: Zeit Online 09.10.2012:
http://www.zeit.de/karriere/2012-09/managment-frauen-personal-diversity
(55) Günter Buchholz, „Warum die Frauenquote Männer diskriminiert“, in: Huffington Post 16.10.2014:
http://www.huffingtonpost.de/guenter-buchholz/warum-die-frauenquote-maenner-diskriminiert_b_5989244.html
(56) Verena Kast, op. cit. 1996, S. 47.
(57) Viktor Frankl, Die Psychotherapie in der Praxis: Eine kasuistische Einführung für Ärzte, München 2002.
Ich studierte Philosophie, Soziologie und Sprachwissenschaften.
Meine Doktorarbeit schrieb ich über den Begriff der Lebenswelt.
Ich stehe in der Tradition des Humanismus und der Philosophie der Aufklärung. Ich beschäftige mich vorwiegend mit den Themen "Menschenrechte", "Gerechtigkeit", "Gleichberechtigung" und "Demokratie".
In meinen Büchern lege ich besonderen Wert auf Klarheit und Verständlichkeit der Darstellung. Dabei folge ich dem folgenden Motto des Philosophen Karl Raimund Popper: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann“.