Was Frauen wollen

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Ella Whelans neues Buch „What Women Want“ kritisiert Fehlentwicklungen im zeitgenössischen Feminismus.

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Während ich diese Zeilen schreibe, stechen mir zwei Zeitungsartikel ins Auge, die den Zeitgeist der gegenwärtigen, destruktiven Sexualpolitik treffend zusammenfassen. In der New York Times nähert sich der Autor Stephen Marche dem Weinstein-Skandal auf pseudo-Freudsche Weise und folgert: „Wenn man Jungs Jungs sein lässt, werden sie wohl ihre Väter töten und mit ihren Müttern schlafen“. Die nunmehr als wahr angenommene „Brutalität der männlichen Libido“ werde durch die Weigerung der Männer verschlimmert, „über ihre eigene geschlechtliche Natur zu sprechen“.

Der zweite Artikel stammt von der „Problem-Seite“ des Observers. Darin formuliert eine parteipolitische Aktivistin folgende Frage: „Sollte ich einen Vorfall sexueller Belästigung auch dann melden, wenn ich später eine sexuelle Beziehung zu dem Täter hatte?“ Sie erklärt, wie sie zum besagten Zeitpunkt reagierte: „Ich habe gelacht, da ich nicht ganz sicher war, wie ich reagieren sollte.“ Doch nun sei sie aufgebracht und von Schuldgefühlen geplagt. „Angesichts der Presseberichte frage ich mich, ob ich sein Verhalten nicht doch melden sollte. Oder habe ich andere Frauen dadurch im Stich gelassen, dass ich mit meinem Belästiger geschlafen habe? Ich weiß, dass man mich dafür angreifen wird“.

Darauf antwortete Mariella Frostrup, die Kummerkastentante des Observers in ungewöhnlich zögerlicher und nervöser Weise. Warum? Auch darauf gibt Frostrup eine Antwort: Weil bei einem „so pulstreibenden Thema der wütende Mob alles tun wird, um Öl ins Feuer zu gießen und mich in einem 140-Zeichen-Inferno zu rösten“. Dennoch verweist sie vernünftigerweise auf die Gefahr „die Kunst der Verführung vollständig auszurotten. Wir können es uns nicht leisten, all die Grautöne aus der Diskussion auszublenden, egal wie laut und ätzend der Chor des Missfallens ist“.

„Das Buch beschreibt treffend die von Zensur und Autoritarismus getragenen Impulse zeitgenössischer feministischer Kampagnen.“

Fassen wir zusammen: Im Namen einer feministischen Kampagne charakterisieren sich Männer routinemäßig selbst als potentielle Täter; Ratgeber-Kolumnisten ziehen sich aus Angst vor dem Twittermob zurück; und schlimmer noch: Frauen, die vergangene Unannehmlichkeiten retrospektiv durch das MeToo-Prisma betrachten, fürchten von Feministinnen angegriffen zu werden, weil sie keine Vorfälle berichten wollen, die sie für sich abgeschlossen haben. Wie um alles in der Welt ist es so weit gekommen? Glücklicherweise hilft uns hier Ella Whelans neues Buch weiter: „What Women Want: Fun, Freedom and an End to Feminism“ (Connor Court, 2017).

„What Women Want“ ist eine notwendige Gegenrede zur MeToo-Hysterie. Notwendig auch deshalb, weil es Frauen mitunter schwerfällt, sich nicht als Verräterin an den eigenen Schwestern zu fühlen, wenn man Männer mal nicht wegen jeder kleinsten sexuellen Taktlosigkeit anklagt. Die Schmach wird umso schlimmer, sollte man gar auf die Idee kommen, die post-Weinsteinsche Suche nach Belästigern mit einer Hexenjagd zu vergleichen.

„What Women Want“ wurde bereits vor dem Weinstein-Skandal geschrieben und behandelt darum nicht dieses spezifische Thema. Dennoch beschreibt das Buch treffend die von Zensur und Autoritarismus getragenen Impulse zeitgenössischer feministischer Kampagnen. Als Beispiel sei hier die Aktion „Reclaim the Internet“ genannt, die die Bekämpfung von Online-Missbrauch zum Ziel hatte. Die britische Parlamentsabgeordnete Jess Philips gehört zu den treibenden Kräften hinter der Kampagne. Sie wünscht sich „couragierte Frauen, die aufstehen und eine aufrichtige Debatte provozieren und keine Männer mit großen Namen, die Frauen zum Schweigen bringen“. Doch Whelan argumentiert: Wer nach Mobbing und Missbrauch im Netz suche, der müsse sich nur ansehen, mit welcher Bösartigkeit jede Frau dort konfrontiert sei, die sich weigert, sich der vorherrschenden Meinung zum Thema sexuelle Belästigung widerspruchslos zu fügen. Oder – so fährt Whelan fort – man werfe nur einen Blick auf die ätzenden Tweets, die älteren, Anti-Trans-Feministinnen (auch Terfs genannt) entgegengeschlagen. Das genüge, um selbst den fanatischsten Alt-Right-Anhängern die Schamesröte ins Gesicht zu treiben.

„Whelan geht hart mit jenen ins Gericht, die einen Flirt oder enttäuschende sexuelle Verwirrungen mit ernsthaftem Missbrauch vermischen.“

Aus diesem Grund ist Whelans Buch heute so notwendig. Es untersucht die historischen Entwicklungen, die den Feminismus in eine solch desaströse Sackgasse geführt haben. So bietet es den Lesern ein frisches Bündel an Argumenten, um gegen diese regressiven Tendenzen anzukämpfen.

Es ist ein kurzes Buch, seine fünf Kapitel sind aber vollgepackt mit Themen wie Feminismus und seine Verachtung der Meinungsfreiheit, seine morbide Obsession vom Körper, seinen Krieg gegen sexuelles Vergnügen und seinen zerstörerischen Einfluss auf die Arbeitswelt. Whelan warnt sogleich, dass dies „kein feministischer ‚Do-It-Yourself‘-Text sei, keine Feminismus-Gebrauchsanweisung für unter 30-Jährige oder ein anekdotisches Nachsinnen darüber, was es bedeutet eine Frau zu sein“. Gut so.

Dennoch sind einige Rat gebende Zeilen enthalten, um praktische wie auch philosophische Probleme aus dem Weg zu räumen. Zum Beispiel merkt Whelan richtigerweise an, dass Twitter eine Brutstätte für Dummköpfe und Unruhestifter und damit denkbar ungeeignet sei, um über Online-Belästigung zu diskutieren. Der Schneeflocken-Mentalität hält Whelan eine einfache Botschaft entgegen: „Wenn Du damit nicht klarkommst, halte Dich davon fern. Niemand zwingt Dich zu twittern“. Sie verteidigt auch das Recht, wütend zu sein: „Zur Freiheit gehört auch, mit ein paar Kraftausdrücken einen nervigen Online-Streit loszuwerden […] Wollen Frauen jede Emotion aus öffentlichen Debatten verbannen, nur ein paar verletzter Gefühle wegen?“

Und trotz Whelans Protesterklärungen wird das Buch dort am interessantesten, wo sie in anekdotischem Ton auf ihre Lebenserfahrung zugreift, um über die wirklichen Herausforderungen junger Frauen im Jahre 2017 zu reflektieren. Whelan schreckt nicht vor Problemen zurück und ebenso wenig schildert sie die Dinge in rosigen Farben. Stattdessen geht sie hart mit jenen ins Gericht, die einen Flirt oder enttäuschende sexuelle Verwirrungen mit ernsthaftem Missbrauch vermischen. Darum kritisiert sie all die Feministinnen, die „Frauen dazu anstacheln, in sexuellen Begegnungen das Risiko und die Bedrohung zu sehen und nicht das Spannende.“

„Whelan erinnert daran, dass es noch in den 1960er-Jahren üblich war, Frauen den Ausgang zu verbieten, um sie vor angeblichen Gefahren durch das andere Geschlecht zu beschützen.“

Sie räumt ein, dass es vielen Frauen unangenehm sein mag, nachts allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein: „Wenn ich in einer dunklen Straße einem fremden Mann begegne, schlägt mein Herz ein wenig schneller, als wenn es sich um eine Frau mit einem Baby handelt“. Aber sie ordnet dies auch in den historischen Kontext ein, und erinnert an den bedeutsamen Befreiungskampf, der Frauen die Freiheit brachte, in kurzen Röcken auf die Straße zu gehen, ohne belästigt oder verurteilt zu werden – und das ganz ohne Aufpasser.

Whelan erinnert daran, dass es noch in den 1960er-Jahren üblich war, Frauen den Ausgang zu verbieten, um sie vor angeblichen Gefahren durch das andere Geschlecht zu beschützen. An dieser Stelle zitiert sie die Freiheits-Aktivistin Camille Paglia mit ihrem berühmten Diktum, dass Frauen für die Freiheit gekämpft hätten, das „Risiko einer Vergewaltigung eingehen“ zu dürfen. Das bedeutet nicht, dass „von Frauen erwartet wurde, zu lächeln und ungebetene sexuelle Annäherungen von Männern zu dulden, ob geringfügiger oder krimineller Natur“; vielmehr hätten solche damals radikalen Aktivistinnen dafür gekämpft, dass Frauen „genauso frei wie Männer sein können, sexuelle Beziehungen einzugehen“. Und das bedeutete, ihr Sexualleben „in die eigene Hand zu nehmen“. Sie folgert, dass Frauen „um die diffuse Angst vor dunklen Straßen und einsamen Nachtbusfahrten zu nehmen, nicht der Versuchung erliegen dürfen, sich selbst ständig als potentielle Opfer zu sehen. Wir sollten Frauen ermuntern, sich in der Lage zu fühlen, mit solchen Situationen umgehen zu können.“

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Whelan wird ausgesprochen deutlich, wenn sie die „morbide Fetischisierung negativer sexueller Erfahrungen“ zerpflückt. Beispielsweise seziert sie die Vorkommnisse um das sogenannte „Matratzen-Mädchen“ Emma Sulkowicz, einer Studentin an der Columbia Universität. Berühmt und berüchtigt wurde Sulkowicz dadurch, dass sie ihre gegen einen Kommilitonen gerichteten Vergewaltigungsvorwürfe in ein Kunstprojekt verwandelte, das darin bestand, dass sie auf dem Campus stets eine Matratze mit sich herumtrug. Diese visuelle Darbietung betrachtete sie als „Frage der Ausdauer […] das war der Kampf gegen Vergewaltigung schon immer“. Aber, wie Whelan hierzu ausführt, zeigt dies sehr deutlich, wie Frauen „ermuntert werden, ihre negativen Erlebnisse wie eine Monstranz vor sich herzutragen und als Teil ihrer Identität zu begreifen“. Die Vorstellung, dass Vergewaltigung etwas sei, dass Frauen stets zu erdulden und mit sich herum zu schleppen hätten, „zementiert die Vorstellung, dass eine Vergewaltigung Frauen verändert […] sie definiert sich fortan nicht mehr selbst, sondern wird durch diesen aufgezwungenen Akt definiert“.

Das – so Whelan – nehme Frauen die „Möglichkeit, sich das zurückzuholen, was ihnen durch diese Tat genommen wurde: ihre Freiheit – die Freiheit, nicht die Frau sein zu müssen, die überfallen oder vergewaltigt wurde“. Dies ist eine beachtliche Antwort auf die Frage, wie ein Mensch selbst mit schlimmsten Erlebnissen zurechtkommen kann und es sollte jenen, in deren Sicht schon die bloße Berührung eines Knies das gesamte Leben einer Frau zerstören kann, Anlass zum Nachdenken geben.

„In Whelans Augen degradiert der neue ‚Ekel-Feminismus‘ Frauen zu ‚viszeralen, biologischen Kreaturen‘.“

„Was Frauen wollen“ kann auch durchaus lustig sein. Im Kapitel „Feminismus und der Körper“, schreibt Whelan, dass Feministinnen „in Sachen Sprache zum Restriktiven neigen. Bei Körpern aber wollen zeitgenössische Feministinnen offenbar gerne alles raushängen lassen“. Sie bespricht auch urkomische Beispiele für die feministische Obsession mit Genitalien. Man nehme etwa Pussy Hats oder den Frauenmarsch, auf dem jede Menge Plakate mit „handgemalten Uterus-Abbildungen, Vaginas und Busen zu sehen waren – untermalt von Sprechchören, die sich auf ‚Muschis‘ und ‚Fotzen‘ reimen“.

Whelan erkennt darin eine historische Wende in der Frauenbewegung. Ging es im Feminismus früher noch um „den Kampf für das Recht einer Frau, Abwasch, Babyflasche und Küchenutensilien des Privatlebens hinter sich zu lassen und am öffentlichen Leben mit Männern gleichberechtigt teilzuhaben“, so gehe es heute mehr und mehr darum, „Frauen zurück ins Badezimmer zu drängen, ihnen einen Spiegel in die Hand zu drücken und sie zur Sinnsuche durch Anstarren ihres Arschlochs zu animieren.“

In Whelans Augen degradiert dieser neue „Ekel-Feminismus“ Frauen zu „viszeralen, biologischen Kreaturen“. Whelan kritisiert vor allem die feministische Mode des seelischen und körperlichen Exhibitionismus. Sie zitiert in diesem Zusammenhang Caitlin Morgans semi-biografischen Roman „How to Build a Girl“, in dem die Autorin behauptet, Frauen könnten gar nicht exhibitionistisch genug sein. Oh doch, das können sie, widerspricht Whelan. So scheinen heutige Feministinnen beispielsweise geradezu besessen davon zu sein, sich ständig und endlos über ihre Menstruation auszulassen.

„Wir sollten den modernen selbstbezüglichen Feminismus aufgeben.“

Vergangenes Jahr war ich Gast auf einer quälenden Dinnerparty. Eine prominente Feministin spielte sich mir und anderen Gästen gegenüber auf, weil wir uns zierten, während des Essens über unsere französischen Windbeutel hinweg über unsere Periode zu sprechen. Vor dem Parlamentsgebäude standen Frauen mit blutgetränkten weißen Jeans, um gegen die Besteuerung von Tampons zu demonstrieren. Man verspottete mich, weil ich der Aktion nicht genügend Sympathie abgewinnen konnte. Ich erzählte von einer Indienreise und den Aktivistinnen, denen ich dort begegnete. Sie kämpften für das Recht der Ärmsten, Zugang zu Toiletten zu haben, um dort im Privaten urinieren und menstruieren zu können. Zuerst erntete ich leere Blicke und dann Mitleid. „Mir ist aufgefallen“, sagte meine Tischnachbarin, „dass Frauen ab einem gewissen Alter oft zu gehemmt sind, um zu erkennen, wie wichtig es ist, gegen die Stigmatisierung der Menstruation zu kämpfen“. Whelans Buch hat mir geholfen, diese gruselige Herablassung zu verstehen. Um diese Orthodoxie beim Namen zu nennen: „Frauen, die nicht auf Twitter oder in irgendwelchen Artikeln über ihre Körperflüssigkeiten schreiben, sind unterdrückt, gehemmt und zeigen offenbar Symptome internalisierter Frauenfeindlichkeit“.

Am Ende des Buches steht ein lauter Ruf zu den Waffen. Wir sollten den modernen selbstbezüglichen Feminismus aufgeben. „Er ist keine politische Bewegung mehr. […] Stattdessen ist er zu einer Identität geworden. […] Statt Mittel zum Zweck zu sein […] ein Mittel zur Frauenbefreiung […] ist er zum Selbstzweck verkommen.“ Die Frage, was Frauen wollen, beantwortet Whelan mit Optimismus: „Frauen wollen die Freiheit genießen, Spaß zu haben und unabhängig zu denken“. Möglicherweise bin ich etwas abgeklärter und befürchte, dass junge Frauen in den feministischen Identitäts-Strudel gerissen werden. Vielleicht benötigen sie einen kleinen Schubs, um dem zu entkommen. Werde ich also gefragt, was Frauen wollen (oder womöglich brauchen), so lautet die Antwort: ein Exemplar dieses Glanzstücks von Ella Whelan.

Aus dem Englischen übersetzt von Kevin Fuchs. 

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