Das Deutsche Historische Museum hat Cuncti unter dem Hashtag #DHMDemokratie zu einer Blogparade eingeladen. Das Thema: Was bedeutet mir Demokratie.
Neulich kam ich in einem Café zufällig mit einem älteren Mann ins Gespräch. Irgendwann im Laufe des Gesprächs fingen wir an, über Freiheit und Demokratie in Deutschland zu diskutieren.
Er meinte, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrsche. Ich bin da sehr skeptisch und kritisch. Ich sagte ihm, dass es in Deutschland seit zwei Jahren eine Zensur im Internet gibt. In den sozialen Medien, auf Facebook, Twitter und Youtube, werden posts und ganze accounts völlig willkürlich oder unter dem Vorwand von „Hate Speech“ gesperrt (siehe „Hate Speech und Demokratie – #DHMDemokratie“).
Ich argumentierte dann allgemeiner und kam auf die Politische Korrektheit zu sprechen. Sie stellt eine besonders perfide Form der Zensur dar. Es gibt zwar kein Zensuramt wie in kommunistischen Staaten des ehemaligen Ostblocks, das man lokalisieren könnte und das Verbote erteilen und sie überwachen würde, vielmehr handelt es sich bei der Politischen Korrektheit um eine verinnerlichte Zensur; die Menschen haben die Verbote weitgehend verinnerlicht und haben Angst, ihre Meinung zu sagen. Diese Versklavung des Denkens ist meinem Gesprächspartner bis jetzt gar nicht aufgefallen.
Regierungskritische oder EU-kritische Meinungen werden als „rechts“, „rechtspopulistisch“ oder „rechtsextrem“ abgestempelt. Damit werden Kritiker in die rechte Ecke gestellt, aus dem Diskurs ausgeschlossen und mundtot gemacht. Der Vorwurf, ein Rechtspopulist oder ein Nazi zu sein, ist sehr unbestimmt und wird inflationär verwendet. Jeder kann in Deutschland zu einem Nazi gemacht werden. Ein falsches Wort, ein Satz aus dem Kontext herausgerissen, eine abweichende Meinung, und schon ist es passiert, schon ist man ein Nazi. Das ist sehr bedenklich, denn wenn jeder zu einem Nazi gemacht werden kann, können dann Menschen, die tatsächlich nationalsozialistisches Gedankengut hegen, nicht mehr als Nazis erkannt werden.
Da ich mit Akzent spreche, merkte mein Gesprächspartner, dass ich aus Osteuropa komme, was ich ihm bestätigte. Ich betonte dann gleich, dass in Osteuropa eine viel größere Meinungsfreiheit als in Deutschland herrscht, und zwar aus dem folgenden Grund: In Osteuropa hat sich die Ideolologie der Politischen Korrektheit noch nicht durchgesetzt. Dort können die Menschen – auch in den Medien – sagen, was sie denken. Das verblüffte meinen Gesprächspartner.
Abschließend verwies ich noch darauf, dass eine so wichtige Errungenschaft unserer Zivilisation wie die Satire eingeschränkt und allmählich abgeschafft wird, weil man über bestimmte Gruppen nicht mehr lachen darf, sich über sie nicht lustig machen darf. Selbst an den Königshöfen des Mittelalters gab es Hofnarren, die sich über den König und vieles andere mehr lustig machen durften. All das konnte meinen Gesprächspartner nicht richtig überzeugen, aber es gab ihm etwas zu denken.
Dann kamen wir auf das Thema Demokratie zu sprechen. Mein Gesprächspartner behauptete: „Wir leben in einer Demokratie“. Auch hier bin ich sehr skeptisch und kritisch. Zunächst verwies ich ihn darauf, dass durch die Frauenquote in den politischen Parteien die innerparteiliche Demokratie ausgehebelt wird (siehe „Verstoßen Frauenquoten gegen Demokratie? – #DHMDemokratie“). Der Grundsatz der innerparteilichen Demokratie besagt, dass alle Parteimitglieder gleichwertig sein sollten und dass alle Parteien ihren Mitgliedern die gleichen Mitwirkungsrechte gewähren sollten. Genauer: Alle Parteiämter müssen allen Parteimitgliedern offenstehen. Die Frauenquote verstößt gegen diesen Grundsatz.
Ich machte ihn ferner darauf aufmerksam, dass alle wichtigen, alle grundlegenden politischen Entscheidungen in Deutschland demokratisch nicht legitimiert wurden. Die Deutschen konnten über wichtige und grundlegende politische Projekte gar nicht demokratisch abstimmen, z. B. über die Einführung des Euro, den Vertrag von Maastrich, über den Lissabonner Vertrag, das Schengener Abkommen usw. Auch über die Einführung von wichtigen gesellschaftlich-politischen Projekten wie die von Gender Mainstreaming (auch Gleichstellungspolitik genannt) wurde nicht demokratisch abgestimmt. Es gab nicht mal eine Debatte über den Sinn dieses Projekts. Gender Mainstreaming wurde von oben (Top-Down) über die Köpfe der Bürger hinweg flächendeckend eingeführt. Die Deutschen haben auch nicht darüber abgestimmt, ob sie Migration bzw. weitere Migration haben möchten oder nicht. In Ungarn gab es 2016 eine solche Abstimmung. Auf undemokratische Strukturen in der EU-Bürokratie, z.B. darauf, dass die Kommissare, die über wichtige Dinge entscheiden, gar nicht demokratisch gewählt werden, bin ich erst gar nicht eingegangen.
Mit Anspielung auf Osteuropa betonte mein Gesprächspartner, dass doch in Polen die Demokratie abgebaut wird. Als Beleg dafür nannte er das neue Justizgesetz. Ich hakte nach und fragte ihn, wie das Gesetz genau lautet. Die Frage konnte er mir leider nicht beantworten, weil er kein Polnisch konnte. Er hat nur in deutschen Zeitungen gelesen, dass dem neuen Gesetz zufolge Verfassungsrichter durch politische Parteien bestimmt werden können. Daraufhin machte ich ihn darauf aufmerksam, dass seit Anbeginn der Bundesrepublik Verfassungsrichter von politischen Parteien vorgeschlagen und durchgeboxt werden (siehe z.B. die Berufung des CDU-Politikers Stephan Harbarth Ende 2018). Für etwas, was in der Bundesrepublik immer schon gemacht wurde, werden die Polen verteufelt. All das gefiel meinem Gesprächspartner nicht. Aber es war ein kontroverses Gespräch. Und darum geht es in einer Demokratie.
Literatur: Alexander Ulfig, Wege aus der Beliebigkeit, Baden-Baden 2016.
Ich studierte Philosophie, Soziologie und Sprachwissenschaften.
Meine Doktorarbeit schrieb ich über den Begriff der Lebenswelt.
Ich stehe in der Tradition des Humanismus und der Philosophie der Aufklärung. Ich beschäftige mich vorwiegend mit den Themen "Menschenrechte", "Gerechtigkeit", "Gleichberechtigung" und "Demokratie".
In meinen Büchern lege ich besonderen Wert auf Klarheit und Verständlichkeit der Darstellung. Dabei folge ich dem folgenden Motto des Philosophen Karl Raimund Popper: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann“.