Umweltsau: spalten statt versöhnen

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Der Streit um das Umweltsau-Lied und die Selbstzerstörung linker Politik

„Versöhnen statt spalten“ war 1987 das Wahlkampfmotto des SPD-Spitzenkandidaten Johannes Rau. Auch wenn er damals die Wahl gegen den Kanzler Helmut Kohl verlor, war die SPD damals immerhin noch nicht zur Kleinpartei geschrumpft. Die erregte Debatte um das Umweltsau-Lied, das der WDR von einem Kinderchor hat singen lassen, auf seiner Webseite veröffentlicht und dann gleich wieder zurückgezogen hat, zeigt im Kleinen, warum es linker Politik schadet und nicht nützt, wenn Linke heute eher auf Spaltung als auf Versöhnung setzen. Das lässt sich jenseits von Rechts-Links-Verortungen, auf die ich mich hier aufgrund meines eigenen Hintergrundes beziehe, leicht auf demokratische Politik insgesamt übertragen.

Ehrliche Makler und rechte Trolle. Zur Vertrauenwürdigkeit linker Politik

Ich habe hier im Blog ja schon mehrfach beschrieben, dass ich in einer stark politisierten Familie aufgewachsen bin, die seit mehreren Generationen sozialdemokratisch war. Meine Mutter erzählte, dass ein wesentlicher Grund für die Loyalität zur SPD in ihrer Familie die Erfahrung war, dass Sozialdemokraten „ehrliche Makler“ gewesen wären: Sie hätten sich für Arbeiter eingesetzt, ohne ihnen falsche Versprechungen zu machen.

Das mag Verächtern der Sozialdemokratie naiv erscheinen, und das ist es angesichts des heutigen Zustands der SPD auch, es hatte aber gute Gründe. Zumindest auf kommunaler Ebene haben offenbar viele Menschen einst vertrauenswürdige Sozialdemokraten erlebt, und das war ganz besonders wichtig für Menschen, die oft das Gefühl hatten, für dumm verkauft oder betrogen zu werden.

Gerade jemand, der eine Politik für Menschen machen möchte, die benachteiligt sind, und der ihnen nicht einfach nur Ressentiments und Verbitterung servieren will – der muss vertrauenswürdig sein. Er, oder sie, muss nämlich davon ausgehen, dass diese Menschen schon vieles erlebt haben, was sie mit gutem Grund misstrauisch werden lässt.

Wenn heute Akteure, die sich für links halten, auf die Vertrauenswürdigkeit ihrer Standpunkte überhaupt keinen Wert legen, dann zeigt sich darin auch die Entfernung von der Lebenswirklichkeit vieler Menschen, die sie zu vertreten vorgeben. Die erbittert umkämpfte Farce um das Umweltsau-Lied des WDR ist dafür ein kleines, aber eindrucksvolles Beispiel.

Seltsamerweise spielt dabei die naheliegende Frage kaum eine Rolle, welche Gründe es denn eigentlich haben könnte, dass das Lied so unmäßig diskutiert wird.

Die behauptete satirische Absicht jedenfalls konnten viele offenbar deshalb nicht erkennen, weil der dort erhobene Vorwurfdie ältere Generation der Umweltsäue würde den Jüngeren die Zukunft zerstören – im Kontext von Fridays For Future viel zu oft schon ernsthaft erhoben wurde, als dass sie hier noch ernsthaft als Satire interpretiert werden könnten.

Stefan Niggemeier zeigt, dass das Lied schon im November bei „Satire deluxe“ gespielt wurde (hier bei 0:34:28). Dort aber stellte der Kontext klar, dass die Beschimpfung einer Oma als „Umweltsau“ eine Satire auf Fridays for Future war. Auch diese naheliegende Frage aber stellt kaum jemand: Was ändert sich, wenn das Lied ganz ohne Kontext nicht von zwei erwachsenen Satirikern, sondern von einem Mädchenchor gesungen wird?

Dass viele Menschen hier böse Absicht, Instrumentalisierung von Kindern und politische Indoktrination vermuteten, zeigt vor allem, wie enorm politische Debatten mittlerweile von Misstrauen geprägt sind: Anstatt dem WDR zuzugestehen, möglicherweise schlicht einen etwas dämlichen Fehler gemacht zu haben, hatten viele Kritiker keinen Zweifel, dass das Lied Teil einer politischen Agenda ist, in der ausgerechnet das Gros der verbliebenen Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Sender – nämlich Menschen älterer Generationen – verhöhnt wurde.

Anstatt aber diesem Misstrauen zu begegnen, zementierten die Verteidiger des Umweltsau-Liedes die aufgerissenen Schützengräben und lancierten, die Empörung über das Lied sei ein Werk einer „rechten Trollarmee“ gewesen. Mit der Löschung des Liedes aus der Mediathek habe der WDR-Intendant Buhrow vor einer rechten Kampagne gekuscht. Der Spiegel und der WDR (nur noch bis zum 11.1. verfügbar) präsentieren ohne kritische Distanz „Analysen“, in denen die Debatte als gezielte rechte Kampagne dargestellt wird.

Zwei Analysen, die alle wichtigen Fragen vermeiden

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Der Blogger „stefanolix“ hat in zwei Beiträgen diese Analysen auseinandergenommen und gezeigt, dass die Behauptungen in keinem Fall begründet waren. Aus den Daten von Luca Hammer, auf dessen „Datenanalyse“ sich der Spiegel beruft, ergibt sich sogar das glatte Gegenteil der Behauptung eines Einknickens vor einen rechten Shitstorm: Ganz eindeutig sind die weitaus meisten Tweets, die er verarbeitet, erst nach der Löschung des Liedes verfasst worden.

Auskünfte zu den zugrundeliegenden Daten gibt Luca Hammer ebenso wenig wie Philip Kreißel, dessen Datenauswertung vom WDR verwertet wird. Allein der Spiegel-Artikel, der auf Hammers Daten basiert, nennt in einer ursprünglichen Version ganze zwei Accounts namentlich – und liegt damit gleich zu mindestens 50% daneben, weil einer davon in der fraglichen Zeit nachweislich gesperrt war.

Vage bleiben auch die Kriterien, warum Twitter-User als „rechts“ eingeordnet werden. Hier rächt sich, dass Hammer und Kreißel auf einen unverzichtbaren Teil von Diskursanalysen verzichten – nämlich auf die inhaltliche Analyse des Umweltsau-Lieds und der Reaktionen darauf. So können sie dann jedoch  die Rede von einer „Kampagne“ überhaupt nicht begründen und auch nicht die Unterstellung, die Kritik am Lied wäre rechts.

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Sie begründen ihre Einordnung lediglich mit Interaktionen zwischen Accounts – wobei noch nicht einmal klar ist, ob dabei User andere User retweetet haben oder von ihnen retweetet wurden, oder ob Antworten und Kommentare kritisch oder zustimmend waren.

Nun ist es jedoch keineswegs überraschend, dass Menschen im Netz mit anderen Menschen vernetzt sind, also User kennen, die User kennen, die Unser kennen, usw. Überraschend ist allerdings das Bild, dass sich aus der Datenverarbeitung von Luca Hammer ergibt: das eines deutlich gespaltenen Diskurses, in dem zwei Gruppen jeweils unter sich über das Umweltsau-Lied diskutieren, während es kaum Interaktionen zwischen ihnen gibt.

Das ist erstens deshalb ein Problem, weil es laut Rundfunkstaatsvertrag zu den grundlegenden Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört, „den gesellschaftlichen Zusammenhalt (…) fördern“ zu müssen (§11.1). Ganz offensichtlich hat der WDR mit seinem Lied eben das Gegenteil erreicht – was noch dadurch verstärkt wird, dass nur in einer der genannten Gruppen mit Jan Böhmermann, Mario Sixtus oder Patrick Gensing öffentlich-rechtliche Mitarbeiter prominent an den Diskussionen beteiligt sind.

Seltsamerweise aber fragt niemand der Analytiker, wie denn eigentlich eine so überraschende, dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zuwiderlaufende Spaltung des Diskurses überhaupt möglich ist. Es liegt nahe, dass hier Blocklisten eine Rolle gespielt haben könnten, wie sie Jan Böhmermann besonders prominent zusammengestellt hat – aber auch das ist nur eine Vermutung, die mit Daten untermauert oder widerlegt werden müsste.

Doch auch noch andere naheliegende, wichtige Fragen werden von Hammer oder Kreißel schlicht nicht gestellt. Da die Diskussion erst nach der Löschung und den ersten massenmedialen Berichten zum Song eskalierte, gehörte es eigentlich dazu,  zu untersuchen, wie groß denn eigentlich der Beitrag der Massenmedien zur Debatte war. Auf den ersten Blick war ihr Einfluss enorm, und es wäre auch über den konkreten Fall hinaus wichtig und interessant zu erfahren, wie das Agieren von Massenmedien die Dynamik sozialer Netzwerke prägt.

Weder Hammer noch Kreißel stellen zudem eine Frage nach dem Einfluss des misslungenen Krisenmanagements des WDR. Shitstorms wie der um den Smoothie-Produzenten True Fruits legen nahe, dass es ein Fehler ist, bei aufkommender Kritik schnell zurückzustecken, und dass es lohnend sein kann, sich durch mediale Aufregung nicht beeindrucken zu lassen. Es ist also sehr gut möglich, dass das Löschen des Liedes die Aufregung eher befeuert als gemildert hat – aber auch das ist ohne eine inhaltliche Analyse der Beiträge nicht zu klären.

Völlig außer Acht lassen Kreißel und Hammer auch, dass gleich mehrere Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Debatte nicht etwa moderiert, sondern lustvoll weiter eskaliert haben. Hier wäre es wichtig gewesen zu untersuchen, ob sich Aufregungen nicht auf das Lied selbst, sondern auf diese nachgeschobenen Abwertungen von Kritikern bezogen.

Es fehlt schließlich auch eine Einschätzung der Bedeutung des untersuchten Mediums Twitter, in dem immerhin nur ein Bruchteil der Deutschen aktiv ist. Damit kann eine rechte Bedrohung weit überschätzt werden, wenn einige besonders engagierte Akteure die Debatte prägen, wie das ja zum Beispiel das rechtsidentitäre Ein-Prozent-Projekt anstrebt. Es ist aber auch möglich, dass Linke ein paar hundert oder tausend Likes mit der Zustimmung der Bevölkerung verwechseln.

Der Eindruck ist also insgesamt nicht von der Hand zu weisen, dass Kreißel und Hammer alle Fragen vermeiden, die zwar zur Klärung der Debatte unverzichtbar wären, die aber nicht zu ihrer Ausgangsthese einer „rechten Kampagne“ passen. Das ist umso gravierender, als damit Menschen, die sich über eine Betitelung als „Umweltsäue“ aufregten, dann noch dazu als Nazis oder als rechte Trolle hingestellt wurden – millionenfach verbreitet von Großinstitutionen wie dem Spiegel oder dem WDR.

Noch effektiver lässt sich Vertrauen kaum zerstören.

Discounterfleisch und bodenlose Inkompetenz: Soziale Verachtung als linke Politik?

Bei aller Behauptung einer „Initiierung und Amplifizierung“ der Debatte durch Rechte ignorieren Kreißel und Hammer auch galant, dass einige der meistverbreiteten Twitter-Beiträge von Verteidigern des Liedes stammten. Ein Thread, der besonders viel Zustimmung erhält, stammt von einem Aachener Literaturprofessor, dessen Abfolge von Tweets sich im Wesentlichen darauf beschränkt, wütend darzulegen, dass es den Kritikern des Liedes „bodenlos“ selbst noch an basalen Fähigkeiten zur Interpretation von Texten fehle.

Tatsächlich ist natürlich auch seine eigene Position angreifbar, die er übrigens bei aller Wut überhaupt nicht formuliert, die ich hier aber wohlgesonnen rekonstruiere. Natürlich bezieht sich Literatur, auch ein Lied, anders auf die politische und soziale Wirklichkeit als etwa eine Nachricht oder ein Tagesthemen-Kommentar – darauf zielt der Professor wohl ab. Trotzdem ist es völlig rational, wenn wir dann und wann auch Lieder als politische Kommentare interpretieren.

Nun wäre es eigentlich eine Aufgabe eines Intellektuellen zu  analysieren, welche Faktoren zur erregt gespaltenen Interpretation eines kleinen Liedes führen, und vielleicht auch zu fragen, ob sich in dieser Spaltung des Diskurses womöglich soziale Spaltungen ausdrücken. Statt diese Spaltungen aber zu analysieren, reproduziert und vertieft der Professor sie, indem er die Akteure der Gegenseite als tumbe Toren darstellt und das mit seiner eigenen akademischen Position beglaubigt.

Die herablassende Verachtung gegenüber Kritikern des Lieds, die hier kaum verhohlen auch eine Verachtung des Pöbels ist, demonstriert besonders prominent und unter großem Beifall Jan Böhmermann: Wer sich jeden Tag billiges Discounterflisch aufbrate, wäre eine Umweltsau.

Dass hier ausgerechnet Akteure, die sich für links halten, von oben herab soziale Verachtung vorführen, ist natürlich gerade für linke Politik fatal. Interessant ist gleichwohl, was geschieht, als ein kleiner Account die neo-feudale Haltung Böhmermanns scharf angreift. Ein User aus einer kleinen philosophisch orientierten Twitter-Community zitiert Böhmermann und kommentiert: „Erstick an deinem Sozialchauvinismus, Jan Böhmermann!

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Böhmermann retweetet für seine 2,2 Millionen Follower diesen Kommentar kommentarlos, und von denen melden so viele den kleinen Account mit knapp 650 Followern bei Twitter, dass die Plattform ihn für 12 Stunden sperrt.

Natürlich ist das nicht ohne Komik: Böhmi und seine Follower machen sich über Menschen lustig, die es nicht komisch finden, wenn ein öffentlich-rechtlicher Kinderchor Omas als Umweltsäue bezeichnet – und dieselben Menschen sind in demselbem Moment davon überzeugt, dass es selbstverständlich nichts als eine ernsthafte Gewaltdrohung sein kann, wenn jemand dem Moderator wünscht, an seinem Sozialchauvinismus zu ersticken.

Selbstreflexion? Brauch ich nicht, ich bin schon reflektiert

Noch etwas anderes aber ist auffällig an dieser Episode: Böhmi und seine Anhänger merken bei allem Kampf gegen rechts offenbar nicht, dass diese Kritik ausdrücklich von links kam. Die Überzeugung, selbst irgendwie immer schon links und aufgeklärt zu sein, lässt sich durch solche Petitessen nicht erschüttern.

Vor allem interessiert sich niemand dafür, wie knallhart der Moderator seine überlegene Position nutzt, die ihm durch seinen öffentlich-rechtlichen Sender ermöglicht wird. Bei 2.200.000 Followern gegen 648 Follower muss er seine Anhänger nicht einmal explizit zum Handelns auffordern, sondern kann sich darauf verlassen, dass gewiss ausreichend viele von ihnen reagieren werden. Es reicht, wenn er ihnen ein Ziel markiert.

Wer eine solch erhebliche, institutionell abgesicherte Machtdifferenz so bedenkenlos nutzt und sich zugleich als irgendwie links und irgendwie als Kämpfer der Marginalisierten präsentiert, der ist entweder ein Lügner, oder es fehlt ihm an Selbstreflexion.

Auch die Bildung, die der oben zitierte Professor und viele andere so stolz von oben herab demonstrieren, hört zielsicher immer rechtzeitig auf, Bildung zu sein, sobald sie in Selbstreflexion umzuschlagen droht.

Das gilt auch für die farcehafte Affäre insgesamt. Kein Verteidiger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt auf die Idee, dass die Aufregung möglicherweise auch deshalb so unmäßig hochkochte, weil die Öffentlich-Rechtlichen sich schon seit Jahren der Diskussion darüber entziehen, wie Rundfunkbühren von 8 Milliarden Euro jährlich eigentlich noch gerechtfertigt werden können. Dabei hat ein Gutachten eines Beirats des Bundesfinanzministeriums diese Legitimation schon 2014 angezweifelt (das Gutachten war vor wenigen Tagen noch auf der Seite des Finanzministeriums als pdf-Datei verfügbar, nun habe ich es dort nicht mehr gefunden).

Die Unfähigkeit zur Selbstreflexion ist jedoch besonders fatal bei gesellschaftlichen Eliten, die sich selbst diffus für links halten: Zwischen dem Anspruch einer progressiven und aufklärerischen Politik und der eigenen institutionell abgesicherten Machtposition nehmen sie damit eigene Widersprüche nicht wahr, die für andere unübersehbar sind.

Die vier apokalyptischen Deppen der Linken

Auch in der fehlenden Selbstreflexion zeigt sich eine Spaltung öffentlicher Debatten. Wer sich in einem eng umgrenzten Umfeld beständig Bestätigungen des eigenen Selbstbildes besorgt und wer es nicht mehr gewohnt ist, sich selbst aus der Perspektive ganz anderer, kritischerer Menschen wahrzunehmen – der hat dann eben auch gar keinen Anlass mehr, kritisch über sich selbst zu reflektieren.

In der Umweltsau-Debatte und ihrer Auswertung zeigt sich diese Spaltung auch in einer Verweigerung des Dialogs. Obwohl beispielsweise gleich mehrere User – darunter die Philosophieprofessorin Sabine Döring und der Professor für Computerwissenschaften Florian Gallwitz – bei Twitter freundlich und sachlich nachfragen, auf welcher Datenbasis denn Hammer und Kreißel zu ihren Ergebnissen kommen, bleiben die konsequent eine nachvollziehbare Antwort schuldig.

Orchestriert wird diese Spaltung durch rhetorische Freund-Feind-Muster. Wer davon redet, dass „eine Trollarmee gegen die Sender zu Felde zieht“, benutzt seinerseits ein militärische Vokabular für die Beschreibung von Diskursen, das eine Verständigung ausschließt. Die Akteure, die auf der Gegenseite verständigungsbereit sind, kommen in dieser Logik dann gar nicht mehr vor – oder sie erscheinen als nützliche Idioten, die sich von den Trollen funktionalisieren lassen.

Wer sich aber so auf Freund-Feind-Muster fixiert und nicht mehr einräumt, dass sich im Diskurs alle Gruppen aus unterschiedlichen Perspektiven auf eine gemeinsame Wirklichkeit beziehen, der verliert selbst seinen Realitätsbezug. So verstricken sich denn eben auch öffentlich-rechtliche Akteure – und wir mit ihnen – in erbitterte interne Debatten um ein Kinderlied, während wesentlich wichtigere Debatten um die ökonomische Zukunft des Landes und die Organisation sozialer Gerechtigkeit schlicht ausbleiben.

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Die Parteien verlieren zudem in diesen Spaltungen ihre Mehrheitsfähigkeit, auf die linke Parteien besonders angewiesen sind. Denn die Konzentration auf die Belange kleiner Minderheiten kann sich nur eine Partei leisten, die für eine gesellschaftliche Elite agiert – denn deren Position ist so stark, dass sie ihre Belange auch ohne Mehrheiten durchsetzen kann.

Wer sich hingegen für Menschen einsetzen möchte, die in einer Position der Schwäche agieren müssen – der ist chancenlos, wenn er keine Mehrheiten organisieren kann. Das wiederum ist nur dann möglich, wenn verschiedene gesellschaftliche Milieus miteinander vermittelt werden, anstatt sie gegeneinander auszuspielen.

So farcehaft die Debatte um das Umweltsau-Lied also auch sein mag, macht sie doch in einem kleinen, übersichtlichen Rahmen klar, wie heute eine demokratische linke Politik bekämpft wird – nicht nur von Rechten, sondern auch von Akteuren, die sich selbst für links halten.

Es sind keine apokalyptischen Reiter der Linken, die hier toben, das wäre viel zu pathetisch. Zur Farce passt eher ein Bild der vier apokalyptischen Deppen: Unehrlichkeit – elitäre Verachtung  – fehlende Selbstflexion – und die Lust an gesellschaftlichen Spaltungen.

Nachtrag: Ich habe den Account zum „Sozialchauvinismus“-Tweet unlesbar gemacht, weil der User nach den massiven Reaktionen, die er von Böhmermann-Fans erhalten hatte, den Tweet selbst „gemutet“ – also nicht gelöscht, aber zurückgezogen – hatte.

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