Warum bleiben männliche Opfer von Gewalt in der Partnerschaft oft noch immer unsichtbar? Schauen wir uns mal die Berichterstattung über eine aktuell vorliegende Untersuchung an.
Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, kurz ETH Zürich, hat dieser Tage eine aktuelle Studie veröffentlicht, die die Hochschule auf ihrer Website unter der Überschrift Gewalt unter Jugendlichen sinkt vorstellt. Speziell über Gewalt in Paarbeziehungen heißt es dort:
Rund ein Viertel der Jugendlichen in Paarbeziehungen geben an, im letzten Jahr physische Gewalt durch ihren Partner bzw. ihre Partnerin erlitten zu haben. Meist geht es dabei darum, die Selbstbestimmung des Partners oder der Partnerin einzuschränken. Mädchen fallen bei leichten Formen physischer Gewalt häufiger als Täterinnen auf als Jungen. „Auch in diesem Bereich könnten sich Handlungsfelder für die Präventionsarbeit auftun“, erklärt Ribeaud.
Über die Studie berichtet der Schweizer „Blick“ unter der Schlagzeile Sex-Täter werden immer jünger!. Der Artikel der ETH wird zu weiten Teilen wiedergegeben – bis auf die höhere Gewaltneigung unter den Mädchen.
Die Zeitung „20 Minuten“ berichtet unter der Schlagzeile Jedes 5. Mädchen wird in Beziehung missbraucht. Die Berichterstattung über die Studie ist auch hier sehr ausführlich. Nicht erwähnt wird die höhere Gewaltneigung unter den Mädchen.
Die „Neue Zürchter Zeitung“ berichtet unter der Schlagzeile Jeder Zweite leidet unter Cybermobbing. Die Darstellung der ETH wird auch hier umfassend wiedergegeben. Auch hier bleibt von den zentralen Erkenntnissen der Studie allein die höhere Gewaltneigung unter den Mädchen unerwähnt.
Eine Ausnahme macht bei den hier untersuchten überregionalen Zeitungen der Schweiz allein der Zürcher Tages-Anzeiger in seinem Artikel Jedes fünfte Mädchen erlebt in der Beziehung sexuelle Gewalt. Dort heißt es:
Rund ein Viertel der Jugendlichen in Paarbeziehungen gaben zudem an, im vergangenen Jahr physische Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin erlitten zu haben. Verbreitet sind vor allem Ohrfeigen, Bisse oder Schubser. Hier treten erstaunlicherweise die Mädchen deutlich öfter als Täterinnen in Erscheinung als die Buben. Dieses Phänomen ist laut den Verfassern der Studie auch in anderen Untersuchungen schon belegt worden.
Sarkastisch formuliert: Offenbar ist dem Autor dieses Artikels das Memo, diesen Aspekt unter den Teppich zu kehren, nicht rechtzeitig zugegangen. Aber auch ohne jeden Sarkasmus fällt auf, dass in den anderen großen Schweizer Zeitungen exakt diese bemerkenswere Passage bei der Berichterstattung weggelassen wurde.
Zufälle gibt’s …
Die Lektion der Geschichte: Unseren Medien gelingt es selbst dann, ihre Leser politisch korrekt irrezuführen, wenn sie durchaus wahrheitsgemäß berichten. Auch das geschickte Weglassen von allem, was stört, ist eine journalistische Kunst.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Arne Hoffmanns Blog „Genderama“