Diskriminierte Männer reichen Klagen ein, Gerichte bestätigen Verfassungswidrigkeit von Frauenförderung, betroffene Verwaltungen betreiben Schadenbegrenzung, eine ungewöhnliche aber überfällige Geschichte – nach fast 20 Jahren Gleichstellungspolitik in Deutschland.
Es ist wohl so, Ideologien verlieren ihre „Strahlekraft“, wenn sie politisch überziehen. Hier geht es um ein Frauenförder-Gesetz.
Die Vorgeschichte
Ein modernisiertes Dienstrecht sollte in Nordrhein-Westfalen unter Anderem bei Beförderungen die Karrierechancen von weiblichen Beschäftigten erhöhen. Nach einem Gesetzesentwurf sollen Frauen künftig “bei im Wesentlichen gleicher Eignung” bevorzugt befördert werden. In Hierarchiestufen mit geringerem Frauenanteil soll es Frauen auf diese Weise ermöglicht werden, gleichberechtigte Männer zu „überholen“. Die Überholspur endet, wenn in der jeweiligen Führungs- und Besoldungsgruppe ein 50-Prozent-Anteil der Frauen erreicht ist.
An den obigen Worten „im Wesentlichen“ hatte sich – absehbar – eine Debatte in der Politszene entzündet, die nach wenigen Wochen ein Ende fand: am 1.Juli dieses Jahres trat das Gesetz in Kraft. Weswegen diese Eile? Ob das Alles demokratisch orientierte Abläufe waren?
Diskriminierte Männer klagen an
Und da geschah das bislang in der Geschlechterpolitik völlig Unerwartete: Einige betroffene Männer setzten sich zur Wehr. Es hagelte Klagen (bislang fast 80) von Beschäftigten, die sich durch das neue Gesetz benachteiligt fühlten. Auch die Anzahl der Klagen ist erstaunlich. Noch erstaunlicher sind die ersten Gerichtsbeschlüsse. Als erstes Gericht gab das Verwaltungsgericht(VG) Düsseldorf bekannt:
„Das Gericht hat dem Eilantrag eines Kriminaloberkommissars stattgegeben und dem Land Nordrhein-Westfalen vorläufig untersagt, mehrere Kriminaloberkommissarinnen bevorzugt zu befördern“. Ein ähnliches Urteil fällte das VG Arnsberg: „Außerdem beeinträchtige die Vorschrift (…) den verfassungsrechtlich verankerten Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) erheblich“ obwohl „(…) die Förderung der Gleichberechtigung ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattet ist (Art. 3 Abs. 2 GG)“.
Von den Klägern waren fünf bislang mit ihren Klagen erfolgreich. Alle fünf Gerichte stellen kritisieren in der Hauptsache die Nicht-Anwendung des Leistungsprinzips. Deswegen bezweifeln sie, dass die bevorzugte Beförderung von Frauen – selbst bei schlechterer Qualifikation – rechtlich haltbar ist. Insgesamt könnten, so die Deutsche Steuergewerkschaft, auf die Landesregierung Forderungen von den Klägern in “Millionenhöhe zukommen”: http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-arnsberg-2-l-1159-16-gleichbehandlung- frauenfoerderungsgesetz-nrw-verfassungswidrig/.
Die Landesregierung reagiert vorauseilend
Zum Datum des Inkrafttretens des Gesetzes wurden allein im Finanzministerium 673 Frauen auf den Beförderungslisten hochgestuft, während 699 Männer auf hintere Plätze zurückgestuft wurden, das bestätigte Finanzminister Walter-Borjans. Die 699 betroffenen Männer müssen also warten, sie müssen Monate, Jahre auf ihre Beförderung warten. Sie sind gezwungen, beispielsweise ihre Familienplanung eine unbestimmte Zeit auf Eis legen. Aber auch Frauen- so berichtet die zuständige Polizeigewerkschaft – lehnen es ab, als „Quotenfrauen“ stigmatisiert zu werden.
Der Verdacht liegt nahe, dass diese Soft Factors bei der Gesetzesfassung kaum in Betracht gezogen wurden. Erst recht nicht, wenn man sich die unübersichtliche Rechtslage für Tausende von Beschäftigten ansieht, die zwischenzeitlich eingetreten ist. Ein unglaublicher Skandal.
Frauenförderung – eine Posse
Die rasche Zunahme der Klagen brachte die Landesregierung in Bedrängnis. In einer solchen Situation läge es doch nahe, als Regierung den Weg an die Öffentlichkeit zu suchen. Soweit erkennbar, fand dies nicht statt. Im Gegenteil, man ging den Weg des vermeintlich geringeren Widerstandes: man versuchte, die Kläger zu überzeugen, Ihre Klage zurück zu nehmen.
So sind Fälle bekannt geworden, in denen Vorgesetzte dementsprechend versuchten, auf Kläger Druck ausüben, damit sie von einer Klage absehen. Weiterhin sollen Vorgesetzte ihre Beamten darauf hingewiesen haben, dass eine Klage auch die Beförderung von Kollegen verhindern würde und deshalb unkollegial sei. Außerdem sei eine solche Klage für ihre weitere Karriere nicht förderlich. “Man kann nur hoffen, dass diese zweifelhafte Art von Personalführung nicht die beabsichtigte Wirkung zeigt”: http://www.rp-online.de/nrw/landespolitik/frauenfoerderung-ist-nrw-druck-auf-klagewillige-beamte-aid-1.6291273.
Das reichte wohl noch nicht. Mit einem kürzlich bekannt gewordenem Deal gerät die Frauenförderung endgültig zu einer Posse: Den Klägern wurden insgesamt 80.000 Euro angeboten, wenn sie ihren Widerstand gegen das neue NRW-Dienstrecht aufgäben. Dazu lässt die Landesregierung verlauten: „Die Landesverwaltung betreibt insgesamt fünf Musterverfahren. In allen anderen Verfahren wird sich das Land einer Erledigungserklärung der Beamten anschließen. Das Land erklärt in diesen Fällen die Übernahme der Verfahrenskosten.“ Diese anfallenden Kosten rechtfertigt die Landesregierung damit, dass das Land in den Klagefällen eine juristische Niederlage erwartet und somit eine weitaus höhere Kostenlawine lostreten würde.
In einem demokratischen Gemeinwesen traut man sich nicht, in diesem Falle von Erpressung zu reden. Das muß man sich mal vorstellen: da werden Bürger unter Druck daran gehindert, ihr Recht einzuklagen.
Sieht so eine zukunftsweisende Gleichstellungspolitik aus? Diese Vorgänge lassen unschwer Zweifel an dem Rechtsverständnis einiger Beteiligten aufkommen. Und: Da sollen Erpressungsversuche der Verwaltungen eine diskriminierende Frauenförderung ermöglichen, unfassbar. Jetzt sind die Medien gefragt, um diese undemokratischen Zustände zu hinterfragen und so den Grundstock für eine öffentliche Empörung zu legen.
Das rot-grüne System und die Gleichstellung
Wenn das Alles wahr ist, was online bekannt geworden ist, dann steht die Gleichstellungspolitik, sprich die Frauenförderung am Wendepunkt – nicht nur in NRW. Das „rot-grüne System“ (rp-online), vertreten durch die rot-grüne Parteienallianz und die Gleichstellungsbüros, hatte bereits in den letzten Jahren eine rd 40% Frauenquote in der NRW-Verwaltung erreicht und sich damit eine recht kommode Macht-Position geschaffen: Die meisten Frauenförderungs-Projekte wurden zu „Durchwinkprojekten“, Leistungsprinzipien (nach Art 33,GG) wurden kaum angemahnt. Die 50% Marke konnte angegangen werden.
Mit einer schon bewährten Selbstsicherheit wurde die Gesetzgebungsmaschinerie angeworfen. Gesetzesentwürfe, Anhörungen, Arbeitsgruppen, Polit-Statements zur aufkommenden Kritik in der Öffentlichkeit waren eine Sache von Wochen, nicht von – wie üblich – Monaten. Am 1.7.2016 trat das Gesetz in Kraft. Die Beförderungslisten für Frauen waren schon fertig gedruckt, es konnte befördert werden, wenn da nicht. Mit den Gerichtsurteilen zur Männerdiskriminierung hatte man nicht gerechnet. Das war neu. Demonstrative Selbstsicherheit kann in der Tat zum Überziehen politischer Aktionen führen.
Die Gleichstellung von Frauen ist ein Teilprojekt des „Gender Mainstreaming“, genauso wie die bundesweite Frühsexualisierung in den Schulen. Auch hier baute sich ein Widerstand betroffener Eltern auf, rund 200 000 empörte Bürger unterzeichneten eine Petition und Tausende von Eltern gingen auf die Strasse. Ob die Staatsideologie Gender Mainstreaming allmählich seinen Zenit, seinen Wendepunkt erreicht hat? Zu wünschen wäre es.
Der Artikel erschien zuerst auf The European.