Sie sei möglicherweise die gefährlichste Feministin der Welt! Diesen Eindruck jedenfalls mache die US-amerikanische Filmemacherin Cassie Jaye, wenn dem Aufschrei verschiedener Frauengruppen zu trauen sei – so der australische Spectator .
Dabei müsste die Dreißigjährige eigentlich ein Liebling dieser Gruppen sein. Sie war als Schauspielerin unzufrieden damit, auf die Rolle der schreienden Blondine in Horrorfilmen festgelegt zu sein – wechselte dann schon im Jahr 2008 hinter die Kamera, gründete eine eigene Produktionsfirma und drehte preisgekrönte Dokumentarfilme: über sexuelle Aufklärung zum Beispiel, und über den Kampf gleichgeschlechtlicher Paare um das recht auf Heirat. „ Ich konzentrierte mich auf Frauenthemen und erhielt dafür viel Beifall“ , erzählt sie dem Spectator. ( I focused on women’s issues and was getting a lot of praise for that. )
Nun aber starteten australische Feministinnen eine Petition, um ihr die Einreise ins Land zu verbieten. Das Palace Cinema zog die Aufführung ihres neuen Films zurück, nachdem eine weitere Petition mit über 200 Unterschriften das verlangt hatte.
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Auch ein Kino in Melbourne zog die Bereitschaft zur Aufführung des Films nach Protesten zurück.
In den USA weigerte sich die New Yorker Village Voice, auch nur eine kleine Anzeige für den Film zu drucken – eine solche Werbung ist Voraussetzung für die Zulassung bei den Oscar-Verleihungen.
Der britische Telegraph bezeichnete ihn als „ den Film, von dem Feministinnen nicht wollten, dass Sie ihn sehen“ (the movie […] that feminists didn’t want you to see) – und berichtete über Drohungen, dass Jaye damit Karriereselbstmord begangen habe, sowie über massive Schwierigkeiten bei der Finanzierung.
Eine Kickstarter-Kampagne machte ihn dann schließlich doch möglich – also eine Finanzierung durch viele Interessierte, bei der über 210.000$ für seine Produktion zusammenkamen. Auch das müsste eigentlich ein Fest für eine sich als links verstehende Subkultur sein: Ein Film, der vom Establishment nicht gewünscht wird, finanziert sich schließlich eindrucksvoll durch eine Graswurzelkampagne.
Was also um Gottes Willen hatte Cassie Jaye falsch gemacht, dass sie in linken, feministisch inspirierten Kreisen nicht etwa zu einer Heldin, sondern gar zu einer unerwünschten Person, zum Feind wurde?
Ganz einfach: Sie hatte einen Film über Männer gedreht, oder genauer – über die amerikanische Männerbewegung, das Men’s Rights‘ Movement.
„The Red Pill“ in voller Länge auf Vimeo (kostenpflichtig):
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Alice begegnet einem ernsthaften Filmkritiker
Alan Scherstuhl von der Village Voice schrieb die erste Rezension in einer größeren Zeitung – ohne zu erwähnen, dass er die Anzeige dafür im selben Blatt verhindert hatte. Ein Hit Piece natürlich, also einen harten, vernichtenden Verriss, der den Zweck hat, weitere Rezensionen eine negative Richtung zu lenken. Scherstuhl griff dabei auf Zitate Paul Elams zurück, den Jaye für ihren Film interviewt hatte und der A Voice for Men betreibt, die zentralen Webseite der amerikanischen Männerrechtebewegung.
Elam habe gefordert, sämtliche Vergewaltiger freizusprechen und Frauen pauschal unterstellt, um Vergewaltigungen regelrecht zu betteln. Welche Entschuldigung hätte ein ernsthafter Filmemacher, Elam nicht auf eine Erklärung solcher Äußerungen zu drängen? ( What excuse would any serious documentarian have for not asking Elam to explain that? )
Dies wiederum mag daran gelegen haben, dass die ernsthafte Filmenacherin Cassie Jaye tatsächlich auch die ganzen Texte gelesen hatte, aus denen Elams Zitate stammten – anstatt sie, anders als der ernsthafte Filmkritiker Scherstuhl, einfach aus den zusammenhanglos zitierten Textstellen einer ganz anderen Webseite zu übernehmen: von David Futrelles We Hunted The Mammooth nämlich, einer Seite, die Männerrechtler wahlweise als lächerlich, gefährlich oder beides darzustellen versucht.
Hätte er die Texte gelesen, dann hätte der ernsthafte Filmkritiker vielleicht auch gemerkt, dass es Elam tatsächlich darum ging, eine Voreingenommenheit des Justizsystems gegenüber Männern darzustellen – und um die These, dass Vergewaltigungen entgegen der herkömmlichen feministischen Lesart nicht auf Machtgier, sondern auf sexuellen Begierden gründeten.
Vor allem aber fragte Jaye womöglich deshalb nicht nach, weil sie ihren Film mit einem anderen Text Elams beginnt, der ebenfalls erschreckend ist und der seinen Schrecken auch bei der vollständigen Lektüre nicht ganz verliert: Einen Text nämlich, in dem er einen „ Bash a Violent Bitch-Month“ ausgerufen hatte, etwa: „ Hau einer gewalttätigen Schlampe kräftig eine runter-Monat“ .
Ich fand Texte der A Voice for Men oft zu scharf und zu bitter – weil ich dachte, dass diese Schärfe und Bitterkeit nur für einige nachvollziehbar ist, die meisten Menschen aber abstößt. Cassie Jaye beginnt ihren Film mit der erschrockenen Irritation über solche Texte. Sie beginnt damit zugleich bei einem herkömmlichen Bild der Männerrechtsbewegung: Diese bestünde weitgehend aus gewaltbereiten, wütenden Männern, die frustriert über den Verlust ihrer Privilegien wären.
Am Ende des Films aber klärt sie die Hintergründe des Elam-Textes auf: Er war eine Reaktion auf einen Text der feministischen Webseite Jezebel , der häusliche Gewalt durch Frauen gefeiert und männliche Opfer lächerlich gemacht hatte.
Am Ende stehen also die als Heuchler da, die sich über Elam mit großartigem moralischem Gestus erregt hatten – dieses Ende erwähnt der ernsthafte Filmkritiker der Village Voice dann nicht mehr. Der Film spannt sich zwischen diesen beiden Texten auf und zeigt Jayes Entwicklung vom Schrecken des Beginns zum Verständnis am Ende.
Sie selbst präsentiert sich dabei als eine moderne, geschlechterpolitisch aktive Alice im Wunderland, die immer weiter und immer faszinierter in den Kaninchenbau der Männerrechtbewegung hineingerät. Das Bild passt: Bei aller erschrockenen Irritation nimmt Jaye doch die Position einer interessierten Zuhörerin an, die schlicht vorurteilslos erfahren will, was dieses Mens‘ Rights‘ Movement eigentlich umtreibt.
Aus deutscher Perspektive ist es natürlich eine unbeabsichtigte zusätzliche Pointe, dass Jaye sich als Erzählperspektive ausgerechnet die Position einer Alice wählt, die mit unschuldigem, unvoreingenommenen Blick die Seltsamkeiten der Geschlechterpolitik betrachtet. Der Erzählstrang der Alice im Geschlechterwunderland wiederum entnimmt Jaye dem Film Matrix, und daher hat ihr Film auch seinen Titel: The Red Pill. Der weise Morpheus bietet dort dem Helden Nero eine rote und eine blaue Pille an: Die blaue Pille ermögliche ein Leben in einer computergenerierten Scheinwelt, die rote Pille aber ermögliche einen weiteren Abstieg in den Kaninchenbau, um dort die bittere Wirklichkeit kennenzulernen.
Keine Hilfe für Jungen ab neun
Jaye erfährt von ihr in vielen Gesprächen. Männer erzählen von Vätern, die den Kontakt zu ihren Kindern verlieren – von einem Polizisten (dem berühmten „Serpico„), der den größten Teil seiner jahrzehntelang erarbeiteten Pension als Unterhaltszahlung an eine Frau verliert, die ihn gezielt als Erzeuger ihres Kindes benutzt hatte – von einem anderen Vater, der sich über den Verlust des Kontaktes zu seinem Kind das Leben nimmt – über einen Vater, dessen Kind von der Mutter zur Adoption freigegeben wird,obwohl er selbst für es sorgen wollte. Sie interviewt den Männerrechtler Fred Hayward, der als Trennungsvater nach vielen schwierigen Jahren den Kontakt zu seinem Kind aufgegeben hat, weil er gesundheitlich vor dem Zusammenbruch stand.
Sie erfährt von Männern, die Opfer häuslicher Gewalt wurden – und davon, dass Hilfe bei häuslicher Gewalt fast ausschließlich an Frauen richte, obwohl auch Männer in großer Zahl betroffen seien. Sie inteviewt Erin Pizzey, die das erste Frauenhaus gegründet hatte und die dabei die Erfahrung machte, dass ein Großteil der aufgenommenen Frauen selbst gewalttätig gewesen war. Sie erfährt von Pizzey auch, dass diese Hilfeeinrichtungen keine Jungen über neun Jahren aufgenommen hätten und das bis heute häusliche Gewalt als Ausdruck männlicher Herrschaft interpretiert werde – was weibliche Täterschaft ausschließe und männliche Opfer aus dem Bewusstsein dränge.
Sie präsentiert die bekannten Daten über die deutlich geringere Lebenserwartung von Männern oder über die deutlich höhere Zahl an Verurteilungen vor Gericht. Besonders bedrückend ist ein Teil des Films, in dem die Männerrechtlerin Karen Straughan über die ungeheuren Gewalttaten der islamischen Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria erzählt. Die Terroristen hätten beispielsweise eine Schule überfallen, die Mädchen ach Hause geschickt und dann sämtliche Junge bei lebendigem Leibe verbrannt. Eine Reaktion aus dem Westen hätte es aber erst später gegeben – als Boko Haram nämlich Mädchen entführt habe und die terroristische Gewalt so als spezifisch mädchenfeindliche Gewalt erschienen wäre.
Hier wird deutlich, wie der Film Perspektiven verschiebt – was gewiss an sich schon ein Grund für die wütenden Reaktionen auf ihn ist. Frauen wie Selma Hayek oder die weithin verehrte Michelle Obama, die an dieser plötzlich gigantischen Bring Back Our Girls-Kampagne beteiligt waren, präsentierten sich damit schließlich als gewissenhafte, mitfühlende, verantwortungsvolle Aktivistinnen. Nun erscheinen sie unweigerlich als kaltherzig und kinderfeindlich, weil sie Kinder, denen massive Gewalt angetan wird, willkürlich entlang der Geschlechtergrenze selektieren: In die, die Mitgefühl verdienen, und die, die übersehen werden können.
Fuckface im Ozean des Leids
Das eigentlich ist das Zentrum des Films: Ein empathischer Blick auf Männer und Jungen. In deiner Szene sieht sich Jaye gemeinsam mit einer anderen Frau einen Film über die Beschneidung eines Jungen an. Der Frau stehen die Tränen in den Augen, Jaye wirkt zunächst gefasst – und greift dann auch zum Taschentuch.
„ Es gibt da draußen einen Ozean des Leidens“ (There’s an ocean of pain out there) – der pathetische Satz Dean Esmays aus seinem Interview wirkt vor dem Hintergrund der vielen Informationen eben gar nicht mehr deplatziert oder lächerlich.
Vertreter und Vertretrerinnen feministischer Positionen erscheinen dagegen plötzlich als gefühlskalt. Katherine Spillar vom Ms. Magazine etwa erklärt, Männer hätten lediglich damit Probleme, dass das Spielfeld mittlerweile ausgeglichen sei, nachdem es zuvor beständig zu ihren Gunsten abschüssig gewesen wäre.
Sie übernimmt das Bild vom „levelling of the playing field“ aus dem Buch Angry White Men von Michael Kimmel. Der wiederum erklärt hier lachend, Männer hätten zwar manchmal einen „ Scheiß-Deal“ (crappy deal) abbekommen, sollten aber doch bitte nicht Feministinnen dafür verantwortlich machen.
Michael Messner, Soziologe und Gender-Professor, erklärt spitz, Männer würden sich ohnehin erst nach Trennungen für ihre Kinder interessieren, nachdem sie sich zuvor kaum um sie gekümmert hätten.
Besonder nachteilig präsentiert sich eine Feministin, die wegen ihrer leuchtend roten Haare nur „Big Red“ genannt wird. Sie ist an der University of Toronto im Jahr 2013 an massiven Störmanövern beteiligt, die schließlich ausgerechnet eine Veranstaltung zum Geschlechterdialog verhindern. Nach einem falschen, absichtlich betätigten Feueralarm ist die Veranstaltung gesprengt, und Big Red begegnet draußen einigen Menschen, die an ihr teilnehmen wollten. Big Red liest einen feministischen Text vor und beschimpft andere rüde („ Shut the fuck up….I’m reading, fuckface“). Später, im Interview mit Jaye, beschimpft sie Männer, die über den Verlust ihrer Kinder klagen, als „dipshit“ und besteht darauf, dass all ihre Probleme ohnehin vom Patriarchat verursacht würden.
Hier wird verständlich, warum Feministinnen den Film so massiv attackieren. Er bedroht das Selbstbild, für Geschlechtergerechtigkeit und Menschlichkeit einzutreten – und dies eben dadurch, dass nicht nur über Männer geredet wird, sondern Männer selbst ausführlich zu Wort kommen. Wer die Perspektive anderer nicht ganz ausblenden kann, der nimmt eben auch wahr, wie er selbst von ihnen wahrgenommen wird – und kann sich dann das Selbstbild nicht mehr beliebig nach eigenen Wünschen gestalten.
Gegen Ende berichtet ein Redner bei einer öffentlichen Veranstaltung über ein neu gegründetes feministisches Zentrum zur Männerforschung, bei dem nicht nur Michael Kimmel und Gloria Steinem, sondern auch Eve Ensler wichtige Positionen innehätten – die Autorin der Vagina Monologues. Dass das Publikum darüber lacht, wird spätestens erklärlich, wenn die Situation gedanklich umgekehrt wird. Was wäre wohl, wenn ein Mann durch Penis-Monologe bekannt geworden wäre – und wenn er sich eben dadurch als Experte für Frauenleben und für den wissenschaftlichen Beirat eines Frauenforschungsinstituts qualifiziert hätte?
Dass eben ist ein Nachteil der Weigerung, Perspektiven anderer auf sich selbst wahrzunehmen – Menschen verlieren dabei auch den Sinn dafür, wann sie sich lächerlich machen.
Wer feministisch bleiben möchte, muss aufhören, feministisch zu sein
Dass Feministinnen im Film deutlich schlechter wegkommen als Männer und Frauen, die für Männerrechte auftreten, ist jedoch nicht einfach Resultat einer womöglich perfiden medialen Inszenierung. Feministinnen (und Feministen) halten hier die Position durch, soziale Notlagen und Ungerechtigkeiten konsequent auf das Konto eines „Patriarchats“ zu buchen. Männerrechtler hingegen setzen nicht etwa die Fiktion eines Matriarchats oder einer Frauenherrschaft dagegen, sondern vertreten durchgehend vermittelnde Positionen. Elam etwa unterstreicht, dass es auf beiden Seiten sowohl Opfer als auch Täter gäbe ( victims and perpetrators on both sides of the fence). Esmay betont, dass Feminismus keineswegs Wurzel allen Übels, sondern bloß Teil des Problems sei – er dämonisiere Männer und degradiere Frauen (demonizes men, diminishes women).
Die abstrakt bleibende Fiktion eines Patriarchats wird unglaubwürdiger mit jedem Beispiel für spezifisches Leid von Männern oder Jungen oder für deutliche Ungerechtigkeiten zu ihren Lasten. Die vermittelnde Position ist dagegen wesentlich realitätstauglicher, weil sie nicht darauf angewiesen ist, Teile der Wirklichkeit auszublenden. Die Fiktion eines Patriarchats wiederum lässt sich nur halten, wenn Erfahrungen und Perspektiven von Menschen verdrängt bleiben, die nicht in das Bild einer männlichen Herrschaft passen.
Wer es also Jaye zum Vorwurf macht, dass hier Feministinnen ein schlechteres Bild abgeben als Männerrechtler – der konzentriert sich vermutlich ganz auf die Idee, dass Wirklichkeit eine mediale Konstruktion sei. Sie hätte den Film anders konstruieren müssen.
Eben das aber unterläuft Jaye, und das wird zum Beispiel im Interview mit Elam deutlich. Dieses Interview bedient eigentlich feministische Klischees gleich haufenweise. Elam sitzt konsequent breitbeinig auf der Couch (manspreading), redet ausführlich ( mansplaining) – und Jaye sitzt am andere Ende der Couch mit angezogenen Beinen und hört ihm ausdauernd zugewandt zu ( female gaze).
Nun weiß aber die Feministin Jaye sicherlich über die Klischees, mit denen eine Situation wie diese typischerweise feministisch inspiriert wahrgenommen wird – und als Filmemacherin kann sie die Wirkung der Bilder einschätzen. Dass sie sich über solche vorgeformten Wahrnehmungen hinwegsetzt, macht deutlich, dass hier mediale Konstruktionen zwar wichtig – aber eben nicht alles sind.
So stellt der Film schließlich implizit vor allem zwei Fragen, die offen bleiben. Warum wird die Rede von spezifisch männlichem Leid als ungeheure Provokation wahrgenommen? Und warum gibt es Menschen, die nicht nur selbst den Dialog darüber verweigern – sondern die zudem alles tun, damit auch niemand anderes darüber sprechen kann? Denn Bilder von massiven Störungen männerrechtlicher Veranstaltungen durchziehen den ganzen Film.
Dieses Muster der Verhinderung der Kommunikation kann eben deshalb normalerweise nicht zum Gegenstand von Diskursen werden, weil es sich auf jeder Ebene wiederholt, wie bei einer russischen Matrjoschka-Puppe. Das gilt schließlich auch für den Film selbst.
Eigentlich müsste jeder Mensch, der sich mit Geschlechterpolitik beschäftigt, begierig darauf sein, ihn zu sehen – weil er eine neue, viel zu wenig vertretene Perspektive einbringt. Statt dessen aber reicht es feministisch inspirierten Aktivistinnen keineswegs, den Film einfach nicht anzusehen – es reicht ihnen nicht einmal, Menschen am Besuch einer Vorführung zu hindern – sie versuchen sogar, die Vorführungen insgesamt zu verhindern. Das hat eine unverkennbar kultische, abergläubische Dimension: Als wäre es schon eine unendliche Belastung, dass es das Böse überhaupt in der Welt gibt – selbst dann, wenn kein einziger Mensch Kontakt dazu haben kann.
Dabei müsste dieser Film eigentlich ein Schmuckstück in jeder feministischen Sammlung sein. Jaye tritt entschlossen für Gleichberechtigung ein – sie öffnet Geschlechterrollen, klärt umfangreich über spezifisches männliches Leid auf und erledigt damit wie nebenbei das Klischee des allzeit starken Mannes – und, vor allem: Der Film hilft dabei, soziale Realitäten anders zu sehen, als sie bislang routiniert und rituell gesehen worden sind.
Doch Jaye rechnet wohl schon mit den massiven feministischen Widerständen gegen diesen Film, und sie erklärt an seinem Ende, dass sie etwas hinter sich lassen musste: Sie würde sich nicht mehr als Feministin bezeichnen.
Vielleicht aber lässt sich auch das auch noch einer anderen Perspektive sehen. Jaye ist durchaus eine Feministin, aber eben eine, die dem feministischen Selbstbild entspricht. Es ist nur zwangsläufig, dass sie sich dann von der feministischen Realität distanzieren muss: von der verbissenen Weigerung, störende Aspekte der sozialen Wirklichkeit auch nur wahrzunehmen – von der gewaltsamen Verhinderung offener Dialoge – von der institutionalisierten und institutionell gemolkenen Geschlechterfeindschaft – und, vor allem, von der Spaltung der Menschlichkeit, mit der selektiert wird, welche Menschen ein Anrecht auf Empathie haben und welche nicht.
Arne Hoffmann hat darüber informiert, wo The Red Pill gesehen oder gekauft werden kann.
Sebastian Wessels hat eine Aufführung in Berlin organisiert und betreibt seitdem die Webseite Red Pill Berlin.
Alan Scherstuhl hatte mit seinem Hit Piece nur eingeschränkt Erfolg. Der Film wird in etablierten Medien kaum rezensiert, in deutschen Massenmedien überhaupt nicht. Eine sehr positive Besprechung erschien immerhin in der Huffington Post. Bei Amazon sind die Reaktionen mit enormer Mehrheit positiv, ebenso die Zuschauerwertungen bei Rotten Tomatoes . Bei 94% Zustimmung durch das Publikum gibt es allerdings zugleich nicht einmal genügend Filmkritiken in etablierten Medien, dass es dort für ein Durchschnittsurteil reichen würde.
Der Beitrag erschien zuerst auf Lucas Schoppes Blog „man-tau“.