„Politische Männlichkeit“ von Susanne Kaiser (Rezension)

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Zum Hintergrund von Susanne Kaisers Buch „Politische Männlichkeit“ sollte man wissen, dass die erstarrten Strukturen der Geschlechterdebatte seit einigen Jahren aufbrechen. Ein halbes Jahrhundert wurde diese Debatte allein von der feministischen Hegemonie beherrscht, während soziale Anliegen und Diskriminierungserfahrungen von Männern kaum eine Rolle spielten. Inzwischen melden immer mehr Männer ihr Bedürfnis an, ihre eigene Perspektive einzubringen.

So äußerten in einer 2016 veröffentlichten Studie des Bundesfrauenministeriums 68 Prozent der jungen Männer den Wunsch nach einer offensiveren, differenzierten und systematischen Gleichstellungspolitik für ihr eigenes Geschlecht. Insgesamt seien etwa ein Drittel aller Männer für Positionen empfänglich, die die Autoren der Studie der politischen Strömung des „Maskulismus“ zuordneten.

Bei den Maskulisten (in Kaisers Buch durchgehend falsch als „Maskulinisten“ bezeichnet) handelt es sich um die Akteure und Akteurinnen einer neuen Bürgerbewegung, die männerpolitische Problemlagen zur Sprache bringen. Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit sind zum einen Bereiche, wo Jungen und Männer die Hauptbetroffenen sind, also etwa Obdachlosigkeit, Selbsttötungen, Benachteiligungen von Jungen an den Schulen, Zwangsarbeit, Zwangsrekrutierungen, Polizeigewalt und Todesstrafe, und zum anderen Bereiche, wo männliche Opfer zwar eine Minderheit sind, aber bisher kaum bis gar nicht gesehen werden, zum Beispiel sexuelle Gewalt in Kriegen und Bürgerkriegen. Bürger- und menschenrechtliches Engagement geht ineinander über.

Mit einem Teil des feministischen Lagers ist hier Zusammenarbeit möglich. Beispielsweise habe ich 2019 selbst das Buch „Gleichberechtigung beginnt zu zweit“ herausgegeben, in dem viele Beiträge von Feministen ebenso wie von Maskulisten stammen. Ein radikalerer, aber auch einflussreicherer Flügel in der Frauenbewegung möchte indes ihre Diskursmacht und eine Geschlechterpolitik aufrecht erhalten, die sich allein um die eigenen politischen Wünsche dreht. Da es allzu egozentrisch wirken würde, dies so offen auszusprechen, findet durch dieses Lager stattdessen ein Backlash gegen die Männerbewegung statt, der sich in einer Stigmatisierung und Dämonisierung von Männern im allgemeinen und Männer-Aktivisten im besonderen äußert. Dabei verbleibt dieser Teil des feministischen Lagers in althergebrachten Zuschreibungen von Frauen als schwachen, hilflosen Opfern und Männern als mächtigen, bösen Tätern. Zu der Literatur dieses Spektrums gehört das Buch von Susanne Kaiser.

Ideologisch ruht es vor allem auf zwei Standbeinen: „Frauen sind bessere Menschen“ und „Frauen sind die einzigen Opfer, die zählen“. Die Female-Supremacy-Rhetorik kündigt sich bereits auf dem Backcover des Buches mit dem Slogan „Der autoritäre Backlash ist männlich“ an und entfaltet sich weiter in der Einleitung, die die Corona-Pandemie als Aufhänger benutzt. Die „Nasen-Deppen“, also Menschen, die eine Atemschutzmaske falsch tragen, seien „überwiegend Männer“; gleichzeitig beweise die Pandemie, dass Frauen „bessere Führungspersönlichkeiten“ seien. Deshalb sei es Zeit, „dass Frauen endlich die Welt regieren“. Gleichberechtigung war also gestern – heute geht es zumindest rhetorisch um nichts weniger als die Weltherrschaft.

Tatsächlich aber, da „sind sich Mainstreammedien einig“, gäbe es für Frauen eine „Retraditionalisierung“, eine „Rolle rückwärts in die fünfziger Jahre.“ Das war in der Tat eine Befürchtung, die zu Beginn der Corona-Pandemie geäußert wurde. Inzwischen liegen mehrere Studien dazu vor, was während der Pandemie im Geschlechterverhältnis tatsächlich stattgefunden hat. Die Erkenntnisse dieser Studien fasst der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Backhaus zutreffend zusammen mit: „Im Schnitt engagieren sich beide Elternteile stärker in der Kinderbetreuung, die Väter mit höherem Zuwachs von niedrigerem Niveau aus.“ Ein Rückfall in althergebrachte, „patriarchale“ Geschlechterrollen während der Pandemie ließ sich also gerade nicht bestätigen. Der schrille Alarmismus war fehl am Platz.

Immer noch in der Einleitung lässt sich Kaiser, die auch für die „Zeit“ schreibt, über die unbotmäßige Kritik unter feministischen „Zeit-Online“-Artikeln aus, wobei Kaiser die Kritiker als „misogyne Trolle und Hater“ beschimpft. Solche Diskreditierungen ziehen sich quer durch das Buch und machen ein konstruktives Gespräch schwer möglich. Seitenweise, berichtet Kaiser, löschen die Redakteure der „Zeit“ Kommentare, bis diejenigen, die stehenbleiben, kaum noch eine inhaltliche Debatte wiedergäben. Selbst bei Texten wie „Wanderung durch das Patriarchat“, die „kaum provozierten“, habe „Zeit-Online“ einen Großteil der Kommentare löschen müssen.

Nun sind hier entgegen Kaisers rhetorischer Marschroute die Feminismuskritiker in der machtlosen Position, und der autoritäre Gestus, der die Debatten unterbindet, geht von Kaisers Redaktion aus. Zweitens kommt so etwas wie berechtigte Kritik an feministischen Artikeln in Kaisers Analyse nicht vor, sie scheint unmöglich zu sein. Möglich sind nur Zustimmung oder frauenfeindliches Getrolle. Drittens ist es ulkig, dass Kaiser ganz autoritär ihren persönlichen Maßstab absolut setzt, welche „Zeit“-Artikel provokant und polemisch sind und also auch entsprechende Reaktionen hervorrufen dürfen und welche nicht. Wie würden wohl viele Feministinnen reagieren, wenn sie in der „Zeit“ Artikel wie „Wanderung durch das Matriarchat“ zu lesen bekämen? Wie würden viele Leser auf Artikel wie „Wanderungen durch das Kalifat Deutschland“ von einem stramm rechten Journalisten reagieren, der dann auch noch die absehbaren Antworten erbost wegzensiert?

Der Philosophin Isolda Charim zufolge findet Cancel Culture dort statt, wo mit dem politischen Gegenüber nicht mehr gesprochen, sondern er geächtet und ausgegrenzt wird. Dieses Unvermögen (nicht nur) von „Zeit“-RedakteurInnen, mit kritischem Leser-Feedback umzugehen, wird inzwischen von vielen als Problem gesehen. Der Professor für Psychologie Stephan Schleim erkennt in seinem auf Telepolis veröffentlichten Beitrag „Die Feminismusdebatten-Versteherinnen“ den Umgang der „Zeit“ mit abweichenden Positionen eine offenkundige Strategie: Mit „Wutmännern“ brauche man „sich nicht mehr inhaltlich auseinanderzusetzen“. Ob sie gute Gründe für ihren Unmut haben könnten, ist uninteressant: „Eigentlich“, so Professor Schleim, „fehlt nur noch der Vorschlag, diese Typologie in die gängigen psychiatrischen Diagnosehandbücher aufzunehmen und die so identifizierten Individuen einer Zwangsbehandlung zu unterziehen, vielleicht so wie (…) oder viele farbige Bürgerrechtler in den USA, die in den 1960er Jahren auch als Wutmänner charakterisiert wurden und reihenweise Schizophrenien diagnostiziert bekamen. (…) Auch Feministinnen darf man kritisieren und nicht jeder, der es tut, ist darum ein Wutmann oder eine Wutfrau.“ Der Publizist Matthias Heitmann spricht in seinem Essay „Vom Aufstieg der Selbstmit-Leid-Medien“ davon, dass Journalisten generell „zunehmend dünnhäutig auf Kritik ‚von unten‘, also von den Lesern“ reagieren. Sie zeigten sich „schockiert angesichts der Ablehnung, die sie gelegentlich erfahren“, und da sie sich inzwischen selbst als Teil des Herrschaftsapparats betrachteten, meinten sie nun, „sich gegen den etwaigen Leserzorn abschotten zu müssen. Die größte Gefahr für die Debattenkultur im Lande geht dieser Sichtweise folgend nicht mehr von den Mächtigen aus, sondern von sogenannten Trollen.“ Das trifft die autoritäre Geisteshaltung, die in dieser Passage von Kaisers Buch aufscheint.

Auch im weiteren Verlauf des Buches zeichnet sich Kaiser vor allem darin aus, die Anliegen von Männer-Aktivisten klein zu reden, wenn nicht völlig beiseite zu wischen. Diese Bürgerrechtler sprechen aus Kaisers Sicht nicht über ernstzunehmende Probleme, sondern seien lediglich „gekränkt“ beziehungsweise begäben sich aus strategischen Gründen in eine „Opferrolle“ (vgl. S. 110-111). Diese „Opferrolle“, das ist dem Buch klar zu entnehmen, steht aus Kaisers Sicht aber nur Frauen zu. Auf Seite 114 zitiert Kaiser einen Blogger, der eine „Liste mit Beispielen von Institutionen oder Kontexten“ erstellt hat, „durch die beziehungsweise in denen Männer diskriminiert würden“, darunter Behörden, „Gerichtsurteile, Scheidungen und Vaterschaftstests, gefährliche Tätigkeiten, Leistungsbemessungen und Leistungsstandards, Ausbildung, Arbeitsplatz und Renteneintrittsalter, aber auch Wertschätzung und öffentliche Wahrnehmung“.

Nun könnte man erwarten, dass Kaiser in irgendeiner Weise untersucht, ob sich diese Behauptungen mit der Wirklichkeit in Übereinklang bringen lassen, um dann aus ihrer Perspektive ein zustimmendes oder ablehnendes Urteil zu äußern. Das tut sie aber gerade nicht. Wie weit die geäußerten Beobachtungen mit der Wirklichkeit übereinstimmen, scheint sie überhaupt nicht zu interessieren. Sie führt diese Liste allein als vermeintlichen Beleg für die Anmaßung von „extremen Maskulinisten im Internet“ an, eigene Benachteiligungen zu benennen. Was würde sie wohl von einem männlichen Autor halten, der ähnlich tollkühn über die Klagen von Frauen hinwegfegt?

Eine weitere Technik, die Kaiser benutzt, um Männer-Aktivisten zu delegitimieren, besteht darin, dass sie diese sehr unbefangen mit anderen Gruppen zusammenwürfelt. So zählt sie auf Seite 36 zu den „dubiosen Akteuren des Maskulinismus“ (ohne Abwertungen geht es bei ihr selten) so heterogene Gruppen wie Incels, Pick-up-Artists und Männer, die keine Partnerschaft eingehen möchten. Die einzigen Gemeinsamkeiten dieser Gruppen und damit wohl der wesentliche Grund für ihre Abwertung ist, dass sie männlich sind und dass sie sich nicht in feministische Vorgaben einpassen, wie Männer sein sollen. Dass all diese Gruppen unter die Definition von „Maskuli(ni)smus“ fallen sollen, ist fragwürdig. Aber vielleicht hat Kaiser ja einen starken Beleg dafür? Man konsultiert die von der Autorin angeführte Endnote und stößt auf … einen Eintrag in der Wikipedia.

Nun bekommen Studenten schon im ersten Semester beigebracht, dass die Wikipedia als Online-Enzyklopädie, in der jeder anonym und nach Belieben seine persönliche Weltanschauung als Wahrheit eintragen kann, keine wissenschaftliche Quelle darstellt und schon gar keine, an der man ein ganzes Gedankengebäude aufhängen kann. Geht man auf die Diskussionsseite dieses Eintrags, sieht man wenig überrascht, dass, weil er selbst eine Aneinanderreihung von Abwertungen ist, sein „neutral point of view“ hochumstritten ist. Wir sind hier längst nicht mehr im Bereich der Wissenschaft, sondern in dem der Ideologie.

So überrascht es kaum, dass Kaisers Buch immer befremdlicher wird. Auf Seite 39 etwa ordnet Kaiser „Maskulinisten“ als eigentliches gemeinsames Problem zu, „dass Frauen ihnen attraktiv erscheinen, gleichzeitig aber nicht einfach verfügbar und ihnen gefügig sind“. Solche Verstiegenheiten sind ein Echo der Behauptungen von Machos der siebziger Jahre, Feministinnen bräuchten eigentlich nur einen echten Kerl, der sie mal richtig rannimmt. Dass diese Menschen ernsthafte politische Anliegen haben könnten: unvorstellbar. Hier wird deutlich, warum das Gespräch mit Lesern und Kritikern nicht mehr glücken kann: Einem Vater, dessen Kontakt zu seinem Kind ständig torpediert wird, einem Mann, der unter häuslicher Gewalt unter seiner Partnerin leidet und keine Hilfe findet, einem Jungen, der von seiner Mutter sexuell missbraucht wird … all diesen Menschen und ihren Fürsprechern zu unterstellen, sie würden in Wirklichkeit nur eine attraktive Frau suchen, die sie unterwerfen könnten, muss in einem Desaster enden. Kaiser aber ist sich (ebenfalls auf Seite 39) sicher: „Wenn beispielsweise über falsche Vergewaltigungsvorwürfe, Gewalt von Frauen gegen Männer oder die Kultur des Männerhasses diskutiert wird, dann gehören die Debattenteilnehmer zur misogynen, antifeministischen Männerrechtsbewegung.“ Wer diese Themen anschneidet, ist demnach ein Unmensch und kann niemals ein Gesprächspartner auf Augenhöhe sein. Seine Wortmeldung, beispielsweise in einer Kommentarspalte der „Zeit“, gehört wegzensiert. Kaiser zeigt hier eine Einstellung, die der Psychologe Roy Baumeister als „Gender Empathy Gap“ bezeichnete: Mitgefühl gibt es vorrangig für das weibliche Geschlecht.

Wie wenig man sich dagegen wehren kann, bei abweichender Meinung von Kaiser als Feind markiert zu werden, zeigt Warren Farrell, der als Stammvater der Männerrechtsbewegung gilt. Wenn Kaiser Farrell gelesen hätte, wüsste sie, dass er – so wie zahllose andere Männerrechtler – nicht die These vertritt, dass Männer in unserer Gesellschaft die eigentlichen Opfer seien, sondern dass Frauen wie Männer mit geschlechtsbezogenen Rollenzwängen und Nachteilen zu kämpfen haben. Farrell sagt von sich: „Ich bin ein Männerrechtler (oder Maskulist), wenn Männerrechte und Männerbefreiung mit gleichen Chancen und gleicher Verantwortung für beide Geschlechter definiert werden. Ich bin ein Frauenrechtler, wenn Feminismus gleiche Chancen und Verantwortung für beide Geschlechter propagiert.“ So wie viele andere Männerrechtler orientiert sich Farrell in seiner politischen Arbeit explizit an Bürgerrechtlern wie Martin Luther King. Für Kaiser scheint dies eine besondere Provokation darzustellen: King werde „instrumentalisiert“, damit Männer-Aktivisten „den Anschein einer Bürgerrechtsbewegung verliehen“ bekämen, was aber „letztlich der Legitimation von Gewalt“ diene. Das klingt so, als gäbe es eine Flut von Gewalttaten von Warren-Farrell-Anhängern. Solche Gewalttaten gibt es aber nicht. Kaiser kann Gewalt überhaupt nur ins Spiel bringen, indem sie einige gewalttätige Incels erwähnt und diese mit Männerrechtlern zusammenwürfelt. Nun gab und gibt es auch Feministinnen, die sich als unterdrückt und deshalb Gewalt als gerechtfertigt betrachten. Gerade 2020 kam es zu einer Reihe von Taten durch dieses Spektrum. Aber deshalb sollte man doch keiner Feministin, die sich ausdrücklich an gewaltfreien, emanzipatorischen Bürgerrechtlern orientiert, unterstellen, dies sei lediglich ein besonders erschreckender Beleg für ihre Verlogenheit, und sie sei in Wahrheit nur auf Gewalt aus. Wenn wir so denken, kämen wir nie davon weg, Menschen mit anderer Meinung als Feinde und Bedrohung zu sehen.

Es gibt bessere Belegstellen als ausgerechnet die Wikipedia, um sich dem Phänomen der Männerrechtsbewegung anzunähern. Wegweisend war eine Feminismus und Maskulismus vergleichende Studie, die von der Wirtschaftspsychologin Christine Bauer-Jelinek und dem Politikwissenschaftler Johannes Meiners für den Club of Vienna erarbeitet wurde und noch heute online einsehbar ist. Darin heißt es klar: „Maskulistisch zu sein, bedeutet (…) wesensimmanent, sich antisexistisch zu orientieren und jede Form der Diskriminierung und Herabsetzung aus geschlechtlich-sexuellen Gründen zu bekämpfen. (…) Der Maskulismus hat hohe gesellschaftspolitische Ansprüche und ist KEINESWEGS mit dem Begriff Frauenfeindlichkeit zu synonymisieren. Feindschaft gegenüber dem anderen Geschlecht spielt bewegungsintern für die Arbeit der überwältigenden Mehrheit maskulistischer Aktivisten keine Rolle. (…) Weltanschaulich besteht bei den Männerrechtlern große Vielfalt: So engagieren sich VertreterInnen nahezu aller politischen Grundhaltungen von sozialistisch über linksliberal und bürgerlich bis hin zu dezidiert konservativ oder gar rechtsaußen.“ Kaiser greift hier das radikalste Spektrum heraus und tut so, als ob es sich um die Gesamtheit handele. Das ist unredlich und alles andere als konstruktiv.

Wenn man als Mann darauf aufmerksam macht, dass man keineswegs der Herrscher der Welt oder der unerschütterliche Fels in der Brandung ist und dass es auch männerspezifische Probleme gibt, stößt man bei den allermeisten Frauen (außerhalb einer stark ideologisierten Echokammer) nicht nur auf Verständnis und Aufnahmebereitschaft, sondern erfährt auch, dass das Bewusstsein dafür bei ihnen längst angekommen ist. Von manchen Feministinnen hört man ein schulterzuckendes „Tja, dann müsst ihr halt eure eigene Emanzipationsbewegung gründen.“ Sobald man das tut, wird man jedoch von anderen Feministinnen denunziert. In dem zu Beginn dieser Rezension erwähnten, von mir herausgegebenen Buch „Gleichberechtigung beginnt zu zweit“ äußert sich die Feministin Mithu Sanyal erfreulicherweise anders: Es sei jetzt die Aufgabe von Männern“, schreibt sie uns ins Stammbuch, „den Frauen, anderen Männern und der Gesellschaft zu erklären, was ihre Probleme sind. Und ja, die andere Seite wird dabei häufig die Augen verdrehen und sagen: Müssen wir ständig reden? Und das ist unfair und [schlecht], aber das ist der Lauf der Dinge. Dafür sind diejenigen, die zuhören, umso wertvoller.“

Im Oktober 2019 veröffentlichte Holger Stark, in der „Zeit“ einen Artikel darüber, dass inzwischen eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Eindruck gewonnen hat, man dürfe seine Meinung zu bestimmten Themen nicht mehr frei äußern. Auch Stark plädiert für mehr Dialogbereitschaft zu Menschen mit abweichenden Auffassungen. „Noch ist Zeit genug, das zugewandte Gespräch von Lagerfeuer zu Lagerfeuer neu zu beginnen“, befindet er. „Diese Aufgabe kommt den Universitäten ebenso zu wie den Parteien, Vereinen und Medien, und sie sollte mit einer Selbstverpflichtung zu Pluralität und Diversität bei der Zusammensetzung von Podien, Kongressen oder Talkshows einhergehen“. Wie schön wäre es, wenn das für „Die Zeit“ und andere Leitmedien in der Geschlechterdebatte mehr als ein bloßes Lippenbekenntnis wäre!

Die Männerrechtsbewegung gibt es seit knapp 30 Jahren und findet sich auf allen Kontinenten. Der Feministin Angela Nagle zufolge sind in der sogenannten „Mannosphäre“ des Internets sogar derart viele weltanschaulich und politisch heterogene (!) Websites und Subkulturen aus dem Boden geschossen, „dass dies zweifellos als ‚digitale Revolution‘ verzeichnet worden wäre, wenn es sich um andere kulturelle und politische Milieus gehandelt hätte“. Diese politische Bewegung wird genauso wenig verschwinden wie andere Bürger- und Menschenrechtsbewegungen vor ihr, wenn man nur heftig genug auf sie einprügelt. In den USA weiß die Demokratische Partei inzwischen, dass es einer der größten Fehler im Wahlkampf gegen Donald Trump 2016 war, all seine Wähler als „deplorables“ („kläglicher Haufen“) zu beschimpfen. Diese Rhetorik hat Trump nur noch stärker gemacht. Die Menschen, die sich in den etablierten Medien nicht wiedergefunden haben, haben sich neue, eigene Medien gesucht und dort oft tatsächlich radikalisiert. Dementsprechend setzt das Team Biden jetzt wieder auf Dialog und Versöhnung. Ob die gesellschaftliche Spaltung in den USA dadurch zu überwinden ist, weiß kein Mensch. Die Geschlechterdebatte steuert mit Büchern wie diesem auf dasselbe Fiasko zu. Wer mit dem Mainstream der Männerrechtsbewegung nicht sprechen möchte und so tut, als ob der radikale Rand der Mainstream wäre, schwächt dadurch die Moderaten und stärkt die Radikalen.

Wo in den Internetforen der radikalsten männlichen Incels der Tenor immer wieder „Frauen sind doof!“ lautet, zieht sich durch Kaisers Abhandlung ein ebenso nervtötendes „Männer sind doof!“ Positive Gegenbeispiele für politische Männlichkeit erhalten in diesem Buch keinen Raum. Der Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger bezeichnet diese Medienstrategie im Titel seines letzten Buches als „Totschweigen und Skandalisieren“. Insgesamt ist Kaisers Buch in einem derart verachtungsvollen Ton gegenüber Männern und ihrem politischen Engagement geschrieben, dass sich Menschen, die mit Männlichkeit ein Problem haben, vielleicht dafür begeistern, es bei vielen anderen Männern – und Frauen – aber scharfe Ablehnung auslösen dürfte. Darauf kann Susanne Kaiser dann wieder mit der Klage antworten, mit solchen „Trollen“ könne man einfach nicht vernünftig diskutieren. Wäre diese Rezension ein Leserkommentar auf „Zeit-Online“ würde sie vermutlich zügig gelöscht: als „Mansplaining“ oder als „frauenfeindliche Hate Speech“.

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