Die von Ilse Lenz und Hinrich Rosenbrock verfasste Kampfschrift „Die antifeministische Männerrechtsbewegung“, die als „Expertise“ verkauft werden sollte, wurde in den letzten Wochen von Männerrechtlern sämtlicher politischer Lager, von weit rechts bis weit links, als unseriös abgelehnt. Ich habe Kontakt mit etlichen Männer- und Väterrechtlern der unterschiedlichsten Gruppen und Vereine und kenne keinen einzigen, der das anders sieht. Gründe für diese einhellige Ablehnung gibt es mehr als genug. Einer allerdings ist in der Debatte bislang ein wenig untergegangen, obwohl er besonders ekelhaft geraten ist. Es geht um die Passage, in der Rosenbrock und Lenz Professor Gerhard Amendt, weil dieser über die hohe Rate der häuslichen Gewalt in homosexuellen Partnerschaften spricht, allen Ernstes den Vorwurf der Homophobie machen.
Nun hat bereits ein Blogger gründlich analysiert, warum diese Unterstellung Professor Amendt besten Anlass für eine Verleumdungsklage gibt. Ich habe keine Ahnung, ob er einen solchen Schritt tun wird. Generell habe ich den Eindruck, dass Professor Amendt Provokationsversuche, die an Anstand und Kompetenz deutlich unter seinem Niveau liegen, als Kindereien betrachtet und übergeht. Das ist seine Entscheidung; und ich habe dazu nichts zu sagen. Allerdings bin ich auch jemand, der sich in zahlreichen Veröffentlichungen für verschiedene sexuelle Minderheiten einsetzt, darunter den Homosexuellen. Und in dieser Eigenschaft stört mich die von Lenz und Rosenbrock ausgehende Form von Agitation sehr wohl. Professor Amendt können derartige Angriffe nicht treffen – Homosexuellen aber fügt es immensen Schaden zu, wenn mit einer derartig perfiden Rhetorik versucht wird, Gewalt an ihnen totzuschweigen.
International nämlich liegen sehr wohl Studien über die hohe Rate von häuslicher Gewalt bei homosexuellen Paaren vor. Man hat den Eindruck, Ilse Lenz und Hinrich Rosenbrock wissen das entweder nicht, oder es ist ihnen herzlich egal. Aber dadurch verschwinden diese Studien nicht. Tatsächlich prügeln sich beispielsweise lesbische Partner in einem Ausmaß, das dem heterosexueller Paare gleichkommt, wenn es dieses nicht gar übersteigt. In einer Studie zeigte sich: Von Lesbierinnen, die zuvor mit Männern zusammengelebt hatten, haben 32 Prozent körperliche Gewalt durch irgendeinen früheren männlichen Partner erfahren, aber 45 Prozent durch ihre neueste Partnerin allein. (Vgl. Lie, Gwat-Yong, Schilit, Rebecca, Bush, Judy, Montagne, Marilyn, & Reyes, Lynn: Lesbians in currently aggressive relationships: How frequently do they report aggressive past relationships? In: Violence and Victims, 6, (2), 121-135.) Eine der Soziologinnen, die sich mit diesem Problem beschäftigten, entdeckte, dass manche geprügelte Lesben nicht einmal ihr örtliches Frauenhaus aufsuchen konnten, weil dort die Person beschäftigt war, die ihnen diese Gewalt angetan hatte. Andere wurden ebenso von den Frauenhäusern zurückgewiesen wie männliche Opfer häuslicher Gewalt. „Wenn Angestellte von Frauenhäusern mit einer Situation konfrontiert werden, die ihr Weltbild zu sprengen droht, wird die verprügelte Lesbe selbst als Problem wahrgenommen“, zitiert Patricia Pearson dazu die Psychologin Nancy Hammond. Cindy Barry, eine lesbische US-Amerikanerin, die von ihrer Partnerin zusammengedroschen wurde, ging es ähnlich wie vielen männlichen Opfern: Justiz und Gesetz verweigerten ihr die Unterstützung, weil ein weiblicher Täter so völlig unvorstellbar schien. Selbst vor Gericht wurde die Schlägerin durchgehend als „er“ bezeichnet. Täterinnen stehen fast außerhalb des Gesetzes, stellt der Geschlechterforscher Warren Farrell fest: „Der Feminismus hat sich zu einer Art weiblicher Mafia entwickelt, die prügelnde Frauen beschützt, weil sie Frauen sind, aber die Rechte der weiblichen Opfer ebenso wie der Männer und Kinder vergisst.“
Wenn seriöse Wissenschaftler, also beispielsweise Kriminologen und Soziologen über häusliche Gewalt sprechen, dann tun sie das im ersten Schritt der Wahrheitsfindung zuliebe, also um zu erforschen, welche Mechanismen hier zugrundeliegen, und im zweiten Schritt, um anhand dessen sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln, häusliche Gewalt zu unterbinden und das Leiden der Opfer so weit wie möglich zu verhindern oder zu lindern. Deshalb sollte es keine Forschungstabus geben wie beispielsweise die hohe Rate häuslicher Gewalt bei homosexuellen Paaren totzuschweigen, weil eine Thematisierung nicht politisch korrekt wäre.
In meiner eigenen Community, der SM-Szene, findet gerade eine ähnliche Debatte über nicht-einvernehmliche Gewalt in der Partnerschaft statt. Offenbar berichten viele Menschen (übrigens auch Männer!) darüber, dass es bei Sessions immer wieder zu Fällen von erzwungenem Sex und anderen Übergriffen kommt. Dieses Thema ist vielen SMern verständlicherweise unangenehm, weil SM – vor allem von Feministinnen – ohnehin schon so dargestellt wird, als handele es sich dabei um lediglich modisch aufgemotzte Gewalt gegen Frauen. Aber uns SMern ist in aller Regel klar, dass über tatsächliche Übergriffe innerhalb von SM-Inszenierungen und -Partnerschaften gesprochen werden muss, damit einem diese Vorkommnisse bewusst werden und man sie unterbinden kann. Kaum jemand käme auf die Idee, einen Forscher oder Aktivisten, der dieses Problem anspricht, mit Bezeichnungen wie „sadomasophob“ verächtlich machen zu wollen. In den Genderstudien allerdings glaubt man offenbar, mit Keulen wie „homophob“ leicht Punkte machen zu können, so unangemessen, absurd und kontraproduktiv deren Verwendung auch ist.
Bis hierhin kann man zur Entschuldigung von Ilse Lenz und Hinrich Rosenbrock anführen, dass sie im Feminismus sozialisiert wurden, also einer Ideologie, in der die Thematisierung von häuslicher Gewalt eben nicht allein konkrete Opferhilfe bedeutete, sondern tatsächlich die Verbreitung von Männerhass. Der Blick auf häusliche Gewalt wurde derart begrenzt, dass nur noch die „Männergewalt“ gesehen wurde, was wiederum als Argumentersatz für die Unterstellung diente, das Verhältnis von Frauen und Männern sei grundsätzlich durch „patriarchale Gewalt“ geprägt. Wer andere Fakten vorwies, bekam von Feministinnen durchaus schon mal Morddrohungen zugeschickt. Erin Pizzey etwa, Mitbegründerin des ersten Frauenhauses der Welt, weiß darüber einiges zu berichten. Eben weil häusliche Gewalt nicht mehr als Symptom der „allgemeinen Männergewalt im Patriarchat“ verkauft werden kann, sobald man darauf hinweist, dass diese Rate in lesbischen Partnerschaften sogar noch höher ist, werden entsprechende Forschungserkenntnisse im Feminismus gerne unter den Teppich gekehrt. Vor kurzem erst ging ein Bericht durch die Medien, dem zufolge mehrere lesbische Frauen einen schwulen Mann zusammenschlugen und dabei homophobe Beschimpfungen äußerten – die nach Geschlecht geordneten Gut-Böse-Schablonen des klassischen Feminismus sind von so viel Realität bis heute überfordert.
Es ist erfreulich, dass inzwischen wenigstens auf Morddrohungen verzichtet wird, wenn Wissenschaftler der feministischen Ideologie zuwiderlaufenen Erkenntnisse anschneiden. Verwerflich ist es aber noch immer, wenn Ilse Lenz und Hinrich Rosenbrock die Absicht des eigenen Lagers auf den politischen Gegner projizieren. Prinzipiell unterstellen die beiden mit ihrer Argumentation: Wenn jemand über die hohe Rate häuslicher Gewalt bei Schwulen und Lesben spricht, dann bestimmt nur, weil er diese Gruppe derart verdammen möchte, wie Feministinnen die Männer verdammen wollten, wenn sie über die eine Hälfte der häuslichen Gewalt gesprochen und über die andere geschwiegen haben. Dieses unterbewusst ablaufende Denken ist insofern erklärbar. Anständig wird es dadurch nicht.
Auch Menschen in homosexuellen Partnerschaften haben ein Recht darauf, vor häuslicher Gewalt geschützt zu werden. Für dieses Recht machen sich Wissenschaftler stark, die auf die hohe Gewaltrate in solchen Beziehungen hinweisen. Es ist ein Zeichen für besondere Integrität, wenn jemand es wagt, solche Dinge anzusprechen, obwohl sie nicht dem politischen Zeitgeist entsprechen und derjenige insofern die unsäglichsten Attacken auf sich zieht. GEGEN dieses Recht auf Unversehrheit macht sich jemand stark, der nach dem Motto argumentiert: „Sollen sich diese Homos doch von mir aus gegenseitig den Schädel einschlagen, Hauptsache, ich kann mich im feministischen Mainstream breitmachen und meine Pfründe sichern.“
Um es einmal ganz klar zu sagen: Liebe Ilse Lenz und lieber Hinrich Rosenbrock – in einer an manchen unfrewillig komischen Passagen, aber auch vielen schäbigen Stellen nicht armen Kampfschrift ist diese Passage mit ihrer bodenlosen Verachtung von sexuellen Minderheiten unerträglich! Wenn ich solche Stellen lese, frage ich mich, ob es Ihnen tatsächlich nur noch um munteres Draufhauen geht oder ob Sie doch noch einen Rest von Scham empfinden. Meiner Einschätzung nach trifft Letzeres zu: Sie empfinden durchaus noch Anflüge von Scham. Das immerhin würde erklären, dass Sie einer offenen Debatte Ihrer Unsäglichkeiten mit Parolen wie „Die sind dialogunfähig“ und „Mit denen kann man sowieso nicht diskutieren“ geradezu panisch ausweichen. Es ist Ihnen sehr bewusst, dass Sie in einer offenen Debatte auf genau solche unverantwortlichen Passagen hingewiesen werden würden, nicht zuletzt von Vertretern sexueller Minderheiten selbst, und Sie haben nichts, was Sie einer solchen Demaskierung entgegenhalten könnten.
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Zum Thema „häusliche Gewalt in homosexuellen Partnerschaften“ ist das folgende Info-Material zu empfehlen:
Lesbian Partner Violence Fact Sheet
Ellyn Kaschak: Intimate Betrayal: Domestic Violence in Lesbian Relationships
Janice L. Ristock: No More Secrets: Violence in Lesbian Relationships
Constance Ohms: Mehr als das Herz gebrochen. Gewalt in lesbischen Beziehungen
Lori B. Girshick: Woman-to-Woman Sexual Violence: Does She Call it Rape?
Sandra E. Lundy and Beth Leventhal: Same-Sex Domestic Violence: Strategies for Change
Auszüge aus und Informationen über einen Dokumentarfilm zu lesbischen Vergewaltigungen findet man hier.
Warnhinweis: Aus der Sicht einiger deutscher Feminist_innen ist dieses Material offenkundig durchgehend „homophob“. Vorm Betreten von Veranstaltungen des Gunda-Werner-Instituts und der Heinrich-Böll-Stiftung sollte man es daher möglichst tief in seiner Tasche verbergen.