Über feministische Desinformation und Propaganda

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Einige Anmerkungen zu den Sendungen: „Anne Will – Polit-Talk“, 17. 04. 2013 im ARD und „Maybrit Illner“, 18. 04. 2013 im ZDF

Die „Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik“ (FE) steht seit Beginn des Jahres 2013 im Netz und hat bis heute über 500 Unterschriften zu verzeichnen. Das ist erfreulich und gibt der Initiative ein gewisses Gewicht.

Anlässlich der für den 18. April geplanten Abstimmung über die Gesetzesinitiative des Bundesrates zur Einführung einer starren gesetzlichen Frauenquote für Aufsichtsräte in DAX-Unternehmen erhielt ich zunächst eine Anfrage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), und es kam zu einem telefonischen Interview mit Frau Dr. Florentine Fritzen.

Der Text wurde am 14. April 2013 in der FAS (S. 13) unter dem Titel „Positive Diskriminierung“ veröffentlicht; es ist online im Archiv der FAS – gegen Bezahlung – verfügbar. Offenbar wurde dieses – aus meiner Sicht faire und weitgehend neutrale – Interview von den Redaktionen der ARD-Sendung „Anne Will“ und der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ aufgegriffen. Da die Frankfurter Erklärung im Netz steht, gehe ich im Folgenden von der wohlwollenden Annahme aus, dass der Text in beiden Redaktionen gelesen worden ist und also voll inhaltlich bekannt war. Es mag aber auch sein, dass die volle Bedeutung des Textes der FE der jeweiligen Redaktionsleitung erst später bewusst geworden ist. Der weitere Verlauf spricht m. E. für diese Vermutung.

Ich erhielt von beiden Redaktionen telefonische Anfragen wegen einer möglichen Teilnahme an den Sendungen. Beide ruderten allerdings sehr schnell zurück, Im Falle der ARD wurde mitgeteilt, dass man allerdings mit meiner Zustimmung – die auch erfolgte – in einer kurzen Einspielung aus der FE zitieren wolle. Man wählte diesen Absatz aus und kürzte:

„Gleichstellungspolitik ist ungerecht: Sie nimmt erstens die [verfassungswidrige] Diskriminierung von Männern nicht nur billigend hin, [sondern sie betreibt sie vorsätzlich, während sie gleichzeitig eben dies verleugnet.] und sie diskriminiert zweitens auch Frauen, nämlich solche, die ihre Positionen allein durch ihre eigene Qualifikation und Leistung erreicht haben, und die jetzt erleben müssen, dass andere Frauen durch Gleichstellungspolitik ohne Ansehen ihrer Leistung beruflich aufsteigen können und an ihnen vorbeiziehen.“

Soweit ich mich heute noch an diese sehr kurze Sequenz erinnern kann, waren die Inhalte der eckigen Klammern ausgespart worden. Offensichtlich sollte die m. E. gegebene Verfassungswidrigkeit der Gleichstellungspolitik nicht thematisiert werden, denn sie ist ein besonders wunder Punkt. Bei Anne Will wurde implizit und einen Tag später bei Illner explizit an der m. E. gegebenen Falschbehauptung festgehalten, dass Art. 3 (2) Satz 2 die Positive Diskriminierung von Männern durch Gleichstellungspolitik legalisiere.

Herr Prof. Norbert Bolz war der einzige Teilnehmer der Runde, der auf die kurze Einspielung mit der ebenso kurzen wie starken Anmerkung einging, indem er hierzu sagte: „Das ist die Wahrheit!“ Womit von ihm auch gesagt war, was aus seiner Sicht die Unwahrheit war bzw. ist. Herr Bolz sagte mit Nachdruck, dass es prinzipiell nicht möglich sei, vergangenes Unrecht durch neues Unrecht auszugleichen, und er griff dann den zweiten Teil des Zitats auf, über den die Runde dann eine Weile diskutierte, und eben nur über diesen einen Satz.

In solchen Runden wird nur über Frauen gesprochen, alle anderen Aspekte werden konsequent ausgeblendet. Die Diskussion wird so gesteuert, dass sie mit allenfalls kleinen Schlenkern in das geplante Ziel gelangt, womit dann die ideologische Botschaft unter dem Schein der freien Debatte an das Massenpublikum gebracht wäre. Wäre die FE inhaltlich vollständig oder hinreichend ausführlich dargestellt worden, wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Statt Information findet also Desinformation statt.

Der Witz dabei ist, dass dieses winzige Bruchstück einer Information, das dann durch Kontext absichtsvoll verzerrt wurde, immerhin noch ein Hinweis auf das war, was das Massenpublikum nicht lesen und hören sollte. Bei Illner ging die Redaktion gleich einen Schritt weiter, indem sie mich nicht nur nicht einlud, wie es zunächst erwogen worden war, sondern auch auf jegliche Erwähnung der FE verzichtete. Dankenswerterweise erfuhr ich als Begründung aus der Redaktion, dass „eine Sendung für Frau von der Leyen“ geplant sei. Und eine solche Sendung kann selbstverständlich mit der FE nicht stattfinden.

Die Planung wurde realisiert, und daher kam die FE in der Sendung von Illner überhaupt nicht mehr vor. Das heißt: In Kenntnis des vollen Inhalts entschied sich die Redaktion bewusst dafür, das Massenpublikum über die Frankfurter Erklärung nicht zu informieren, sondern eine Propagandasendung für die Frauenquote und für Frau von der Leyen zu produzieren. Und so geschah es. Nun ist das aus inhaltlicher Sicht durchaus folgerichtig, weil die FE keine der Prämissen – bzw. richtiger der Vorurteile – dieser Runde teilt. Sie hätte also gar nicht diskutiert werden können, oder, wenn doch, dann hätte diese Runde nicht stattfinden können. Denn eine Passage der FE wie die folgende wäre doch zu entlarvend gewesen:

„Gleichstellungspolitik ist eine Lobby- und Klientelpolitik für einen sehr kleinen Kreis von Frauen aus oberen sozialen Schichten, denn nur für sie sind Führungspositionen überhaupt in Reichweite. Sie wollen – nur wegen ihres Geschlechts – unter Verletzung des Leistungsprinzips, außerhalb des Wettbewerbs und unter Inkaufnahme der Diskriminierung von konkurrierenden Männern in berufliche und gesellschaftliche Positionen gelangen, die sie mangels hinreichender Qualifikation im Wettbewerb nicht erreichen könnten.“

Auch die folgende Passage z. B. hätte die gewünschte Zielrichtung der gelenkten „Debatte“ unmöglich gemacht:

„Im öffentlichen Diskurs werden die Begriffe „Gleichberechtigung“ und „Gleichstellung“ gerne verwechselt. Beides, so die häufige Annahme, sei dasselbe. Vor diesem Irrtum wird oft auf das Grundgesetz verwiesen, welches angeblich die „Gleichstellung der Geschlechter“ festschreibe. Tatsächlich ist im Grundgesetz an keiner Stelle von sogenannter „Gleichstellung“ die Rede. Vielmehr fordert das Grundgesetz die Gleichberechtigung, nicht die Gleichstellung.

Gleichberechtigung bedeutet die Gewähr gleicher Chancen bei erstens völliger Wahlfreiheit und zweitens Ergebnisoffenheit. Gleichstellung hingegen bedeutet Ergebnisgleichheit, unter Ignoranz oder gar Missachtung gleicher Chancen. Tatsächlich gibt es keine „bestehenden Nachteile“ im Sinne des Art. 3 (2) Satz 2. Insbesondere statistische Unterrepräsentanzen von Frauen sind kein bestehender Nachteil im Sinne des GG.

Männer und Frauen sind in unserem Land nicht gleichgestellt, sondern gleichberechtigt, und dies tatsächlich. Jedem Mann und jeder Frau stehen grundsätzlich jegliche Bildungs-, Berufs- und Entwicklungsmöglichkeiten offen. Diese Freiheit in solcher oder anderer Weise zu nutzen, ist jedem Mann und jeder Frau selbst überlassen.

Gleichstellungspolitik ignoriert diesen Umstand und hat eine weitgehende Gleichverteilung der Geschlechter in attraktiven und privilegierten Positionen zum Ziel. Gleichstellungspolitik ist damit unweigerlich eine privilegierende Quotenpolitik. Wer für Gleichberechtigung einsteht, muss sich gegen privilegierende Quoten aussprechen. Und wer sich gegen privilegierende Quoten stellt, muss auch gegen Gleichstellungspolitik Position beziehen.“

Erst recht hätte das Massenpublikum womöglich der Schlusspassage der FE zustimmen können – was selbstverständlich unbedingt vermieden werden musste; diese lautet:

„Die Gleichstellungspolitik ist rechtlich und moralisch unhaltbar. Eine Rechtfertigung für die Gleichstellungspolitik gibt es nicht. Eine Alternative zur Gleichstellungspolitik wäre eine konsequente Politik der Qualifikation. Arbeitsstellen sollten nach individuellen Qualifikationen der Bewerber und nicht nach deren Gruppenzugehörigkeit vergeben werden. Das würde die gerechteste Praxis der Stellenvergabe gewährleisten und mit dem Grundgesetz kompatibel sein. Eine Arbeitsstelle sollte diejenige Person erhalten, die dafür am besten qualifiziert ist, und zwar unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit.“

Der FDP-Mann Holger Zastrow beeindruckte durch seine außerordentlich gelassene Art, mit dem Thema umzugehen, und ebenso mit seinem realistischen Urteil. Man merkte, dass dieser Unternehmer tatsächlich wusste, wovon er sprach. Dasselbe gilt für die eingeladene Unternehmensberaterin, die sich als weitgehend immun gegen die Gleichstellungsideologie zeigte, indem sie mehrfach, sehr klar und überzeugend mit Bezug auf ihre Erfahrungswerte darauf hinwies, dass in der Praxis die nötige Zahl qualifizierter Frauen gar nicht auffindbar oder verfügbar seien. Nur über eine langfristige Personalentwicklungspolitik in den Unternehmen könne das geändert werden, und eine mögliche Aufsichtsrats- und ggf. Vorstandquote bleibe deshalb wirkungslos. Die Frauen müssten also denselben – mühsamen – Weg gehen wie die Männer, um die notwendigen Kompetenzen zu erwerben. Dagegen ist m. E., solange die Frauen nicht bevorteilt und dadurch Männer diskriminiert werden, nichts zu sagen. Das waren die beiden Stimmen der Vernunft, die es immerhin dann und wann noch gibt.

Frau Illner, Frau von der Leyen (CDU), und eine weitere, sich selbst als Quotenfrau bezeichnende Fernsehmoderatorin von Frauensendungen schäumten dafür ideologisch um so mehr. Die üblichen Falschbehauptungen wurden hastig und wiederholt aufgezählt, damit sie beim Massenpublikum haften bleiben. Man kennt das.

Die Gesprächssituation dieser Pro-Quote-Sendung war monologisch angelegt: es sollte gar kein Dialog zwischen unterschiedlichen Positionen stattfinden. Und so war es denn auch – wenn man von den ernsthaften und kritischen Einwänden der Unternehmensberaterin, die die realen Bedingungen in den Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt kennt, einmal absieht. Es ist möglich, dass die Redaktionen damit nicht gerechnet hatten.

Besonders unangenehm war mir Thomas Oppermann, dem wir in Niedersachsen das NHG zu „verdanken“ haben. Seine geradezu penetrante Befürwortung der Quote, deren Sinnhaftigkeit er stets voraussetzte, anstatt sie zu begründen, roch förmlich nach Linkspopulismus, den es leider auch gibt. Die Unterstützung der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“ (ASF) in der SPD, also dem dortigen Quoten-Lobbyverein, ist ihm sicher.

Denjenigen nun, die sich ernsthaft einbilden, die Quotenpolitik hätte irgend etwas mit Gleichberechtigung oder Emanzipation zu tun, und die deshalb ohne hinreichende Prüfung meinen, die Quotenpolitik sei unterstützenswert, und die sich selbst dann auch noch etwas daran zugute halten, im positiven Sinne des Wortes politisch „links“ zu sein oder sich so zu fühlen, denen sei der Artikel „Die biologische Klasse“ von Roberto J. Lapuente wärmstens empfohlen:

Interessant war für mich, dass Thomas Oppermann, der Jurist und ehemalige Niedersächsische Wissenschaftsminister, beschrieben hat, wie er in seiner Amtszeit durch Beeinflussung der Dreierlisten in Berufungsverfahren versucht hat, mehr Frauen in Professuren zu berufen – als ob das ein Selbstzweck und nicht eine Frage der wissenschaftlichen Qualifikation wäre. Für ihn i s t es offenbar ein Selbstzweck. Man fragt sich, woher er solche politischen Zielsetzungen wohl genommen hat. Die des neuen NHG (2002) kam vom CHE, dem Bertelsmann Thinktank in Gütersloh, die der Quotenpolitik vermutlich von der ASF, die in der SPD inzwischen eine ebenso illegitime wie kaum noch zu brechende Vormachtstellung erlangt haben. Gegen die ASF wird dort niemand mehr etwas sagen.

Thomas Oppermann machte als niedersächsischer Wissenschaftsminister nach eigenen Worten den Hochschulen die Vorgabe, dass er alle Dreier-Listen für Berufungen zurückgeben werde, auf der nicht wenigstens eine Frau stand. Diese Frau konnte also auch dann auf die Liste kommen, wenn sie eine vergleichsweise mäßige wissenschaftliche Qualifikation aufwies, also auch dann, wenn sie eigentlich gar nicht listenfähig gewesen wäre, konnte aber dennoch berufen werden, sofern die Sachlage – wie unangenehm, die gibt’s auch noch – nicht eindeutig dagegen sprach. Auf dieses Quasi-Quotenverfahren war er auch noch erkennbar stolz. Nun ja. Das gesetzlich vorgeschriebene Berufungsverfahren im Sinne des Art. 33 GG ist auch gar zu lästig, nicht wahr, Herr Oppermann?

Vgl. hierzu vertiefend: Günter Buchholz, Kritik des Niedersächsischen Hochschulgesetzes, Teil 1 – 4

 

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Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.