Die Forderung nach Verbot eines Vortrags über Männerdiskriminierung mündet in eine konstruktive Debatte.
Der AstA der Nürnberger Georg-Simon-Ohm-Hochschule ließ die Alarmsirenen schrillen. „Schockiert“ habe man dort erfahren, heißt es in seinem auch online gestellten offenen Brief, dass die ehemalige Goslarer Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling an der Fakultät der Sozialwissenschaften einen Vortrag zum Thema „Können Jungen und Männer in unserer Gesellschaft benachteiligt werden?“ halten solle. (Ebeling hatte 2011 ihr Amt als Gleichstellungsbeauftragte verloren, weil sie sich auch für Jungen und Männer einzusetzen begann).
In der Einladung zu Ebelings Vortrag hieß es: „Einseitige Parteilichkeit für ein Geschlecht hebelt demokratisches Handeln und Denken aus. Doppelstandards in der Geschlechterdebatte und Hypersensibilität für weibliche Belange verstellen den Blick auf den diskriminierten Mann. In einer einseitig frauenfreundlichen Geschlechterpolitik werden Jungen und Männer zielgerichtet und willentlich diskriminiert.“
Zwar, beteuerte der Nürnberger AStA, sei man „für viele kritische Debatten offen“, insbesondere wenn es um Themen wie Ungleichheit und Benachteiligung gehe. Allerdings sei es ein Unding, dass Ebeling „ein Podium für ihre frauenfeindlichen und antifeministischen Positionen gegeben“ werden solle. Es folgten mehrere Absätze teils kurioser Vorwürfe; beispielsweise, dass Ebeling „mangelnde Wertschätzung mancher Frauen gegenüber dem männlichen Glied“ beklagt habe, wodurch sie „alternative Lebensentwürfe verhöhne“ und „heteronormatives Denken reproduziere“. Wenn sie zudem der Behauptung widerspreche, dass Frauen „weniger verdienten“, verschließe Ebeling die Augen vor der gesellschaftlichen Realität. (Tatsächlich wies das statistische Bundesamt schon 2010 nachdrücklich darauf hin, dass das feministische Mantra von 23 Prozent weniger Verdienst für dieselbe Arbeit Unsinn ist. Legt man internationale Analysen zugrunde, die in dieser Gründlichkeit für Deutschland nie durchgeführt wurden, dürfte die geschlechtsbezogene Gehaltdiskriminierung bei 1,4 Prozent liegen.) Allgemein, so der Nürnberger AStA, revidierten Ebelings Ansichten „Jahrzehnte von Frauenbewegung“, was als nicht weniger skandalös bewertet wurde wie dass Ebeling sich freundlich gegenüber Eva Herman geäußert und einmal auf den angeblich „rechtslastigen“ KOPP-Verlag verlinkt habe. Da ein Beschluss des Studierendenparlaments wünsche, dass Hochschulen ein Vorbild für ein tolerantes Miteinander sein sollten, fordere man das Dekanat der Fakultät Sozialwissenschaften dazu auf, Ebelings Vortrag abzusagen. Auch die Schlagworte „Rassismus“ und „Sexismus“ fanden sich in dem offenen Brief, wobei der Vorwurf des „Rassismus“ nicht weiter begründet wurde. Namentlich unterschrieben waren all diese Anschuldigungen nicht; die Website des Nürnberger AStA indes führt als Mitglieder Ann-Cathrin Düppe, Sandra Kieser, Janna Pelanda und Lisa Wolfram auf, was auf eine Frauenquote des Allgemeinen Studentinnen-Ausschusses von einhundert Prozent schließen lässt.
Das geforderte Redeverbot für Monika Ebeling steht in der Tradition des Redeverbots, das der AStA der Universität Trier vor einigen Monaten für den israelischen Historiker Martin van Creveld verlangt hatte, nachdem dieser Ansichten geäußert hatte, die der feministischen Ideologie zuwiderliefen. Während die Leitung der Universität Trier das gewünschte Redeverbot zügig durchgesetzt hatte, gab es von Wissenschaftlern wie dem AGENS-Gründungsmitglied Professor Gerhard Amendt scharfen Protest gegen diese Beschneidung der Meinungsfreiheit. Auch unabhängig von solchen konkreten Anlässen beklagen immer mehr wissenschaftliche Beobachter, dass es inzwischen Redeverbote wie in der DDR und eine geradezu totalitäre Ausrichtung deutscher Hochschulen gebe, sobald es um das Geschlechterthema geht.
Der für Monika Ebelings Vortrag an der Ohm-Hochschule zuständige Dozent, Professor Dr. Wolfgang Tischner, Mit-Herausgeber eines Handbuchs Jungenpädagogik, ging mit den Protesten des AStA indes wesentlich souveräner um als seine Kollegen in Trier. Er kritisierte zunächst einmal das Vorgehen des AStA und forderte ein faires Miteinander und einen höflichen Umgang am Veranstaltungstag. Monika Ebeling ihrerseits gestattete den Mitgliedern des AStA, sich nach ihrem Vortrag ebenfalls zur Diskriminierung von Jungen und Männern zu äußern. Es blieb indes dabei, dass auf dieser Veranstaltung einmal von den Anliegen und Bedürfnissen Männern und nicht von denen der Frauen die Rede sein sollte. Dem AStA gingen die Thesen Ebelings zur Vorbereitung zu.
Am Tag der Veranstaltung befanden sich neben dem Dekan und seiner Frau etwa 50 Studenten im Publikum, außerdem um die 15 Männerrechtler und andere betroffene Männer, mehrere in Frauennetzwerken arbeitende Frauen sowie die Frauenbeauftragte des Fachbereichs Sozialwesen. Der Saal war somit sehr gut gefüllt. In den ersten 30 Minuten Redezeit präsentierte Monika Ebeling ihren Vortrag, den Gerd Riedmeier, Begründer der Plattform Inklusion – der als Zuschauer eine der zentralen Quellen für den vorliegenden Artikel darstellt – als „sehr souverän, sehr pointiert, auch sehr provozierend … einfach klasse“ beurteilt. In einer weiteren halben Stunde legten drei sehr junge Studenten (zwei Frauen, ein Mann) ihre Position mithilfe einer Powerpoint-Präsentation dar. Hier kam die Sichtweise des bisherigen Mainstreams in der Geschlechterdebatte zur Geltung: Die Täterschaft bei häuslicher Gewalt sei fast ausschließlich männlich, Frauen würden für dieselbe Arbeit deutlich schlechter entlohnt, die massive Femnisierung der Pädagogik werde überbewertet. Die Anspannung der Vortragenden beider Lager war im Publikum spürbar.
Anschließend fand eine ungewöhnlich lange und lebhafte Diskussion über das strittige Thema statt. Während Ebeling der Vorwurf angeblicher „Unwissenschaftlichkeit“ gemacht und ihre Verwendung des Begriffes „Geschlechterapartheid“ bemängelt wurde, äußerten sich auch zwei Soziologinnen, die die Argumentation Ebelings stützten. Im Verlauf der Debatte war es den Angehörigen aller Lager möglich, ihre Ansichten zu äußern, und auch die Anliegen der betroffenen Männer fanden Gehör. Besonders zur Sprache kamen die Ausgrenzung der Väter durch das Familienrecht, die Notwendigkeit, die Entfremdung zwischen Elternteilen und ihren Kindern nach einer Trennung zu bekämpfen, sowie die These, dass „der Feminismus ausgedient“ habe. In einem abschließenden Fazit erklärte Professor Tischner, dass in den zehn Jahren, in denen er bereits Gastvorträge organsiere, dieser der bei weitem intensivste gewesen sei. Auch zeigte er sich erstaunt darüber, wie nah sich die Positionen der beiden Lager zuletzt gekommen waren, da schließlich auch der AStA und das Publikum mit mehreren Thesen Ebelings konform gehen konnten. In seinem Schlusswort formulierte der AStA den durch diese Veranstaltung erzeugten Wunsch, zukünftig eine Sicht auf beide Geschlechter zu formulieren. Die zunächst befürchteten Tumulte – etwa dass Studenten Vuvuzelas blasen würden, um die Referentin zu übertönen – waren ausgeblieben.
„Viele fuhren nach Hause mit dem Gefühl, eine Art Paradigmenwechsel im Geschlechterdiskurs erlebt zu haben“, berichtet Gerd Riedmeier. Meist seien die geschlechterpolitischen Protagonisten – in diesem Falle die Vertreter von ASta/Fachschaft – durch den herrschenden Mainstream in den Medien beeinflusst und damit häufig Opfer der herrschenden Desinformation. Im Laufe der Veranstaltung in Nürnberg zeigten sich die AStA-Vertreter zunehmend offen für sachliche Informationen unter Betrachtung beider Geschlechter. An die Stelle der bisherigen Polarisierung sei an diesem Abend erstmals ein echter Dialog zwischen den Vertretern beider Geschlechter getreten – etwas, das nach all dem Theaterdonner zuvor unmöglich erschien und in zahllosen anderen Fällen durch Dämonisierung und Diskursverweigerung noch immer verhindert wird. Ein solcher Dialog sollte zu anderen Gelegenheiten wiederholt werden. Dafür benötigen Monika Ebeling und ihre Mitstreiter anhaltende Unterstützung.
Monika Ebelings Vortrag steht inzwischen online. Einen kurzen Artikel der Hochschule über die Veranstaltung findet man hier.