Diversity Management – wem nützt das?

Diversity

Diversity ist ein Modebegriff, der auch in der Betriebswirtschaftslehre und in der unternehmerischen Praxis eine gewisse Rolle spielt. Aber es ist eine naive Selbsttäuschung oder ein Ausdruck von Einfalt zu meinen, mit diversity sei Vielfalt im Sinne von Heterogenität gemeint. Fragt man, was der Begriff wirklich – und das heißt praktisch – bedeutet, dann stößt man auf eine strategische sprachpolitische Täuschung.

Es fällt auf, dass es immer mehr – meist amerikanische – Begriffe gibt, die entweder unübersetzbar sind (z. B. Gender Mainstreaming) oder auf deren Übersetzung – im Sinne von: Was genau ist damit gemeint? – bewusst verzichtet wird (z. B. doing gender), denn es ist sprachpolitisch gar nicht gewollt, dass hierüber Klarheit hergestellt wird.

Mit sprachlicher Klarheit würden nämlich Widerstände geweckt werden, die gerade vermieden werden sollen. Es handelt sich um eine esoterische Tarnsprache, in der das, was eigentlich gemeint ist, nur eingeweihten Personen bekannt ist, um eine strategische Verständigung zu ermöglichen, während diese sprachlichen Ausdrücke in den Mitteilungen an die nicht eingeweihten Personen in anderer, nämlich gesellschaftlich tolerierter Bedeutung verwendet werden, wodurch mit taktischen Mitteln eine Täuschung der Öffentlichkeit angestrebt und erreicht wird; man kennt diese sprachpolitische Sprachverdrehung auch von der Scientology-Sekte, z. B. mit Bezug auf den Begriff „Ethik“. Genauso liest sich übrigens über weite Strecken die Gender Studies-Literatur; sie ist fast nur für Eingeweihte gedacht.

Einer dieser Doppelsprech-Begriffe ist diversity oder Diversität oder Vielfalt (vgl. „Gender-Mainstreaming, Diversity, logischer Unsinn“). Gibt man den Diversity-Begriff bei Wikipedia ein, dann wird Folgendes mitgeteilt: Erstens: „Diversity (Soziologie), moderner Gegenbegriff zu Diskriminierung, um antidiskriminierende Maßnahmen argumentativ zu bündeln.“

Aha! Wir lernen hier nicht ohne Verblüffung, dass diversity zumindest in der deutsch-feministischen Soziologie nicht mit Vielfalt übersetzt wird, sondern als Gegenbegriff zu Diskriminierung. Wenn das richtig wäre, dann würde diversity Nicht-Diskriminierung bedeuten. Sie bedeutet aber tatsächlich Vielfalt im Sinne von Heterogenität (zum Beispiel einer Gruppe) als Gegenbegriff zu Homogenität. Die Frage, ob eine Gruppe homogen oder heterogen strukturiert ist, hat aber mit  Diskriminierung überhaupt nichts zu tun. Seltsamerweise werden dann noch die generalisierte bloße Behauptung und das unbegründete Werturteil nachgeschoben, homogene Gruppen seien „schlechter“ oder leistungsschwächer als heterogene Gruppen. Wie dem auch sei, die Frage ist hier, weshalb eine solch fragwürdige Behauptung ohne Beweisführung propagandistisch verbreitet wird. Welches Ziel wird damit verfolgt?

Diversity

Kehren wir zum Wikipedia-Eintrag zurück, dann lesen wir:

„Diversität (Soziologie) ist ein Konzept, das in der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft, analog zum Begriff Diversity im englischsprachigen Raum für die Unterscheidung von Personenmerkmalen gebraucht wird. Häufig wird der Begriff Vielfalt anstelle von Diversität benutzt. Diversität von Personen wird in mehreren Dimensionen betrachtet: Kultur (Ethnie), Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion (Weltanschauung)“.

Das Konzept Diversität (Soziologie) hat seinen Ursprung in der Bürgerrechtsbewegung der USA, die gegen die Benachteiligung von Schwarzen gekämpft hat. Diversität steht damit für die Herstellung von Chancengleichheit von Gruppen, die nach bestimmten Merkmalen benachteiligt werden. Daraus entstand in den USA das Antidiskriminierungsgesetz und die Affirmative Actions zur Förderung benachteiligter Gruppen („Rasse“, Geschlecht, Hautfarbe, nationale Herkunft, Alter, Behinderung oder Religion).

Seit dem Ende der 1990er Jahre wird das Konzept auch von der Europäischen Union als Leitbild verwendet. Seit 2006 sind in der deutschen Gesetzgebung die Diversity Dimensionen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz berücksichtigt und schützen Personen aus diesen Dimensionen vor Diskriminierung.

2006 wurde in Deutschland die Charta der Vielfalt gegründet, in der sich viele Unternehmen verpflichten, die Vielfalt der Menschen zu respektieren und zu fördern, wobei der Begriff Vielfalt stark erweitert wird und schlussendlich jeder Mensch mit seiner Einzigartigkeit respektiert werden soll.“

Wenn sich das so verhält, dann ist klar, dass die Verwendung des Begriffs diversity nicht auf irgendeine Analyse der deutschen Gesellschaft, sondern auf die der USA zurückgeht. Es handelt sich um eine Art von politischem Plagiat, das ohne weitere Bedenken nach Europa importiert worden ist, obwohl die soziohistorischen Bedingungen in Europa sich von denen der USA sehr deutlich unterscheiden (Abschaffung der feudalen Leibeigenschaft in Europa im 18. und im 19. Jahrhundert und US-Sezessionskrieg wegen der Abschaffung der Sklaverei im 19. Jh.). Aber es geht hier eben nicht um wissenschaftliche Differenzierungen, sondern um politische Interessen.

Wessen Diskriminierung ist in der aktuellen europäischen Debatte eigentlich gemeint? Die der schwarzen amerikanischen Sklaven, die dort auch als Befreite noch als nigger verachtet und diskriminiert wurden (was – nebenbei bemerkt – den Unterschied zum deutschen Wort „Neger“ ausmacht, das lediglich eine Farbe bezeichnet und dem diese Verachtung nicht anhaftet) und es wohl noch werden. Sie kann es nicht sein. Oder sind die Massen der inländischen working class damit gemeint, insbesondere, wenn sie im Niedriglohnsektor arbeiten müssen, oder sind es die Arbeitsmigranten samt Nachkommenschaft, die vielleicht außerdem einer religiösen Minderheit angehören?

Geht es also bei der Anwendung des diversity-Begriffs in Deutschland also darum, in den Betrieben mittels Diversity Management mehrdimensional gemischte, angeblich leistungsstärkere Arbeitsgruppen durchzusetzen? Natürlich nicht. Warum sollte Feministinnen das denn etwas bedeuten? Wenn stärker heterogene Gruppen wirtschaftlicher wären, dann würden die Unternehmen selbst für die schleunigste Umsetzung sorgen; dafür sorgte das Profitmotiv sehr zuverlässig.

Worum es daher wirklich geht, das ist einzig und allein, mit der Pseudolegitimation der diversity Frauenförderung mittels Männerdiskriminierung zu betreiben, aber eben geschickt, ganz ohne den expliziten Gleichstellungsbegriff und unter Verwendung einer harmlos klingenden begrifflichen Maske, so dass die Unternehmen womöglich gar nicht merken, welche Trojanische Stute sie sich da in die Organisation geholt haben (vgl. hierzu: „Zusammenhang und Abgrenzung von Gender- und Diversity-Management“). Es heißt dort:

„Auch wenn wir für einen individuellen Zugang jeder Organisation zur Frage „Gender und Diversity: Wie stehen sie zueinander?“ plädieren, hat die letzte Variante für viele Organisationen Vorteile. Unter dem Dach von Diversity werden verschiedene Kategorien berücksichtigt, Gender kann dabei aber eine der wichtigsten sein. Sie kann den Ausgangspunkt für die Einführung eines Diversity-Managements markieren. So können Probleme in Bezug auf die Geschlechter-Gleichstellung Auslöser sein, dass die Thematik überhaupt erst Eingang findet in eine Unternehmung. Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Türöffner-Effekt von Diversity-Management. Diversity oder Vielfalts-Management ist heute für jede Organisation relevant. Gender wird dann oft selbstverständlicher auf die Agenda einer Organisation gelangen.“

Es gibt noch eine weitere Frage. Wenn Frauenförderung als Gleichstellungspolitik sowieso schon umfassend betrieben wird, weshalb wird dann von „gender & diversity-policy“ gesprochen? Hierauf gibt es zwei Antworten:

Erstens eignen sich die Begriffe diversity und diversity management dazu, als „modernes“ Managementkonzept für den privaten Wirtschaftssektor angeboten zu werden, ohne dass dabei bemerkt wird, dass es dabei einseitig um Frauenprivilegierung geht; die Begriffe dienen als Tarn- und Täuschungsbegriffe.

Zweitens gibt es eine Dimension von Diversität, die von der bloßen Frauenprivilegierung nicht erfasst wird, nämlich die besondere Förderung von männlichen und (insbesondere) von weiblichen Homosexuellen. Die Betonung von diversity im Zusammenhang mit gender zielt dann nicht nur auf Frauen-, sondern speziell auf Lesbenbevorzugung.

Es gibt übrigens noch mehr Anwendungsmöglichkeiten für diesen Trick, z. B., indem man dasselbe Motiv unter der begrifflichen Maske des Qualitätsmanagements versteckt. Dazu wird der Begriff des Qualitätsmanagements sprachpolitisch neu definiert. Qualität hat danach das und vor allem nur noch das, was gender und diversity in sich einschließt. Diese begriffliche Neudefinition ist ein „dirty trick“ oder eine Infamie, denn: Wer kann schon gegen Qualität sein? So schleust man Nicht-Qualität wie einen Virus in den Qualitätsbegriff selbst ein und so immunisiert man sich gegen eine mögliche Kritik. Darauf kann man leicht hereinfallen. Die Unternehmen sind gut beraten, nicht einfältig zu sein und sich seitens der Gleichstellungspolitik nicht täuschen und nicht veralbern zu lassen. Und das gilt selbstverständlich für Hochschulen ebenso.

Zum Diversity Management seien abschließend noch einige Presse-Quellen genannt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Diversity_Management
http://www.zeit.de/2012/49/Frauen-Diversity-Margret-Suckale
http://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-04/diversity-unternehmen
http://www.zeit.de/karriere/2012-09/managment-frauen-personal-diversity
http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-06/chefsache-diversity

guenter buchholz
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Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.