Kommentar zu Michael Kleins „Grüne Fehlschlüsse gegen rechte Parolen“
18. Mai 2014, von Prof. Günter Buchholz
Die in der öffentlichen Diskussion auf unterschiedlichen Feldern, darunter leider auch der Wirtschaftspolitik, ständig wiederkehrenden Denkfehler sind eines der besorgniserregenden Symptome gesellschaftlicher Fehlentwicklung, die von den davon besonders Betroffenen am allerwenigsten bemerkt wird.
Der dadurch verursachte Rationalitätsverlust ist ausgesprochen schädlich. Es breitet sich seit längerer Zeit auf allen Ebenen ein gesellschaftlicher Irrationalismus aus, darunter nicht zuletzt im Bildungs- und Wissenschaftssystem, der bisher nur dümmlich und schwer erträglich ist, der uns aber noch richtig gefährlich werden wird. Die Parallelen zur Epoche vor dem I. Weltkrieg sind auffällig und werden innergesellschaftlich und in den äußeren Beziehungen immer unübersehbarer.
Ein Beispiel liefert der sich in praktisch allen offiziellen Dokumenten findende Standardfehlschluss von – an sich völlig neutralen – statistischen Ungleichheiten, die eben sind, wie sie sind, auf angebliche Benachteiligungen, Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen. Diese Bewertungen bedürften einer besonderen Begründung, die aber nicht gegeben, sondern einfach unterstellt wird.
Ein solcher Fehlschluss ist ein Denkfehler, aber vermutlich, zumindest teilweise, nicht aus einem kognitiven Unvermögen, sondern aus einem wirtschaftlichen Interesse heraus. Es handelt sich also nicht, wie wohlwollend angenommen werden könnte, um bloße Dummheit, sondern ganz im Gegenteil um vorsätzlichen Betrug, um ein bewusstes Täuschungsmanöver, für den ein Denkfehler instrumentalisiert wird.
Dieser Denkfehler liegt regelmäßig dann vor, wenn bei Frauen eine statistische Ungleichheit, diese unbegründet bewertend, als sogenannte „Unterrepräsentanz von Frauen“ gedeutet wird, woraus dann „gefolgert“ wird, diese sogenannte Unterrepräsentation müsse durch Quotenpolitik ausgeglichen werden, und das schließe – angeblich durch das Grundgesetz, Art. 3 (2) Satz 2 legitimiert – unvermeidlich eine Bevorteilung von Frauen durch eine Benachteiligung von Männern ein, und sei somit zu billigen.
Es sind diese sogenannten Unterrepräsentanzen von Frauen, die als falsche empirische Basis für den genannten Satz des Grundgesetzes herangezogen werden, wobei zusätzlich unterschlagen wird, dass in diesem Satz von Gleichberechtigung und nicht von Gleichstellung die Rede ist, um die es aber in der Rede von der angeblichen Unterrepräsentanz gerade geht. Denn der erst 1994 ins Grundgesetz eingefügte Satz lautet:
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Würde nun behauptet, die Formulierung „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen“ bedeute eben Gleichstellung, dann wird nicht bemerkt, dass man sich damit in logische Widersprüche verstrickt, die eine solche Deutung als unmöglich widerlegen.
Das heißt, dieser Satz kann logisch zwingend genau das, nämlich Gleichstellung, nicht bedeuten. In Übereinstimmung mit Satz 1 und Art. 3 (3) bedeutet das, dass die Gleichheit vor dem Recht, und dies tatsächlich, für Männer wie Frauen hergestellt werden muss.
Da diese Gleichheit vor dem Recht heute zu Lasten der Männer empirisch nachweisbar nicht oder nicht mehr gegeben ist, kann sich eine Männerrechtsbewegung mit Fug und Recht auf diesen Satz berufen, um ihren empirisch belegbaren rechtlichen Benachteiligungen entgegenzuwirken, und dies tatsächlich. Der Staat ist dazu verprflichtet, die Gleichheit vor dem Recht herzustellen.
Mit anderen Worten: Es gibt weder einen Satz der Grundgesetzes, der eine Gleichstellungspolitik begründen könnte, noch gibt es Befunde, die eine solche Gleichstellungspolitik, wenn es sie denn seitens der Verfassung geben dürfte, empirisch fundieren könnten.
Weder das eine noch das andere existiert. Das alles ist einfach nur verfassungswidriger Unsinn, dessen harter Kern allein das nackte Interesse an Frauenprivilegierung mittels Männerdiskriminierung ist. Der Rest ist Schwindel und Propaganda.
Weiter wird von Parteien, die sich selbst als „links“ – hier im weiten Sinne von „fortschrittlich“ – betrachten, oft behauptet, dies geschehe im Dienste der Emanzipation der Frauen, und dafür müsse man doch sein, wenn man kein Reaktionär, gar ein „Rechter“ sei.
Aber die Frauen sind doch längst gleichberechtigt, und sie sind bereits emanzipiert, und zwar seit langem. Tatsächlich hindert sie in Europa hier und heute nichts und niemand daran, frei zu handeln. Sie müssen ebenso wie Männer nur ihr Schicksal entschlossen in die eigenen Hände nehmen, sich ernsthaft für ihre persönlichen Ziele einsetzen, sich um diese energisch bemühen, unvermeidliche Kompromisse eingehen und wirklich die Verantwortung für sich selbst übernehmen.
Den jungen Frauen heute ist das oft längst eine Selbstverständlichkeit, und daher verstehen sie die Motive der Gleichstellungspolitik gar nicht mehr, oder sie lehnen sie ab, weil sie verständlicherweise keine Quotenfrauen werden wollen. Das ist eine Hoffnung für die Vernunft.
Es geht nämlich gar nicht um “links” oder “rechts”, wie uns eine ebenso dümmliche wie interessierte, nicht nur „grüne“ Pressearbeit weismachen will, und zwar deshalb nicht, weil diese politischen Zuordnungen heute inhaltlich weitgehend unklar geworden sind.
Im 19. und 20. Jahrhundert war noch klar, dass sich – in der Tendenz – die kleinen und großen Besitzenden, also die Besitzbürger, mit dem Adel auf der politischen Rechten, die Besitzlosen, besonders aber die aktive Arbeiterschaft, auf der politischen Linken organisierten und versammelten, wenn auch jeweils in unterschiedlichen Parteien. Ihre gesellschaftliche Interessenlage – oder der Widerspruch von Kapital (sowie Grundbesitz) und Arbeit – gab ihnen das grob vor, auch wenn sozialpsychologische Prozesse zu Abweichungen führen konnten. Ist das heute auch noch so? Vielleicht ja, aber es gibt neben dem Co-Management der Gewerkschaften einiges, was irritiert.
Die Grünen bilden sich zum Beispiel ein, sie verträten eine fortschrittliche und in diesem Sinne linke Position, aber sie können das nicht begründen. Eine ökologische Politik, die wegen der sich entwickelnden ökologischen Krise unabweisbar notwendig geworden ist, ist zumindest bei den Grünen, und seit auch andere Parteien sich den ökologischen Herausforderungen stellen, nicht mehr so im Vordergrund wie noch in früheren Jahrzehnten. Stattdessen wird mit erstaunlich starker medialer Unterstützung eine homophile Politik kampagnenartig vorangetrieben.
Aber Homosexualität ist sowenig fortschrittlich oder “links” wie Heterosexualität und Familien konservativ oder “rechts” sind. Beides ist offensichtlicher Unsinn. Sie trompeten auf einfältigste Weise ihr illusionäres Selbstbild in die Gesellschaft, die hinschaut und mit dem Kopf schüttelt ob dieser albernen Selbstverkennung.
Die heutigen Grünen sind, und das ist ein übersehenes Kernproblem der heutigen Politik, ebenso theorievergessen wie die Sozialdemokratie, die einst eine Arbeiterpartei war, heute aber in den Spiegel schaut, eine Unbekannte sieht und laut ruft: WER IST DAS? Aber ist das verwunderlich, wenn man weiß, dass „Die Gute Alte Tante SPD“ gerade ihren 150. Geburtstag hinter sich hat?
Daher sind sie beide darauf angewiesen, sich mittels irgendwelcher populistischer Äußerungen mit ad-hoc-Charakter Vorteile beim Wähler zu ergattern, ein Verfahren, das allerdings auch anderen Parteien nicht fremd ist – ganz im Gegenteil. Darin unterschieden sich die Parteien nicht mehr, und das ist offenbart einer der Gründe für die fundamentale Unzufriedenheit der Wähler mit dem Parteiensystem.
Wenn der Bezug auf Erfahrungstatsachen den eigenen politischen und ökonomischen Interessen dient, dann wird damit auf die Pauke gehauen. Andernfalls hingegen ist man plötzlich blind und taub. Und befragen, ernsthaft befragen lässt man sich vorsichtshalber lieber gar nicht. Denn man ahnt und spürt, dass man dabei blamabel scheitern würde. Das gilt nicht nur für das Thema Gleichstellungspolitik, sondern ebenso für das Thema Wirtschaftspolitik, und ziemlich sicher auch für etliche andere Felder der Politik, sei es die Europa-, sei es die Außenpolitik.
Und deshalb müssen im medialen Raum sorgfältigste Vorkehrungen getroffen werden, die dafür sorgen sollen, dass dieses Risiko gebannt wird, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt.
Dies unauffällig auf halbwegs unterhaltsame Art und Weise zu organisieren, ist das Geschäft der diversen Talk-Show-Frauen, die allesamt meinen, ihre Geschlechtszugehörigkeit rechtfertige einen selektiven und “konstruktiven” Umgang mit den Tatsachen und der Logik. Feministische Parteilichkeit nennt sich das. Wem das einmal klar geworden ist, der weiß, was davon zu halten ist.
Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.