Unser täglich Einheitsbrei gib uns heute

Einheitsbrei bhvg6527

Liebe Journalisten,

in aller Regel nehme ich von anderen Menschen zunächst das Beste an, bis mir das Gegenteil bewiesen wird. Aber ihr macht es einem wirklich nicht leicht.

Ich kann mir gerade eben noch vorstellen, dass das Weglassen der einen oder anderen relevanten Information aus Unwissenheit geschieht. Etwa in einem Artikel über männliche Unterhaltspreller nicht darauf hinzuweisen, dass von den unterhaltspflichtigen Frauen sechsmal so viele ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Oder darüber zu schwadronieren, Armut sei weiblich, und dabei die neunzig Prozent Obdachlosen zu ignorieren, die nun mal männlich sind.

Ich kann mir sogar vorstellen (obwohl das meine Fantasie bereits arg zu strapazieren heißt), dass es nicht zwangsläufig böser Absicht entspringt, ständig die Perspektive von Männern auszublenden, ausschließlich aus weiblicher Sicht zu berichten und Informationen, die euch von offizieller Seite auf den Tisch gelegt werden, nicht nachzurecherchieren. Beispielsweise eins zu eins die Ergebnisse der verlogenen EU-Studie zu übernehmen, die suggeriert, Frauen würden ihr Leben lang unter männlicher Gewalt leiden, eine Studie, die jeder Zehntklässler in zwanzig Minuten zerpflücken könnte.

Das alles also bin ich mit viel gutem Willen bereit, unter „absichtslos“ zu verbuchen. Aber mir fällt bei aller Mühe keine Entschuldigung dafür ein, warum jemand den Sinn einer Nachricht entstellt, Aussagen verfälscht und durchgängig männliche Schuld und weibliches Leid kollektiviert, weibliche Schuld und männliches Leid hingegen individualisiert oder gar unsichtbar macht. Eine solche Manipulation kann nur bewusst und absichtlich erfolgen. Wenn beispielsweise

– Hunderte von Jungen im Sudan entführt werden, wie etwa die BBC korrekt berichtet, und ihr deren Geschlecht unkenntlich macht, indem ihr allgemein von „Kindern“ schreibt;

– Französische UNO-Soldaten afghanische Jungen sexuell missbrauchen, wie der Telegraph weiß, ihr sie jedoch wiederum zu „Kindern“ vernebelt;

– die Terrorgruppe IS 500 Jungen entführt, um sie als Kindersoldaten und Selbstmordattentäter zu benutzen, und dabei einen 14jährigen Jungen sogar für ein Propagandavideo foltert, wie im Independent nachzulesen, und alles, was euch dazu einfällt, ist: „Das ist ein Krieg gegen Frauen“;

– dieselbe Gruppe in wenigen Jahren 3.591 Menschen umgebracht hat, ihr es jedoch wichtig findet zu erwähnen, dass sich „darunter 103 Frauen und 77 Kinder“ befinden, weil ermordete männliche Zivilisten offenbar kein Mitleid verdienen;

– bei uns 71 tote Flüchtlinge in einem LKW entdeckt werden und euch die „8 Frauen und 4 Kinder“ darunter als Einzige der Erwähnung wert sind;

– Raketenangriffe in Syrien euch zu der Schlagzeile „Hunderttausende Frauen und Kinder leiden in Homs“ verleiten, als würden die Raketen syrischen Männern irgendwie ausweichen;

– die Terrorgruppe Boko Haram einen Bombenanschlag auf eine Jungenschule verübt und dabei 48 Jungen tötet, woraufhin ihr euch über die Angst von Schülerinnen, zur Schule zu gehen, auslasst und ein ausführliches Interview mit der Rektorin und 2 Schülerinnen einer Mädchenschule führt;

– eine PISA-Studie die zahlreichen Benachteiligungen von Jungen thematisiert und ihr einzig und allein darüber lamentiert, dass Mädchen Mathematik keinen Spaß macht;

– von vornherein von „schlauen Mädchen“ und „dummen Jungen“ geschrieben wird;

– mehr Männer als Frauen im Zuge häuslicher Gewalt umgebracht werden und ihr dies umdeutet zu „Fast die Hälfte der Fälle [sic!], die von ihrem Lebenspartner oder einem Familienmitglied umgebracht wurden, waren Frauen“;

– ein Junge einen historischen Zahn findet, wie der Guardian berichtet, ihr stattdessen einem Mädchen die Anerkennung dafür zuschustert, das während des Fundes nicht mal anwesend war;

– ein Junge einen Jungforscher-Wettbewerb gewinnt, ihr jedoch nahezu den kompletten Artikel den unterlegenen Mädchen widmet;

– laut Umfrage Männer häufiger als Frauen am Arbeitsplatz belästigt werden, wie die Wirtschaftswoche zeigt, und ihr dieses Ergebnis einfach unter den Tisch fallen lasst;

– ein Drogenbericht verdeutlicht, dass 84% aller Drogentoten Männer sind, was immerhin die FAZ erwähnt, und ihr diese Tatsache geflissentlich übergeht;

– mehr als 200 Jungen eines Knabenchores missbraucht werden und ihr wieder mal die Betroffenen zu „Kindern“ oder „Schülern“ verallgemeinert;

– Feuerwehrmänner bei euch sowieso grundsätzlich nur als Feuerwehrleute auftauchen;

– wie rechtfertigt ihr dann all diese Manipulationen vor euch selbst?

Klar, viele von euch sind mit der Gehirnwäsche des Staatsfeminismus aufgewachsen und haben jahrzehntelang gefälschte Informationen geschluckt. Und, ebenfalls klar, so manche Frau unter euch möchte ihre Privilegien nicht aus der Hand geben und so mancher Mann unter euch hat das jahrtausendealte Geschlechterstereotyp verinnerlicht, nach dem Frauen arme, hilflose Wesen sind, die von Weißen Rittern (also euch) beschützt werden müssen.

Aber kommen euch nicht wenigstens ein klitzekleines bisschen Zweifel an diesem Geschlechterbild, wenn ihr zum tausendsten Mal lügt, betrügt und Informationen fälscht? Dass vielleicht ja doch unter Umständen eventuell wenn man genau hinsieht an diesen Informationen etwas dran sein könnte? Und dass es doch seltsam ist, dass man das, was man als die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ansieht, nicht mit Zahlen, Fakten und Quellenangaben stützen kann, sondern nur mit Manipulationen, Lügen und Menschenverachtung?

Muss man sich dann nicht als halbwegs intelligenter Mensch die Frage stellen: Stimmen die Grundlagen meiner Sicht auf die Welt? Wenn ich, der ich doch das Urbild seriösen Qualitätsjournalismus‘ bin, schon nach Strich und Faden betrüge, wie sehr müssen es erst die anderen tun, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen wie ich und auf deren Informationen ich mich beim Bau meines Weltbildes verlasse?

Liebe Journalisten, ich verstehe Angst. Ich verstehe, dass jemand, der in einem feministisch dominierten Umfeld arbeitet, eine Entlassung befürchtet, wenn er gegen den Strom schwimmt. Insbesondere, wenn er eine Familie zu versorgen hat. Ich verurteile niemanden, der sich duckt und den Mund hält. Ich bin auch kein Held. Aber warum müsst ihr euch in vorauseilendem Gehorsam schlimmer gebärden als so manche Geschlechterkriegsgewinnlerin?

Nein, wie ich es auch drehe und wende, ich kann euch nicht aus der Verantwortung für eure Taten entlassen. Wer wissentlich Lügen verbreitet und verbal auf Männer einprügelt, wer denen, die sich um die Gesellschaft verdient machen, den Respekt verweigert, sobald sie das falsche Geschlecht haben, wer Verbrechen gegen Jungen und Männer totschweigt oder bagatellisiert, um ihnen klarzumachen, dass ihr Leben und ihr Wohlbefinden in den Augen der Gesellschaft wertlos sind, wer Jungen und Männern noch das simpelste Mitgefühl verweigert, an dessen Händen klebt das Blut der getöteten Jungen im Sudan und der missbrauchten Jungen in Afghanistan, der ist mitverantwortlich für ungezähltes Leid, das Leid der Jungen, die in der Schule benachteiligt werden, das Leid der Kinder, die ohne ihren Vater aufwachsen müssen, und der Väter, denen ungestraft das Liebste in ihrem Leben geraubt wird, das Leid all derer, die mit dem Wissen durchs Leben gehen, dass ihnen niemand helfen wird, wenn sie am Boden liegen, dass sie keine Lobby haben und dank eurer Dauerpropaganda auch nie haben werden.

Und wenn der Tag kommt, da die Generation eurer Kinder euch fragt: „Warum habt ihr Jungen und Männern euer Mitgefühl verweigert? Warum habt ihr nichts dagegen unternommen, dass sie benachteiligt, gequält, gemordet werden?“, dann werdet ihr mit der Ausrede „Wir haben es nicht besser gewusst“ nicht durchkommen. Die war schon 1945 nicht sonderlich glaubwürdig. Heute, im Zeitalter der Information, im Zeitalter des Internets, nimmt sie euch niemand mehr ab.

Der Artikel erschien zuerst auf Das Alternativlos-Aquarium

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Gunnar Kunz hat vierzehn Jahre an verschiedenen Theatern in Deutschland gearbeitet, überwiegend als Regieassistent, ehe er sich 1997 als Autor selbstständig machte. Seither hat er etliche Romane und über vierzig Theaterstücke veröffentlicht, außerdem Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Musicals und Liedertexte. 2010 wurde er für den Literaturpreis Wartholz nominiert.