Es gibt bekanntlich einen manchmal katastrophalen Unterschied zwischen“gut gemeint” – oder der vermeintlich oder tatsächlich guten Gesinnung – und “gut” in einem intersubjektiv begründbaren Sinne sowie, insbesondere, im Sinne der tatsächlichen Folgen.
Wer sich dessen nicht bewußt ist und ebenso naiv wie beschränkt auf der persönlichen subjektiven Gesinnung beharrt, um diese zur Geltung zu bringen, der muß anderen, die ebenso berechtigt eine andere subjektive Gesinnung haben oder die sich bereits über die Folgen Gedanken gemacht haben, als zwanghafter Rechthaber, als Vertreter einer Political Correctness oder einer Ideologie, als nur vermeintlich wohlwollender Diktator oder als totalitärer Erzieher eines neuen Menschen erscheinen.
Es ist dieser überspannte Subjektivismus, der sich weder seiner Relativität noch seiner Beschränkheit bewußt ist, dessen illegitimer Wille zur Verallgemeinerung und das heißt zur Übergriffigkeit auf andere Menschen zu genau der Reaktanz führt, die sich im Schimpfwort des “Gutmenschen” ausdrückt.
Freilich erscheint in dieser Reaktanz oftmals nicht nur die berechtigte Abwehr dessen, was im schlechten Sinne gut gemeint ist, sondern es offenbart sich ein Zynismus, der sich gegen das Gute im intersubjektiv begründbaren Sinne selbst richtet, und eben daher nicht gut ist. Dieser Zynismus samt seinen inhumanen Implikationen, z. B. soziale Kälte und Gleichgültigkeit, ist diesen Kritikern der “Gutmenschen” vermutlich und in der Regel nicht bewußt, weshalb sie sich selbst wiederum für gut – und zugleich für realistisch halten. Wobei sie ihrerseits zu wissen meinen, dass sie, einfach weil die Welt oder die Menschen angeblich immer schon schlecht oder verderbt seien, mit ihrem Zynismus nur deren angemessener subjektiver Ausdruck seien.
Diese Kombination sichert ihnen in ihrem Bewußtsein ihre Überlegenheit gegenüber den tumben Gutmenschen, deren subjektive Verblendung, aus der sie ihre absurden Gewißheiten ableiten, ihnen eine realitätsgerechte Haltung zur Welt versperrt, und die in dem Wahn leben, sie wären berechtigt und in der Lage, die Welt – und besonders die anderen Menschen – an ihre Verblendungen anzupassen, wenn nötig, dann eben mit Zwang.
Beide Bewußtseinsformen, die des Gutmenschen wie die des Zynikers, sind objektiv unangemessen, weil defizitär. Sie lösen keine gesellschaftlichen Probleme, sondern sie sind selbst Teil dessen, worunter wir gesellschaftlich leiden.
Prof. Dr. Güter Buchholz, Jahrgang 1946, hat in Bremen und Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert, Promotion in Wuppertal 1983 zum Dr. rer. oec., Berufstätigkeit als Senior Consultant, Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Consulting an der FH Hannover, Fakultät IV: Wirtschaft und Informatik, Abteilung Betriebswirtschaft. Seit 2011 emeritiert.