Wenige Wochen vor dem Erscheinen von Anne Wizoreks Buch „Weil ein Aufschrei nicht reicht“ erklärte die US-amerikanische Professorin für Geistes- und Medienwissenschaft Camille Paglia, Feminismus sei im Jahr 2014 nicht mehr als „ein Haufen gemeiner Mädchen auf Twitter“.
International sammeln die jungen „Women Against Feminism“ immer mehr Anhängerinnen. Und wenige Tage vor dem Erscheinen des Buches erklärte die Schauspielerin Emma Watson vor den Vereinten Nationen, ihrer Wahrnehmung nach werde Feminismus heute mit Männerhass gleichgesetzt. Anne Wizoreks Buch ist als Anschauungsobjekt gut geeignet, das erklärt, wie es zu dieser Haltung gekommen ist.
Schon sein Untertitel betreibt einen Etikettenschwindel. Um einen Feminismus „von heute“ handelt es sich nicht – zumindest nicht in dem positiven Sinne, in dem dieser Untertitel verstanden werden soll. Tatsächlich verpackt Wizorek eine grauenvoll altbackene Ideologie aus einer Zeit von vor ihrer Geburt – die ulkige These, dass man eine Gleichberechtigung der Geschlechter am besten erreicht, indem man sich auf die Anliegen eines Geschlechtes konzentriert – in eine moderne, „hippe“ Sprache.
Schon zu Beginn ihres Buches, es muss ihr also offenbar besonders wichtig sein, erklärt Wizorek, warum sie gerade keine Bewegung für beide Geschlechter wolle, die man statt als „Feminismus“ als „Humanismus“ oder ähnlich betiteln könne. Um ihre Auffassung zu untermauern, fährt Wizorek im Verlauf ihres Buches eine ganze Reihe von Falschbehauptungen auf, von denen die folgenden Absätze nur einige schlaglichtartig behandeln sollen.
„Ein weißer, heterosexueller Mann ohne Behinderungen hat die besten Voraussetzungen, um diskriminierungsfrei durchs Leben zu gehen.“ Tatsächlich liegen seit Jahren die verschiedensten Untersuchungen vor, denen zufolge Jungen in der Schule für dieselben Leistungen schlechtere Noten erhalten. Gleichzeitig werden Männer vor Gericht für dasselbe Vergehen schwerer bestraft. Wenn es um Sorge- und Umgangsrecht geht, sind es die Väter, die schlechte Karten haben. Hilfsangebote verschiedenster Art sind für Männer weit schlechter ausgebaut als für Frauen. Männer bringen sich dreimal so oft um wie Frauen, sind häufiger arbeitslos, kommen häufiger durch ihren Beruf ums Leben und landen öfter auf der Straße. International sieht es noch schlechter aus – beispielsweise sind Frauen durch internationale Vereinbarungen vor oft tödlich endender Zwangsarbeit geschützt und Männer nicht. Wäre all das umgekehrt, wäre das für Anne Wizorek der schlagende Beweis für himmelschreiende, systemimmanente Unterdrückung. Aber auch die Medien sind blind dafür: Wenn drei von vier Suiziden einen Mann zum Opfer haben oder geschätzte achtzig Prozent aller Obdachlosen männlich sind, war das im „frauenunterdrückenden Patriarchat“ noch nie ein Talkshowthema. Solche Verhältnisse werden unsichtbar gemacht. Wenn Anne Wizorek und ihre Freundinnen hingegen eine Kampagne bei Twitter starten, gibt es in der Woche danach jeden einzelnen Tag eine Talkshowsendung dazu.
„Frauen sind öfter Opfer von Gewalt“. Tatsächlich genügt ein Blick in jede Kriminalstatistik, dass Männer deutlich häufiger als Frauen Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum werden. Im häuslichen Bereich ist die Opferschaft annähernd gleichverteilt; das belegen seit langen Jahren hunderte von Studien, die in anerkannten soziologischen und kriminologischen Fachzeitschriften erschienen sind. (Eine in deutscher Sprache kommentierte Übersicht bietet die Website „Frauengewalt“). Im internationalen Raum sterben vor allem Männer an der Front, von sogenannten „Genderziden“, also geschlechtsbezogenen Massentötungen, ist, wie unter anderem der Professor für Geschichtswissenschaften und Völkermord-Experte Adam Jones nachweist, fast durchgehend das männliche Geschlecht betroffen.
„Untersuchungen belegen, dass sexuelle Gewalt fast ausschließlich von Männern verübt wird und der Anteil von Frauen als Täterinnen unter ein Prozent beträgt (…) Bei sexueller Belästigung sieht es ähnlich aus“. An solche Geschlechterklischees glauben viele, die aktuelle Forschung deckt sie nicht: So weist der Geschlechter- und Antidiskriminierungsforscher Dr. Peter Döge in einer Studie für die evangelische Kirche Deutschlands darauf hin, dass acht Prozent aller Frauen angegeben hatten, ihren Partner bereits sexuell genötigt zu haben. Der Anteil der Frauen, die sich durch ihre Männer sexuell genötigt fühlten, liegt mit zwölf Prozent nur um ein Drittel höher. In seiner zusammenfassenden Metastudie „Weibliche Gewalt in Partnerschaften“ erkennt der Berliner Soziologe Bastian Schwithal gar: „Beim Verüben von sexueller Gewalt ergibt sich ein Geschlechtsverhältnis von 57,9% Männer gegenüber 42,1% Frauen und hinsichtlich erlittener Gewalt ein Männer-Frauen-Verhältnis von 40,8% zu 59,2%.“
Von noch bemerkenswerteren Zahlen berichtete die US-amerikanische Professorin für Frauenstudien Abigail Rine im Juni 2013 in dem Magazin „The Atlantic“, wobei Rine sich auf die National Intimate Partner and Sexual Violence Survey aus dem Jahr 2010 bezieht, eine nationale, repräsentative Untersuchung über Opfer sexueller Gewalt. In den 12 Monaten vor der Erhebung, berichtet Rine, waren 1,26 Millionen Männer (1,1 Prozent aller Männer insgesamt) ihren Angaben nach „zur Penetration gebracht“ worden, was fast deckungsgleich sei mit den 1,27 Millionen Frauen (ebenfalls 1,1 Prozent aller Frauen insgesamt), die im selben Zeitraum vergewaltigt worden sein sollen. „Wenn diese Zahlen auch nur annähernd zutreffen“, so Rine, „zeigen sie ein signifikant anderes Bild von sexueller Gewalt in den USA, als ich gewohnt bin.“ Auf diese Relation wiesen auch die Feministin Hanna Rosin im Magazin „Slate“ und die männerfreundliche Equity-Feministin Cathy Young anhand neuerer Zahlen im Nachrichtenmagazin „Time“ hin. Im Oktober 2013 schließlich berichtete das Wissenschaftsmagazin „National Geographic“ über eine aktuelle Studie, die von den Wissenschaftlerinnen Michele Ybarra und Kimberly Mitchell in der akademischen Fachzeitschrift „JAMA Pediatrics“ veröffentlicht wurde. Diese Untersuchung zeigte, dass im Alter von unter 18 Jahren beide Geschlechter in etwa demselben Ausmaß zu sexuellen Übergriffen neigen. „Vor nicht allzu langer Zeit wurden Männern die Fragen über Tätererfahrungen und Frauen die Fragen über Opfererfahrungen gestellt“, erläutert Ybarra den sexistischen Hintergrund, der zur bis heute bestehenden Schieflage der Debatte über sexuelle Gewalt führte. „Wir haben die Tatsache nie wahrgenommen, dass Männer Opfer und Frauen Täter sein könnten.“ All diese Artikel stehen immer noch online.
Bei sexueller Belästigung sieht es nicht anders aus. Der von der American Association of University Women herausgegebenen Studie „Drawing the Line: Sexual Harassment on Campus“ zufolge wurden 62 Prozent der weiblichen und 61 Prozent der männlichen Schüler Opfer von sexueller Belästigung. Vier Forscher legten eine Folgestudie an und gelangten zu dem Ergebnis, dass sich die Mehrheit beider Geschlechter sowohl als Opfer wie auch als Täter sexueller Belästigung beschrieben habe, weshalb man das bisherige simple Täter-Opfer-Modell in Frage stellen müsse. Das bestätigte eine Ende 2013 veröffentlichte repräsentative Studie der Universität Lausanne und des Unternehmens „Forschung und Beratung“, die zeigte, dass Frauen und Männer am Arbeitsplatz ähnlich oft sexuell belästigt werden und dass Frauen in fast der Hälfte der Fälle zu den Tätern gehören. 66 Prozent der befragten Frauen und 71 Prozent der befragten Männer räumten ein, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal ein Verhalten gezeigt zu haben, das vom Gegenüber als belästigend hätte empfunden werden können.
Wer Antisexismus ernst nimmt, würde sich für Opfer beiderlei Geschlechts einsetzen statt nur für die Opfer des eigenen.
Wizorek fordert „eine Diskussion, in der Männer (…) auch mal die sexuellen Bedürfnisse und die Bedürfnisse nach Grenzen von anderen Menschen sehen“. Dass Männer in Fragen der Sexualität nur ihre eigenen Bedürfnisse sähen, gibt es nur in der sexistischen Propaganda des radikalen Feminismus. Blickt man hingegen in die Fachliteratur, etwa das Fachbuch „Sexualmedizin“ (Urban & Fischer), wird man eines Besseren belehrt. Dort heißt es: „Die negative Konnotierung männlicher Sexualität macht diese – mehr oder minder auch in der Selbstwahrnehmung der Männer – zum Problem, wenn nicht gar zur Gefahr. Zusammen mit dem viel stärker gewordenen Anspruch der Frauen auf sexuelle Selbstbestimmung, Initiative und der Bereitschaft, Wünsche und Abneigungen deutlich zu äußern, hat dies viele Männer in eine defensive Haltung geführt und ihr Selbstverständnis nachhaltig gestört.“ Während Frauen in den letzten Jahren immer mehr dazu ermuntert worden seien, ihre eigenen Bedürfnisse zu benennen und einzufordern, wurde dasselbe Verhalten bei Männern als aggressiv, egoistisch und „böse“ abgewertet. Viele Männer übernehmen diese Abwertung bereitwillig für sich. So zeigte sich in einer Untersuchung des Leipziger Sexualwissenschaftlers Kurt Starke, „dass schon sechzehn- bis siebzehnjährige Jungen im Zusammenhang mit sexuellen Themen von Versagens- und Kompetenzängsten geplagt werden, dass sie die sexuelle Begegnung mit einer Frau weniger herbeisehnen als oftmals geradezu fürchten, und dass sie die sexuelle Lust verlieren bzw. gar nicht entwickeln können … Die Identifizierung männlicher Sexualität als Problem und (potenzielle) Bedrohung macht den Grenzgang, den Identitätswechsel, der für das erotische Erleben so zentral ist, für viele Männer zum Risiko.“ Die erste Auflage dieses Buches erschien 2001. Ein junger Mann, der damals 17 war, ist jetzt etwa in dem Alter von Anne Wizorek.
„Tausende Frauen berichten unter #aufschrei von sexuellen Übergriffen“, fantasiert Wizorek an einer Stelle ihres Buches, „zehntausende Menschen sammelten unter #aufschrei ihre Erfahrungen mit Sexismus und sexueller Gewalt“ an einer anderen. Ralf Bönt widerlegt diesen Zahlenzauber in dem von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Band „Anmerkungen zur Sexismusdebatte“ in der Reihe „Aus Politik und Zeitgeschichte“, der auch online nachzulesen ist: Tatsächlich handelte es sich um zehntausende von TWEETS, also Wortmeldungen in der entstandenen Debatte, wobei einer Stichprobe zufolge „lediglich 1,5 Prozent von ihnen der Intention von Anne Wizorek entsprachen, 27 Prozent waren antifeministisch, 32,5 Prozent waren antisexistisch und bezogen sich zum Großteil auf aktuelle Zeitungsartikel, von denen wir oben gesehen haben, welche starke Zustimmung bekommen haben. [Nämlich jene, die eine einseitige und hysterische Sexismus-Debatte kritisierten. – A.H.] Der Rest war Spam, Werbung, Wiederholungen.“ Bisher lastete man es den Medien an, diesen Aspekt der Twitter-Debatte nicht verstanden zu haben – in ihrem Buch strickt Wizorek selbst an der Legende von den zigtausend Frauen.
Bezeichnenderweise trägt das Kapitel, in dem Anne Wizorek die Reaktionen auf die unter anderem von ihr gestarteten #Aufschrei-Kampagne darstellt, die Überschrift „Zwischen Fan Mail und Hate Speech“. Tatsächlich berichtet sie nur von „Fan Mail“ oder „Hate Speech“, ein Dazwischen gibt es für sie nicht: keine fundierte Kritik zum Beispiel, über die sie und ihr Klüngel vielleicht einmal nachdenken könnte. Wizoreks Welt zerfällt in Schwarz und Weiß. Man sollte sich insofern keine Illusionen machen, dass auch diese Rezension schlicht als „hate speech“ abqualifiziert werden wird.
Ähnlich grauenvoll undifferenziert wird Wizoreks Rhetorik, wenn sie auf die Männerrechtsbewegung zu sprechen kommt. Auch hier nimmt sie Frauen und Männer mit abweichender Meinung einfach nicht ernst, sondern lästert nur über „Männerrechtler, die hinter allem eine feministische Weltverschwörung sehen“. Tatsächlich benennen Männerrechtler viele Probleme, deren Entstehung oft mit dem Feminismus überhaupt nichts zu tun hat, die aber heute auch aufgrund einer einseitig ausgerichteten Geschlechterpolitik bestehen bleiben.
In einem Glossar am Ende des Buches definiert Wizorek die Begriffe „Männerrechtsbewegung/Maskulismus“ gar als „Ansammlung von Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen (…) die (…) sich gegen Geschlechtergerechtigkeit wendet bzw. die einzig und allein für Männer einfordert“. Damit projiziert Wizorek die narzisstisch-egozentrische Haltung ihres eigenen Buches auf ein anderes Lager. Die tatsächliche Definition von Maskulismus, wie sie in Texten der Bewegung selbst vertreten wird, sieht so aus: „Weltsicht und Theoriegebäude der Männerrechtsbewegung. Ihr zufolge verdient auch ein Mann Zuwendung und Unterstützung, wenn er diskriminiert wird, zum Opfer wird oder aus anderen Gründen leidet. Maskulisten geht es darum, Benachteiligungen, soziale Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf alle Menschen einschließlich der Männer zu erforschen, herauszufinden, was die möglicherweise vielfältigen Ursachen dafür sind, und realistische Lösungsstrategien zu entwickeln, die dann in einer gerechten Politik zur Anwendung kommen.“ Wer außer radikalen Feministinnen kann dagegen eigentlich etwas haben? Dass Maskulisten sich derzeit vor allem auf Probleme des männlichen Geschlecht konzentrieren, liegt schlicht daran, dass dieses Geschlecht in der Geschlechterdebatte des letzten halben Jahrhunderts nur als Monster, Hindernis oder Trottel vorkam und seine eigenen Sorgen politisch vollkommen brachlagen (und bis heute brachliegen).
An einer Stelle ihres Buches wird Anne Wizorek besonders unseriös. Als es um den Amoklauf eines jungen US-Amerikaners geht, formuliert sie feinsinnig: „Es kursierte bereits ein Blogpost, der die Tat mit der Männerrechtsbewegung und der Pick-up-Artist-Szene in Verbindung brachte“. Das nennt man wohl die Kunst der Insinuierung. Tatsächlich gab es zwischen dem Täter und der Männerrechtsbewegung überhaupt keine Verbindung, stattdessen tobte er sich auf der Seite PUAhate.com aus, wo man den Hass auf die Pick-up-Szene pflegte. Aber „es kursierte bereits ein Blogpost …“, und deshalb muss das auch noch ins Buch! Damit so viele wie möglich kapieren, dass Menschen, die sich statt nur für Frauen auch für Männer einsetzen, lebensgefährlich sind.
Woher rührt diese Lust an Verunglimpfungen und Denunzierungen? Die Antwort geben uns vielleicht zwei Passagen, mit denen Wizorek in ihrem Buch vermeintliche Gründe für Anfeindungen gegen Feministinnen nennt: „Wir wollen radikale Veränderungen. Das muss Leute anpissen.“ und „Solche Attacken sollen die Betreffenden zum Schweigen bringen. Ziel ist, sie mit so viel Hass zu überschütten, dass sie es am Ende bereuen, sich öffentlich geäußert zu haben.“ Die Art, wie heute auf Männerrechtler eingeprügelt wird, beschreiben diese Passagen gut. Männer ebenfalls als Opfer von Diskriminierung wahrzunehmen ist ein brandneuer gesellschaftlicher Prozess, der viele verunsichert. Uralt hingegen ist es, als schwache, ständig bedrohte „damsel in distress“ gute Männer um Hilfe gegen böse Männer zu bitten.
Als gleichberechtigtes Gegenüber bei Diskussionen auf Augenhöhe sind Männer in Wizoreks Welt nicht vorgesehen. Lieber verrät sie in einem eigenen Kapitel Männern, wie sie gute „allies“, also Unterstützer von Feministinnen werden: In erster Linie sollen sie ihre eigene Schuld und ihre Privilegien „gestehen“ und Kritik an dem, was sie tun, dankbar annehmen. Widerworte sind unerwünscht. „Du wirst verkacken und du wirst daraus lernen“ teilt Wizorek potentiellen männlichen Verbündeten stattdessen herablassend mit. Da wundert es einen wirklich, warum vielen Menschen der Feminismus so unsympathisch erscheint …
Man braucht sich übrigens keine Gedanken darüber zu machen, dass Anne Wizorek durch diese Rezension irgendwie zum Nachdenken gebracht wird. So schreibt sie in ihrem Buch: „Bei Interviewbeiträgen und Texten von mir im Netz, die nicht auf meinen eigenen Blogs stattfinden, halte ich mich an die eiserne Regel: Don’t read the comments. Ich lese wirklich keinen einzigen Kommentar unter diesen Texten“. Sie müsse sich selber schützen. Willkommen im mentalen Bunker, oder, wie es auf Neudeutsch heißt: in der Filterbubble. Anne Wizorek wird also vermutlich auch in 50 Jahren noch davon überzeugt sein, dass sexuelle Gewalt fast ausschließlich von Männern ausgeht. Der eigene Ratschlag, Kritik gefälligst anzunehmen – der gilt für Männer, aber doch nicht für Feministinnen! Das hierarchische Gefälle in der Ideologie dieses Buches ist kaum zu leugnen.
Und damit kehren wir zurück zu der Forderung nach einem „Feminismus von heute“. Laut einer am 23. Januar 2014 von der „Zeit“ veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ist eine große Mehrheit von 72 Prozent der Meinung, dass in der Sexismus-Diskussion die Männer zu kurz kommen. Frauen sehen dies mit 75 Prozent sogar noch häufiger als Männer (68 Prozent). Einige Monate zuvor hatten in einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach 76 Prozent der Männer erklärt, sich „wenigstens ab und zu gegenüber Frauen benachteiligt“ zu fühlen. Vor diesem Hintergrund und dem, was weiter oben über sexuelle Gewalt zu sagen war, ist der in Wizoreks Buch vertretene Feminismus von gestern. Wenn man schon nicht der Ansicht ist, dass sich der Feminismus grundsätzlich überlebt hat oder gar von Anfang an der falsche, weil sexistische Ansatz war, dann kann ein Feminismus von heute … oder vielleicht von morgen? … nur der sogenannte Equity-Feminismus sein, der die Anliegen beider Geschlechter ernst nimmt und sich keine Definitionshoheit anmaßt, welche Sorgen und Probleme zählen (die der Frauen) und welche nicht (die der Männer).
Den Equity-Feminismus gibt es im immer noch von Alice Schwarzer geprägten Deutschland leider gar nicht und etwa in den USA auch nur in Spurenelementen. Vor allem liberale statt dogmatische, männerfreundliche Abweichlerinnen von der feministischen Parteilinie wie Christina Hoff Sommers und die oben schon erwähnte Cathy Young gehören dazu. Letztere beklagt, dass sich der Feminismus zu einer „spaltenden und manchmal hasserfüllten Kraft“ entwickelt habe, die die Probleme von Frauen dramatisiere und die von Männern ignoriere. Die Equity-Feministin Wendy McElroy schließlich arbeitet mit den Männerrechtlern, die Wizoreks liebstes Feindbild sind, seit Jahren konstruktiv zusammen. In einer Rede, die McElroy 2008 vor Männerrechtlern hielt, erklärte sie, die vielleicht einzige Hoffnung des Feminismus, jemals wieder Bedeutung zu erlangen, bestehe darin, „den Männern zuzuhören, die Gerechtigkeit verlangen. Wenn sie sprechen, klingen ihre Stimmen wie die der Frauen in den sechziger Jahren, als die Frauenbewegung wie eine Naturgewalt durch unsere Kultur fegte und sie für immer verändert zurückließ. Die Frauen verlangten von den Männern: Gewährt uns gleiche Rechte, gewährt uns Respekt. Vierzig Jahre später hat sich die Situation umgedreht. Jetzt sind es Männer, nicht Frauen, die gegen die systematische Diskriminierung ihres Geschlechts protestieren. (…) Der Feminismus der sechziger Jahre war eine kulturelle Revolution. Und es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, dass eine neue Revolution im Anmarsch ist – dieses Mal angeführt von Männern. Sie wird nicht angeführt von Stimmen der Elite oder gefördert von Organisationen, die mit Steuergeldern ausgestattet sind. Es ist eine Graswurzelbewegung, bestehend aus Individuen, die vom System dermaßen zusammengeprügelt worden sind, dass sie jetzt einen Großteil ihres Lebens damit verbringen Nein zu sagen.“
In Anne Wizoreks Buch hingegen werden Männer entweder dämonisiert – wenn sie der feministischen Ideologie widersprechen – oder huldvoll als Helfer akzeptiert, wenn sie sich ganz und gar dieser Ideologie beugen. Wenn das der „Feminismus von heute“ ist, braucht man sich über seinen schlechten Ruf nicht mehr zu wundern.