Interview mit Klaus Funken anlässlich der Verabschiedung des Quotengesetzes am 6. März 2015
15. März 2015
Alexander Ulfig: Am 6. März, zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag am 8. März, hat der Deutsche Bundestag das Quotengesetz, das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, wie es irreführend heißt, einstimmig verabschiedet. War das ein Zufall?
Klaus Funken: Nein. Es ging ja leider nicht am 8. März, weil der dieses Jahr auf einen Sonntag fiel. Sonst wäre das Gesetz symbolträchtig wohl auch am 8. März verabschiedet worden. Das Quotengesetz passt ja auch zum „Internationalen Frauentag“, der ja 1911 von Clara Zetkin – damals noch Sozialdemokratin, 1919 Mitbegründerin der KPD und von 1919 bis 1933 kommunistische Reichstagsabgeordnete – aus der Taufe gehoben worden war. Er ist seit jeher der Gedenktag der sozialistischen und kommunistischen Frauenbewegung, im Übrigen in bewusster Konkurrenz und Abgrenzung zur bürgerlichen Frauenbewegung. Den beiden Matronen aus den Häusern Bertelsmann und Springer dürfte das vermutlich nicht so geläufig sein. Angela Merkel als ehemaliges Mitglied der FDJ, der Staatsjugend der DDR, weiß das natürlich. Das Gesetz passt absolut zu diesem Tag, dem internationalen Festtag der sozialistisch-kommunistischen Frauenbewegung. Es ist ja ein klassisches Umverteilungsgesetz; hier werden Führungspositionen eines Unternehmens oder einer Behörde zugunsten von Frauen zwangsbewirtschaftet. Nicht die Leistung zählt, das Geschlecht zählt. Und damit Basta. Sozialismus pur. Das hatten wir ja schon früher: Nicht der begabte Sohn oder die begabte Tochter aus bürgerlichem Hause durfte studieren, sondern das Arbeiter- und Bauernkind, das der „fortschrittlichen Klasse“ angehörte. Den sozialistischen Staaten ist das nicht gut bekommen, wie wir wissen.
Alexander Ulfig: Wie kommen denn die Abgeordneten von CDU und CSU dazu, einem solchen Gesetz zuzustimmen?
Klaus Funken: Die haben nicht zugestimmt, die haben sich gedrückt: Zwei Drittel der Unionsabgeordneten sind der Abstimmung ferngeblieben. So kann man auch politische Verantwortung wahrnehmen! „Elende Feiglinge“ hätte Hans Apel ihnen nachgerufen, so wie er selbst – wie er später eingestand – ein „elender Feigling“ war, als die Quotenregelung 1988 in der SPD eingeführt wurde. Es lohnt aus seinen Erinnerungen zu zitieren, weil es genau auf das Abstimmungsverhalten der Mehrheit der Unionsfraktion passt: „In persönlichen Gesprächen hält niemand diese Quotierung für sinnvoll. Auch die meisten Frauen sind dagegen, sie ziehen einen politischen Aufstieg ohne die Krücke der Quote vor. Auch sie befürchten, daß sich künftig weniger qualifizierte Männer in der SPD engagieren, weil ihre Aufstiegschancen über Jahre blockiert sind. Doch bis auf wenige Ausnahmen sind wir alle elende Feiglinge. Wir haben Angst vor der organisierten Kraft der Frauen in der ASF und hoffen, daß der Kelch der Quote an uns vorübergeht.“ Der Kelch ging allerdings nicht an ihm vorüber. Er wurde nach dem Quotenparteitag abgesägt. Seine politische Karriere war beendet. Apels Feigheit hatte sich nicht ausgezahlt.
Alexander Ulfig: Nun wird in der SPD das „Quotengesetz“ als „größter Beitrag zur Gleichberechtigung seit Einführung des Frauenwahlrechts“ gefeiert. Ist das nun ein Witz oder ernstgemeint?
Klaus Funken: Wer das ernstmeint, hat in der Schule nicht aufgepasst. Das kann doch nur ein Witz sein. Vermutlich ein Herrenwitz. Allerdings bin ich mir da nicht so sicher: Auch Hans-Jochen Vogel, damals SPD Partei- und Fraktionsvorsitzender, hatte auf dem Quotenparteitag 1988 mit großem Pathos gemeint, die Entscheidung für die Quote könne „mit der Einführung des Frauenwahlrechts vor 70 Jahren in einem Atemzug genannt werden“. Diese Äußerung Vogels war 1988 besonders schief und grotesk, weil die Quotenregelung in der SPD ja nur auf 25 Jahre begrenzt war und 2013 hätte auslaufen sollen. 2003 wurde dann diese Begrenzung in einer Nacht und Nebel Aktion auf dem Bochumer Parteitag kassiert.
Alexander Ulfig: Es wird mit dem „Quotengesetz“ in das Eigentums- und Vertragsrecht eingegriffen. Wird das Auswirkungen haben auf den Wirtschaftstandort Deutschland?
Klaus Funken: Davon ist auszugehen. Es ist aber schwer zu sagen, wie die Unternehmen reagieren werden. Natürlich gibt es immer Auslegungs- und Gestaltungsspielräume. Ob auch die deutschen Unternehmensverbände – wie vor zehn Jahren es die Unternehmensverbände in Norwegen taten – dagegen klagen werden, ist nicht zu erwarten. Als Aktionär kann ich ja meine Anteile verkaufen, wenn mir die Regelung nicht gefällt. Wer die Begründung des Gesetzes liest, wird sich schon seine Gedanken machen, wie es mit dem „Gleichstellungswahn“ in Deutschland weitergehen wird. Das Gesetz wird in jedem Fall Unfrieden in den Unternehmen stiften. Davon kann man ausgehen
Alexander Ulfig: Welchen Nutzen hat denn das Gesetz überhaupt?
Klaus Funken: Ich halte das Gesetz für blanken Unsinn. Hier wird etwas vorgeschrieben und kommandiert, was ohnehin kommen wird. Frauen werden in Führungspositionen einrücken, weil sie qualifiziert, engagiert sind und weil sie – auch als Führungskräfte – dringend gebraucht werden. Sonst werden wir unseren Wohlstand nicht halten können. So einfach ist das. Das Hausheimchen vergangener Tage können wir uns einfach nicht mehr leisten. Das Gesetz ist aber nicht nur blanker Unsinn. Es ist eine Dummheit. Der 6. März 2015 wird als Datum in die Geschichte eingehen, allerdings nicht so, wie die Befürworter des Gesetzes dies sich wünschen. Bei jeder Berufung einer Frau in den Vorstand, bei jeder Entsendung in den Aufsichtsrat, bei jeder Übernahme eines Abteilungsleiterpostens wird die Frage im Raum stehen: Vor oder nach dem 6. März? Das ist jetzt gar nicht mehr zu vermeiden. Ich halte das Gesetz deshalb für frauenfeindlich. Die Quotenregelung ist meiner Auffassung nach eine subtile Form der Frauenverachtung. Eine Steilvorlage für alle Chauvis in den Chefetagen. Tragisch ist, dass die Frauen, die das „Quotengesetz“ am 6. März 2015 beschossen haben, das ganz anders sehen.
Dr. Klaus Funken promovierte bei Iring Fetscher und Richard Lorenz über ein Thema der sowjetischen Wirtschaftsgeschichtsschreibung. Lehrbeauftragter in Frankfurt und Kassel, seit 1976 für Karsten Voigt und Wolfgang Roth im Bundestag tätig, ab 1.1.1978 wirtschaftspolitischer Referent in der SPD-Bundestagsfraktion. 1989 bis 1992 als Leiter des Friedrich-Ebert-Stiftung-Büros in Shanghai. 1992 bis 1995 in London tätig. Danach wieder in der SPD-Fraktion. Seit 2010 im Ruhestand.
Ich studierte Philosophie, Soziologie und Sprachwissenschaften.
Meine Doktorarbeit schrieb ich über den Begriff der Lebenswelt.
Ich stehe in der Tradition des Humanismus und der Philosophie der Aufklärung. Ich beschäftige mich vorwiegend mit den Themen "Menschenrechte", "Gerechtigkeit", "Gleichberechtigung" und "Demokratie".
In meinen Büchern lege ich besonderen Wert auf Klarheit und Verständlichkeit der Darstellung. Dabei folge ich dem folgenden Motto des Philosophen Karl Raimund Popper: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann“.