„Leben und nur lebend lassen“
Die „Gutmenschen-Null-Toleranz-Mentalität“ (kurz: GNTM) breitet sich aus. Gemeint ist ein Nebel von Pseudo-Toleranz, der trendy, altruistisch und modern ist. Aber mit Toleranz nicht wirklich viel zu tun hat. Denn „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ – so ihre Devise.
Wer bei GNTM zuerst an das Fotoshooting in New York, die Fashionshow in Paris und am Ende „Germanys Next Topmodel“ dachte, der wird enttäuscht sein. Denn GNTM steht hier für „Gutmenschen-Null-Toleranz-Mentalität“. Und diese grassiert schon seit einiger Zeit um das Land. Wie eine Seuche bedeckt sie ihre Opfer und umhüllt sie mit einem Nebelschleier. Und wenn es denn so weit ist, merken diese nichts. Denn ihr Durchblick ist wie gewöhnlich. Getrübt, aber nicht anders als sonst.
Der Radius ist wie immer eng. Nur der Nebel ist ein anderer. Dieses Mal nicht von Osten ziehend, sondern von Westen her kommend. Ein in Pseudo-Toleranz salonfähig gekleideter Nebel. Salonfähig, wie die Kleidung und das Makeup. Diese entsprechen dem zeitgeistlichen Modetrend inklusive ihres Trägers – so wie meist: „Außen hui, innen pfui!“
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Mit dem Makeup schreitet also die verkörperlichte Aphrodite durch das Leben. Und ist es weg, erweckt es den Eindruck als habe Zeus einen Fluch auf sie gesprochen. Sie zu einer schrulligen Wassernymphe werden lassen. Nur mit dem Unterschied, dass dies ihr wahres Gesicht ist. Der Fluch also in Wirklichkeit keiner ist und der Zauber eher „Aphrodite“ heißt.
Ähnlich verhält es sich mit der „Gutmenschen-Null-Toleranz-Mentalität“ (kurz: GNTM). Es ist im Grunde genommen eine Mogelpackung der Toleranz. Aber eine Mogelpackung, die salonfähig ist. Denn nach der GNTM gebührt nur denjenigen Minderheiten Toleranz, die gerade en vogue sind. Hierzu gehören Schwule, Lesben, Behinderte und Ausländer, respektive Flüchtlinge. Gehört man zu einer dieser Gruppe kann man sich „glücklich“ schätzen. Sie alle liegen – vielleicht unfreiwillig – voll im Trend der GNTM. Sie werden von den GNTM-Anhängern auf Händen und Füßen getragen.
Und diejenigen, die nicht zu einer der oben genannten Minoritäten gehören, müssen nicht traurig sein. Denn trendy sein können auch sie. Man folge nur der Welle des GNTM, reite mit und propagiere somit Pseudo-Toleranz. So lässt es sich zumindest einfacher Karriere machen. Und ganz nebenbei kann man seine altruistische Ader á la Pseudo-Toleranz zur Schau stellen. Man ist als GNTM-Anhänger einfach ein herzensguter, toleranter Mensch.
Doch diese Toleranz kennt Grenzen. Denn Toleranz beginnt bei GNTM dort, wo sie staatlich geregelt wird und endet auch jenseits dessen, vor allem im täglichen Miteinander. Also wenn Sie als Schwuler, Lesbe, Behinderter oder Flüchtling eine Stelle suchen, werden Sie auf dem Papier mit offenen Armen empfangen. Entfernen Sie sich jedoch von Papier und Stift, dem oberflächlich Geschriebenen, und nähern sich der tiefgründigen Bedeutung dessen, laufen Sie gegen verschränkte Arme an. So weit reicht die GNTM nun eben nicht. Denn Grenzen muss es geben.
Und auch Toleranz muss Grenzen gesetzt werden. Und diese soll sich eben nur auf der Oberfläche, aber nicht in der Tiefe abspielen. Denn wer will schon echte Toleranz? Hauptsache man scheint tolerant. „Schein statt Sein“ eben. Deutlicher wird dies im Umgang mit Minderheiten, die nicht auf der GNTM-Liste vermerkt sind und gerade die GNTM-Gruppen kritisieren.
Dazu gehören zum Beispiel flüchtlingskritische, „refugee go home“ denkende Personen. Oder aber schwulenkritische, die einer Kindsadoption durch ein schwules Paar skeptisch gegenüber stehen. Und diese entfachen bei den GNTMs eine Glut der Ideologien. Anstatt diese Glut mittels der ratio zu löschen, werden Funken von Gefühlen, wie Verachtung, Hass oder Empörung in die Glut geworfen. Dieses flammende Inferno mündet letztendlich in einer Unterstellung geistiger Verwirrtheit der GNTM-Kontrahenten. Kein Wunder, dass in diesem glühenden Sein, im Kampfe des Gefechtes der eigene mentale Zustand mit dem des Feindes verwechselt wird.
Und dieses phrenetische Feuer entflammt umso mehr in eine aporetischen Haltung der GNTM. In jener aporetischen Haltung, in der ihre intellektuelle Desarmierung verdeutlicht werden kann und muss. Soweit bis sich der GNTM-Verteidiger in der Nacktheit seiner leeren Phrasen windet und selbst verknotet. Solange bis er seiner intoleranten Toleranz erblickend bereit ist den Gordischen Knoten zu entwirren. Und in der Asche seiner eigenen aporetischen Glut erstickt.
Denn einerseits konstatiert er Toleranz. Wie oben beschrieben eine oberflächliche Pseudo-Toleranz. Andererseits begegnet er Andersdenkenden mit Intoleranz. Er pflegt im Grunde genommen eine intolerante Toleranz getreu dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Und gerade hierdurch zeigen die GNTM-Anhänger ihr wahres Gesicht: ihr Gesicht der gefühlt intellektuellen und moralischen Überlegenheit – unter ihrer Maske der Toleranz. Dieser Maske der Toleranz, welche dazu dient, den Anderen für die Erhöhung des eigenen Selbst und den eigenen Interessen zu instrumentalisieren. Einem anderen Zwecke dient es sonst nicht. Oberflächlich eben, wie die eigene Toleranz: eine salonfähig verpackte Intoleranz, auf die man auch gerne verzichten kann.
Dann doch lieber volle Toleranz gegenüber all den Deppen und Idioten, die frei in der Welt herumlaufen und sich – manche mehr, manche weniger – unrechtmäßig mit der Schleife der Toleranz schmücken. Erst das ist echt gedachte und gelebte Toleranz. Nämlich den Deppen einen Deppen sein lassen. Und den Idioten einen Idioten sein lassen. Und nicht wie die GNTM-Anhänger „leben und nur lebend lassen“ predigen, sondern tatsächlich „leben und leben lassen.“