Déjà-vu in Deutschlands Kinderzimmern: Die Bundesregierung tobt sich auf der Spielwiese aus und lässt die echten Alltagsprobleme nonchalant linksliegen. Stattdessen werden Frauen in die Rolle der karriereorientierten, kinderwerfenden Gebärmaschine gezwängt.
„Laßt uns pflügen, laßt uns bauen
ernt und schafft wie nie zuvor
und der eignen Kraft vertrauend
steigt ein frei Geschlecht empor…“
– „Auferstanden aus Ruinen“, 3. Strophe, Nationalhymne der DDR
Wie damals wird überall von Fachkräftemangel gesprochen, Wohnungen werden hart erkämpft und Bildung wird als „die“ Allzweckwunderwaffe im Kampf gegen Armut angepriesen. Die SED ist hinterrücks wieder „auferstanden aus Ruinen“. Das Akronym steht aber nicht mehr für „Sozialistische Einheitspartei Deutschland“, sondern für „Sozialistischer Einheitsbrei Deutschlands“. Den rötlichen Brei bekommen schon die Kleinsten, wobei Hipp oder Alete nicht gemeint sind. Vielmehr geht es um die ausgelutschten Forderungen der letzten Jahre, die dem Zeitgeist entsprechend diskursiv und trendig zum „Smoothie“ püriert werden. Neben „Bildung für alle“ ist das die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Schön und gut. Dumm nur, dass im „Bildungssmoothie“ keine Bildung steckt.
Wohin uns etwa der hoch angepriesene Akademisierungswahn führte, sehen wir: Es gibt zu wenig junge Leute, die eine Ausbildung beginnen. Konsequenz: Leere Ausbildungsplätze und Fachkräftemangel. Umgekehrt gibt es immer weniger ihren Qualifikationen entsprechende Stellen für Akademiker. Die Bildungsinflation ist im vollen Gange. Stattdessen wird fleißig debattiert, ob nicht bald Kindergärtnerinnen einen universitären Abschluss benötigen. Ist es nur eine Frage der Zeit, wann es den Master of Science „Room Management“ – herzlichen Glückwunsch zur diplomierten Putzfrau! – geben wird? Hätte die Masterarbeit neben einem Theorieteil à la „Das konstitutive Verhältnis des putzenden Subjekts zum Objekt am Interface zwischen digitaler und analoger Lebenswelt“ auch eine praktische Übung wie „Anwendung gelernter Putztechniken im privaten Raum“, die selbstredend im Heim des Prüfers stattfände?
Fragen über Fragen, von denen man zu erschlagen droht. Aber die Verve für diese Thematik hat sich mittlerweile gelegt. Stattdessen liebäugeln unsere Geschmacksknospen mit den „Smoothies“ der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und der „geschlechtlichen Gleichstellung“. Bekanntlich lässt sich über den Geschmack nicht diskutieren. So werden im universitären Bereich bei der Einstellung Frauen systematisch gegenüber Männern bevorzugt. Die Zusage von Forschungsgeldern wird von der Anzahl der beteiligten Forscherinnen am beantragten Projekt abhängig gemacht. Je mehr Frauen in einer Forschergruppe oder nur eine weibliche Antragstellerin, desto besser sind die Chancen Forschungsgelder zu erhalten. Mit geschlechtlicher Gleichberechtigung hat das nicht viel zu tun. Nicht nur, weil offensichtlich Männer benachteiligt werden, sondern auch weil Frauen in das Korsett des Berufs und der Karriere geradewegs hineingezwängt werden. Ob sie hierbei vor Atemnot in Ohnmacht fallen, spielt keine Rolle.
Wer in erster Linie arbeitende Mutter und nicht gebärende Karrierefrau werden möchte, hat immer schlechter werdende Karten. Karriereorientierte, kinderwerfende Gebärmaschinen werden produziert, echte Mütter in die alleinige Mutterrolle gedrängt und im Fall der Fälle als alleinerziehende Mütter an die Ränder der Gesellschaft verbannt. Entscheidet man sich als Frau bewusst gegen das zu eng geschnürte Korsett der Arbeit peitscht einem eine pseudoemanzipierte, feministische Melange aus Mitleid und Hochmut entgegen. Voller Naivität stürze man sich in die klassische Ehe und mache sich somit abhängig – was einer Unterdrückung gleichkäme. Deswegen solle man emanzipiert sein, ein anderes Wort für arbeitswütig. Oder mütterlich-naiv formuliert: in einem Treueschwur mit seiner Arbeit leben, dafür aber mit salonfähigem Korsett.
Schaut man also genauer hin, zeigt sich in dieser diffusen Formel „Familie + Beruf = Vereinbarkeit“ ein verfeinertes Rezept realsozialistischen Gedankenguts, in der anscheinend die Zutat des Mutter- oder Vaterseins einen geschmacklichen Störfaktor darstellen. Augenscheinlich bedarf es nach heutigen Vorstellungen dieser Attribute nicht unbedingt für die freie Persönlichkeitsentwicklung. Stattdessen wird die staatliche Erziehung weiter ausgebaut. Die Kleinen kommen am besten so früh wie möglich in die Krippe, danach ganztags in die KiTa und abschließend in die Ganztagsschule. Gebärmaschine und Zündschlüssel erfüllen im wahrsten Sinne des Wortes ihre gesellschaftliche Funktion. Sie sollen Vollzeit arbeiten, ob sie es wollen oder nicht. Arbeitsstellen, die ein familienartiges Leben ermöglichen, sind Mangelware.
Dass diese neue aufoktroyierte Form staatlich organisierten Familienlebens massentauglich gemacht wird, bleibt außen vor. In einer Zeit, in der Flexibilität und Mobilität als das non plus ultra gelten, wird Vertrauen aber um so wichtiger. Zu sich, zu anderen und der Welt. Ohne sichere Bindung, ohne elterliches Urvertrauen können keine echten und tiefgründigen Beziehungen eingegangen werden. Schon jetzt sprechen wir von einer Narzissmusepidemie. Das mag für den ein oder anderen ein durchaus attraktiver Lebensentwurf sein. Aber im Zuge der individuellen Emanzipation sollte er eine mögliche unter mehreren Alternativen werden, für oder gegen die man sich bewusst und unabhängig vom Geldbeutel entscheiden kann. Erst das wäre tatsächlich gemeinte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, erst das wäre echte weibliche und männliche Emanzipation. Der „Sozialistische Einheitsbrei Deutschlands“ will es aber anders.