Der Domestizierung des Mannes hat das Düsseldorfer Amtsgericht mit seinem Urteil vom 20. Januar 2015 (Az. 42 C 10583/14) einen schweren Schlag versetzt. Wie schwer dieser Schlag sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Das Urinieren im Stehen, so stellten die Düsseldorfer Richter fest, sei heute trotz aller Umerziehungsbemühungen „durchaus noch weit verbreitet“, früher sei es sogar „herrschender Brauch“ gewesen.
Die Richter ließen offen, ob sie dieses Brauchtum für schützenswert halten. Sie sahen sich zu einer solch weigehenden Feststellung wohl nicht befugt.
Die Richter ließen ebenso offen, ob es sich beim Pinkeln im Stehen um ein Menschenrecht handelt, wie überzeugte Aufrechtpinkler immer wieder behaupten. Immerhin könne sich das männliche Geschlecht nicht nur auf die bisher eingeübte Praxis (Traditionspinkeln) berufen, sondern auch auf die biologische Verfasstheit des männlichen Geschlechtsapparates, die ein Pinkeln im Sitzen aus gesundheitlichen Gründen verbiete. Ob das zwischenzeitlich weitgehend domestizierte Männchen bereits gesundheitliche Schäden vom Pinkeln im Sitzen erleiden musste, ist wissenschaftlich bisher noch nicht gründlich untersucht worden. Wie dem auch sei, die Meinungen gehen hier auseinander. Wissenschaftliche Studien können nicht herangezogen werden: sie bestätigen – wie bei allen Fragen von Belang – beide Seiten. Richtig ist: Bei der Klärung einer Frage dieser Qualität ist ein Amtsgericht regelmäßig überfordert, hier hätten schon das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof befasst sein müssen. Doch ob beide Gerichte sich mit der Problematik befassen werden, ist heute noch nicht abzusehen. Bei der emotionalen Brisanz, die dieser Frage beigemessen wird, ist dies jedoch nicht auszuschließen, wie Kenner der Materie vermuten.
Aber immerhin stellen die Düsseldorfer Richter fest: „Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch (Pinkeln im Stehen) noch ausübt, (müsse) zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit – insbesondere weiblichen – Mitbewohnern“ rechnen, er richte, so die rheinischen Richter weiter, jedoch sonst keinen Schaden an, wie im Düsseldorfer Streitfall die Verätzung des im Badezimmer verlegten Marmorbodens. Genau das sehen viele AktivistInnen anders.
Es wundert nicht, dass der Düsseldorfer Spruch vom 20. Januar bundesweit für Aufregung sorgte. Den jahrzehntelangen Bemühungen, dem unzivilisierten Verhalten der Männer endlich Einhalt zu gebieten, wurde mit dem Düsseldorfer Urteil ein Bärendienst erwiesen.
Dabei sind die Erfolge der Umerziehung zwischenzeitlich schon beträchtlich. Es soll Männer geben, die sich in einem Akt vorauseilenden Gehorsams selbst auf Urinale setzen oder beim Wasserlassen im Wald sich Niederhocken. Dieser Bekennermut wird in der Öffentlichkeit allerdings viel zu wenig gewürdigt, selbst in den sozialen Medien wird er nur sehr selten einmal herausgestellt. Umgekehrt soll es Männer geben, vermutlich fundamentalistische Aufrechtpinkler, die nicht nur aus Bequemlichkeit weiterhin im Stehen pinkeln, sondern dies auch noch als Widerstandshandlung ausgeben. Das Pinkeln im Sitzen betrachten sie als von FeministInnen aufgezwungene Unterwerfungsgeste, die seit der Pekinger UN Frauenkonferenz von den Männern weltweit eingefordert werde. Ob und wie weit dieser sicherlich kleinen Gruppe militanter Aufrechtpinkler das Handwerk gelegt werden kann, ist schwer zu sagen. Eine leicht zu bewerkstelligende elektronische Überwachung in öffentlichen Toiletten kommt wohl nicht in Frage. Eine nachträgliche Kontrolle wäre denkbar, scheitert aber an dem hohen personellen Aufwand. So wird wohl wieder einmal alles vom Gang durch die Instanzen abhängen, ob dem notorischen Aufrechtpinkler das Handwerk gelegt werden kann.