Mal Hand aufs Herz – wer nimmt nach 20 Jahren Berlusconismus die italienische Demokratie noch ernst? Die Italiener wohl am allerwenigsten.
Da dürfte es auch kaum jemand mehr im Land aufregen, wenn der neue „starke“ Mann im Quirinalspalast, Matteo Renzi, seit Februar im Amt, das Wahlrecht für einen „guten Zweck“ eben mal so zurechtbiegt.
Sicher: Von den 72 italienischen EU-Abgeordneten sind bislang nur ein Fünftel Frauen, Italien bewegt sich damit am unteren Rand. Das mag den Sozialdemokraten Renzi gewurmt haben. Zu Recht. Nur für einen höheren Anteil von Frauen das Wahlrecht zu verdrehen und Stimmen für ungültig zu erklären, nur weil das gewünschte Ergebnis mit dem bisherigen (bewährten) Wahlrecht nicht erzielt wird, ist pervers.
Jeder italienische Wähler wählt die Partei seiner Präferenz und hat dabei drei „Vorzugsstimmen“, mit denen er die Platzierung auf der Liste der Partei, die er wählt, verändern kann. Der Kandidat mit den meisten „Vorzugsstimmen“ ist gewählt und zieht dann für seine Partei ins Parlament. Ein solches Verfahren ist nicht nur fairer und demokratischer, es ist auch absolut sinnvoll, schränkt es die Macht und den Einfluss der Parteioligarchien auf die Aufstellung der Kandidatenlisten ein, wie es zum Beispiel in Deutschland der Fall ist. Ein solches Verfahren wie in Italien würde uns also auch gut zu Gesicht stehen.
Nur die Wählerinnen und Wähler in Italien wählen nicht so, wie die derzeitige Regierung es gerne hätte. Bei einer für Europawahlen beachtlichen Wahlbeteiligung von zuletzt knapp 66 Prozent schickten sie nur 20 Prozent Frauen nach Strasbourg – und das trotz des Verhältniswahlrechts und des Systems der „Vorzugsstimmen“. Das soll nach dem Willen der neuen „quotierten“ Regierung jetzt ein Ende haben: Wer nicht – wie gewünscht – abstimmt, dessen Stimme wird schlicht einkassiert. Werden die drei „Vorzugsstimmen“ für Kandidaten nur eines Geschlechtes abgegeben, dann wird die zweite und dritte Stimme nicht gezählt und fällt unter den Tisch. Gültig sind die „Vorzugsstimmen“ nur dann, wenn gemischtgeschlechtlich abgestimmt wird: also für zwei Männer und eine Frau oder für zwei Frauen und einen Mann.
Dass die Demokratie bei einer solchen Bevormundung auf der Strecke bleibt, ist offenkundig. Eines ist bei einem solchen Verfahren auf jeden Fall sichergestellt, dass nämlich der Frauenanteil unter den italienischen Europaabgeordneten nach dem 25. Mai 2014 auf zumindest ein Drittel hochschnellen wird – ob das den Italienern nun passt oder nicht. Das nennt man wohl dann eine Erziehungsdemokratie. Die Feministische Internationale wird entzückt sein. Was soll’s, werden viele sagen. Was sind das überhaupt für Wahlen am kommenden Sonntag, bei der ohnehin nicht jede Stimme gleich viel wert ist, kommen doch statistisch betrachtet 826.515 Italiener auf einen Sitz im Europaparlament, während 68.833 Malteser schon für einen Sitz in Strasbourg gut sind.